DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha,
Managing Director Austrian Standards

Standardisierung neu gedacht. Die Entwicklung von Standards dient der Wirtschaftsförderung. Austrian Standards ist keine staatliche Stelle, sondern versteht sich als Dienstleister und Partner. Nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für Forschung oder den öffentlichen Bereich.
Die Entwicklung von Standards erfolgt in einem Co-Creation-Prozess. Tatsächlich kann jeder die Entwicklung oder Überarbeitung eines Standards vorschlagen. Die nationale und internationale Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Standards ist ein freiwilliger Prozess, bei dem es gewisse Grundprinzipien gibt. Nur bei breiter Einigkeit wird ein Standard veröffentlicht.
DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha, Managing Director, Austrian Standards im Interview.

Interview von Julia Weinzettