Prof. Dr. Hartmut Schwandt, Leiter 3D LAB,  TU-Berlin

Das deutsche Herzzentrum in Berlin arbeitet gemeinsam mit Prof.Schwandt, Leiter des 3D-Labors der TU- Berlin, daran mittels 3D-Printing ein Gittergerüst in Form einer Herzklappe zu erzeugen an dem körpereigene Zellen angesiedelt werden. Ziel des Projektes ist die Herzklappe (Gitter + körpereigene Zellen) zu implantieren, das Gitter soll in weiterer Folge vom Körper resorbiert werden.

Wie kann man sich den Druck einer Herzklappe vorstellen?

Prof. Schwandt: Das deutsche Herzzentrum und die TU-Berlin verfolgen gemeinsam den Ansatz Herzklappen mittels Gewebezüchtung herzustellen. Das Neue an diesem Ansatz ist die Art, wie man die Herzklappe in Form bringt. Denn die Zellen denken überhaupt nicht daran, in der richtigen Form zu wachsen, d.h. man nimmt geeignete Zellen, packt diese in eine Nährlösung, lässt sie längere Zeit in einem Bioreaktor routieren und dann wächst irgendetwas. Wenn daraus aber eine Herzklappe werden soll, dann muss man sie in Form bringen. Hier kommen das 3D-LAB und Tissue Engineering ins Spiel. Wir nehmen die geometrische Form einer Herzklappe und drucken mittels 3D-Druck eine Gitterform des Herzklappenmodells.

Modelle von gedruckten Herzklappen (zwecks Veranschaulichung aus Polyamid)

Geht das denn schon?

Prof. Schwandt: Wir haben mehrere Arbeitsfelder: Im 3D Druck gibt es derzeit keinen Drucker, der für unseren Anwendungsbereich geeignet ist und es gibt kein Material, das unmittelbar druckbar ist. Zusätzlich müssen die mechanischen Eigenschaften und die Biometrie in Zusammenarbeit mit dem Herzzentrum per dauernder Rückkoppelung entwickelt werden.

Was ist Ihr Ansatz?

Prof. Schwandt: Wir sind dabei für diesen Zweck einen eigenen Drucker zu bauen. Die Funktionsweise eines 3D-Druckers ist folgende: Pulver auftragen und mit einem Schichtenlaser hineinschießen. Es wird ein Pulver in Schichten von unter 1/10 mm aufgetragen – Polyamid Pulver im Normalfall – ein computergesteurter Laser wird dann von oben daraufgeleitet, er filtert anhand der Daten die eigentliche Form schichtenweise heraus. Das Ganze verklebt, danach kommt die nächste Schicht und so weiter bis der Prozess abgeschlossen ist. Aus dem Pulverbett wird dann die Herzklappe `herausgegraben`, d.h. sie befindet sich dann in dem Pulverbehälter.

Welches Material verwenden Sie zum Drucken der Herzklappe?

Prof. Schwandt: In diesem Fall ist es nicht möglich Polyamid zu verwenden. Wir verwenden PGA-PLA, das ist ein biokompatibles Material, das zum Beispiel als Trägermaterial im Tissue Engineering verwendet wird. Herkömmliche Standardkunststoffe sind toxisch und hart, denn in der Regel ist man daran interessiert ein möglichst stabiles Objekt mit dem 3D Drucker zu erzeugen. Bei der Herzklappe allerdings müssen wir ein bewegliches Gerüst erstellen, damit es sich auch wie eine Herzklappe sich bewegen kann. Die Idee dabei ist, ein Herzklappengitter mit Stegen und Poren zu drucken um es mit Zellen besiedeln zu können. Die Stegbreite und Porengröße wird so bemessen, dass auf der einen Seite die Zellen nicht gleich wieder davon abfallen, sich aber auf der anderen Seite nicht so darin verkrallen, dass sie sich nicht mehr davon ablösen können. Sie müssen sich wieder ablösen, denn man möchte, dass das Implantat – d.h. das Gerüst mit angewachsenem Gewebe im Patienten mitwachsen kann. Daher hofft man, dass sich das Gitter im Laufe der Zeit langsam auflöst und vom Körper resorbiert wird. Das ist allerdings ein sehr fernes Ziel und da muss man noch viel Arbeit leisten.

Welches sind die Hauptanwendungsgebiete für diese Implantate?

Prof. Schwandt: Hauptsächlich denkt man an Babys mit Herzklappenfehlern, da sich hier das Zusatzproblem stellt, dass die Herzklappe bei Kindern mitwachsen muss. Daher der Ansatz eine Herzklappe aus körpereigenem Gewebe zu züchten, sie hat den Vorteil mitwachsen zukönnen und vom Körper nicht abgestossen zu werden. Bei Neugeborenen kann man die benötigte Stammzellen aus der Nabelschnur entnehmen.

Wie bekommt man die notwendigen Maße für die Herzklappe?

Prof. Schwandt: Die individuellen Maße werden im CT genommen, es ist zwar nicht ganz genau, aber damit können wir bereits ein maßgeschneidertes Herzmodell erzeugen.

Wann werden die ersten Herzklappen implantiert?

Prof.Schwandt: Man wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren den technischen Prozess sehr weit entwickeln können.  Es wird sich sehr viel im Bereich Prozesse, Maschinen und Material tun. Wir arbeiten ja nicht alleine an solchen Lösungen. Wo ich keine Prognose wagen kann, ist der Zeitpunkt ab dem tatsächlich ein Patient mit einem Implantat herumlaufen kann. Das wird mehr als zehn Jahre dauern. Denn im medizinischen Bereich starten nach der Prototyp Reife erst die klinischen Versuche. Sollte man dann passable Ergebnisse erreichen, kann man es erst wagen mit Tierversuchen anzufangen. Implantate, die bereits im Einsatz sind, wie Bandscheiben beispielsweise, werden aus Titan, Stahl und vielleicht Keramik und Kunststoff hergestellt. Der Bereich bei dem man Körper mit dem Gewebe verbindet ist weitaus komplexer. Daher sind für den Ersatz von körpereigenem Gewebe die Anforderungen um ein Vielfaches größer und auch die Zulassungen extrem langwierig.

About

Prof. Dr. Hartmut Schwandt ist Professor für Mathematik an der TU Berlin und Leiter des 3D-Labors und des IT-Bereichs sowie IT-Beauftragter. Er arbeitet auf den Gebieten Verfahren und Anwendungen von 3D-Druck und 3D-Scan Computermathematik, Simulation von Fußgängerströmen und 3D-Verfahren für 3D-Sensorik u.a. für die Automatische Fahrgastzählung.