Dr. Andreas Tiran, Managing Director, CAMPUS SCIENCE SUPPORT FACILITIES GMBH (CSF)

TF: Die Campus Science Support Facilities GmbH, CSF wurde 2010 gegründet und bietet für das Vienna Biocenter ein breites Spektrum an Möglichkeiten Technologien und Geräte für Forschungszwecke gemeinsam zu benutzen.
Wie kam es zu dessen Entstehung?

In der Physik und den Naturwissenschaften ist die gemeinsame Benutzung von Geräten schon viel länger üblich, da Forschung z.B. bei Bedarf an großen Kernreaktoren oder Weltraumteleskopen nur möglich war, wenn man länderübergreifend zusammenarbeitete.
Im Bereich der Life-Sciences waren die meisten Instrumente klein und billig. In den letzten 2 Jahrzehnten kommen auch in diesem Bereich der Grundlagenforschung zunehmend teurere und hochleistungsfähige Technologien zum Einsatz.
Die Zielsetzung der CSF ist es, die Forscher hier am Campus möglichst effizient in ihrer Arbeit zu unterstützen. Wir stellen Technologien und Spezialisten zur Verfügung. Im Normalfall kaufen wir Großgeräte, die so teuer und leistungsfähig sind, dass sie für ein einzelnes Institut nicht leistbar sind. Zusätzlich stellen wir die entsprechenden Spezialisten ein, die diese Geräte optimal bedienen  können. Die Forscher bringen die Proben zur Analyse zu uns oder arbeiten mit uns gemeinsam an den Großgeräten.
In speziellen Fällen bauen wir aber auch selbst Systeme, die kommerziell noch nicht verfügbar sind, weil die Technologie zu neu ist. Derzeit arbeiten wir z.B. an zwei fortgeschrittenen Lichtmikroskopen.

TF: Welche Kosten entstehen durch den Ankauf oder die Erstellung eines derartigen Systems?

Die Geräte, die wir in der Forschung einsetzen, kosten meist zwischen € 400.000 und € 600.000, unser teuerstes Gerät hat einen Wert von 3 Millionen. Für den Bau unserer eigenen Geräte haben wir ein Budget zwischen € 150.000 und € 200.000. Das sind allerdings keine Vollkosten, sondern die Kosten, die wir abseits der Förderung, die wir für unsere Arbeit bekommen, in die Projekte hineinrechnen.

TF: Die eigene Erstellung ist eine erhebliche Kostenersparnis, gehen diese Geräte dann auch in Produktion?

Wenn wir solche Systeme herstellen würden um sie zu verkaufen, kämen wir auch auf einen Preis den Unternehmen verlangen. Wir bauen Prototypen für ganz spezielle Anwendungen, es wird keine Entwicklung zu einem marktfähigen Produkt gemacht.

In der Grundlagenforschung im Life-Science Bereich geht es primär um die Erkenntnis wie lebende Organismen funktionieren und nur sekundär um die mögliche Anwendung der Forschungsergebnisse.
Dadurch ergeben sich mehrere Herausforderungen:
Erstens:
Grundlagenforschung ist prinzipiell immer High Risk. Denn wenn man das Ergebnis eines Experiments schon im Vorhinein kennt, ist es keine grundlegende Forschung mehr.
Zweitens:
Grundlagenforschung erfordert immer, dass man technologisch an die Grenze des Machbaren geht. Denn nur so kann man entdecken, was bis jetzt noch nicht entdeckt wurde.
D.h. die Anforderung an uns ist nicht, z.B. ein Massenspektrometer zur Verfügung zu stellen, das stabil läuft und dessen Bedienung seit Jahren erprobt und optimiert ist.
Wir brauchen meist das neueste Gerät, bei dem man zwangsläufig auch ein hohes Risiko trägt, dass dieses Gerät Kinderkrankheiten hat. Wir investieren viel Zeit um die Anwendungen überhaupt erst zu entwickeln und das System in diesem Grenzbereich zum Laufen zu bringen. Deshalb sind die Kosten von der Anschaffung und vom Betrieb der Geräte sehr hoch.

TF: Wie wurde die Finanzierung des CSF ermöglicht?

Die Finanzierung der CSF ist eine Sonderförderung von bm.wf und Stadt Wien aufgrund der Initiative von einflussreichen und weitsichtigen Persönlichkeiten. In anderen Ländern, wie in Holland, Deutschland oder der Schweiz, hat man die Wichtigkeit des Infrastrukturaufbaus schon früher erkannt. Es gibt daher von Seiten der Ministerien entsprechende Programme. In Österreich gibt es leider bisher keine systematischen Infrastrukturförderprogramme außerhalb der Hochschulfinanzierung.

TF: Welche Veränderungen in der Arbeitsweise sehen Sie im Bereich der Grundlagenforschung?

Computer und Internet haben den Zeitaufwand für Informationsaustausch und Literatursuche extrem verkürzt. Die Auswertung der Daten von Experimenten erfolgt mit immer leistungsfähigeren Softwareprogrammen. Die Datenmenge hat sich vergrößert, z.B. generiert ein Sequenzierexperiment oft schon zwischen 500 GB und 1 Terabyte an Daten. Viele Forscher verbringen heutzutage mehr als die Hälfte der Arbeitszeit am Computer und viel weniger Zeit im Labor.
Mehr als je zuvor ist Forschung heutzutage von zunehmender Spezialisierung einerseits und der Erfordernis der interdisziplinären Kooperation andererseits geprägt. Die Beantwortung komplexer Fragestellungen erfordert mehrere Forscher, die für einen kleinen Teilbereich Spezialist sind und sich mit anderen kurz schließen. Um eine Fragestellung gut untermauert publizieren zu können, sind eine Vielzahl von Technologien notwendig, von molekularbiologischen Labormethoden zu Hochdurchsatz-„omics“-Technologien bis hin zu funktionellen Nachweisen in Modellsystemen. Für eine einzige Forschungsgruppe ist es unmöglich, alle diese Technologien auf dem Laufenden zu halten. Daher gibt es den weltweiten Trend Core-Facilities zu entwickeln um die notwendige Infrastruktur zu schaffen und die Verfahren kurzfristig und in hoher Qualität zur Verfügung zu stellen.

TF: Welche Herausforderungen sehen Sie in den nächsten Jahren?

Wir arbeiten daran, die Core-Facilities im europäischen Bereich untereinander zu vernetzen und zur Abstimmung zu bringen. Das geschieht auf technologischem Gebiet, in der Anschaffung und Abstimmung zur Nutzung von Großgeräten. Wir stimmen uns aber auch in der Mitarbeiterausbildung ab und senden Mitarbeiter zum Training in andere Zentren, z.B. nach Zürich oder Heidelberg.

Das Aufgabengebiet der Core Facilities für die Grundlagenforschung liegt immer im Grenzbereich der technologischen Machbarkeit. Sobald es auf dem Markt ein Service gibt, das mit gleicher Qualität den Bedarf abdeckt, wenden wir uns von einer Technologie ab und entwickeln etwas Neues, das unseren Kunden einen Forschungsvorteil bringt, weil es eben noch nicht anders verfügbar ist. Das heißt, das Konzept der Core Facilities wird sich nicht ändern, sehr wohl aber die Inhalte.

TF: Welche Trends sehen Sie im Bereich der Life Sciences?

Es gibt viele neue und spannende Entwicklungen. Ich möchte zwei herausgreifen, die in meinem Arbeitsbereich relevant sind: Im Bereich mikroskopisches Imagings gibt es in den letzten Jahren eine Unzahl von neuen Entwicklungen. Zum einen durch die Möglichkeit mechanische Bauteile in größerer Präzision herzustellen, zum anderen haben sich die Linsensysteme verbessert, aber der Haupttreiber der Entwicklung ist die Möglichkeit der Computersteuerung und Computerauswertung. Diese neuen Imaging-Methoden liefern Ergebnisse von denen wir vor 5 Jahren noch gesagt hätten, dass das Science Fiction ist. Man kann mittlerweile die Auflösung der Lichtmikroskopie über Grenzen hinaustreiben, die bisher als unüberwindbar gegolten haben. Es ist möglich innerhalb der kleinsten Strukturen noch z.B. mechanischen Stress oder Elementzusammensetzungen zu messen. Hier wird es in den nächsten 5 bis 10 Jahren viele neue Entwicklungen geben, die wirklich bahnbrechende Erkenntnisse liefern könnten.
Die zweite Entwicklung, von der ich denke, dass es einen Durchbruch geben könnte, ist die Systembiologie im Sinne der zusammenfassenden Analyse der Ergebnisse einzelner Technologien, wie zum Beispiel: Proteomik, Genomik, Metabolomik, etc. in einem ganzheitlichen System.
Derzeit ist es sehr schwierig die Daten, die hier generiert werden, zusammenzufassen und gemeinsam auszuwerten. Ich glaube aber, dass es in diesem Bereich in den nächsten Jahren Ansätze geben wird, um die vielen Daten zu vernetzen und in Richtung einer echten Systembiologie aufzusetzen. Man kann dann nicht nur ein einzelnes Detail anschauen, sondern versteht was dieses Detail im Netzwerk macht. Wenn man einen Faktor verändert, ist es möglich zu erklären, an wie vielen anderen Stellen man Veränderungen oder Kompensationsmechanismen auslöst. Die Zelle ist so komplex, dass es nicht mehr möglich ist, die Information auf dem Papier oder mit dem menschlichen Gehirn zu bewältigen, daher sind für diese Auswertung komplexe Rechenmodelle notwendig.

TF: Gibt es in der Grundlagenforschung neue Berufe, die durch diese Entwicklungen benötigt werden?

Durch die Auswertungsanforderungen haben wir einen großen Bedarf an Bioinformatikern, ein Berufsbild, das in dieser Form erst seit einigen Jahren wahrgenommen wird. Die Bioinformatik hat eine Komplexität und eine Dimension erreicht, die profundes Programmierwissen gepaart mit biologischem Verständnis erfordert und ganz spezielle Ausbildung erfordert. Der Bedarf an solchen Fachkräften ist enorm. Mittlerweile sind in 6 bis 8 köpfigen Forschungsgruppen oft 2 bis 4 der Mitglieder Bioinformatiker.

TF: Haben Sie eine persönliche Vision oder eine bestimmte Vorstellung für Ihren persönlichen Arbeitsbereich?

Seit vielen Jahren arbeite ich am Aufbau von Forschungsinfrastruktur in Form von Core Facilities. Ich habe immer um Verständnis und Weitsicht gekämpft, die so ein Konzept erfordert. Mit der Gründung der CSF hat sich meine Vision zu mindestens teilerfüllt. Das Umfeld hier am Vienna Biocenter ist extrem sach- und outcome-orientiert und international. Als Geschäftsführer der CSF habe ich die Möglichkeiten relativ frei zu gestalten und das Konzept weiterzuentwickeln. Ich hoffe, dass es möglich sein wird, das Konzept der CSF langfristig weiterzuführen und auch an anderen Standorten zu etablieren.

Die derzeit bestehende wirkliche Bedrohung ist finanzieller Natur. Durch die Wirtschaftskrise und das geringe Verständnis für die Bedeutung der Grundlagenforschung habe ich wirklich die Befürchtung, dass es langfristig zu einer nachhaltigen Schädigung der Forschungslandschaft in Österreich kommen könnte.
Es gibt genügend Studien, die zeigen, dass Gelder, die in die Grundlagenforschung investiert werden, sich mit einem Vielfachen rentiert machen. Eine starke Grundlagenforschung generiert Innovation, deren Anwendung über Bildung von Spin-Offs und Absiedlungen von Großkonzernen direkt in die Schaffung von Arbeitsplätzen münden.
Ich verstehe hier die österreichische Politik nicht. Was am Vienna Biocenter und in Wien in den letzten 20 Jahren aufgebaut wurde, ist absolut Weltspitze. Wenn man diese Errungenschaften aus kurzfristigen politischen Überlegungen aufs Spiel setzt, dann wäre das ein Schaden, der sich über viele Jahre für ganz Österreich negativ auswirken würde.

www.csf.ac.at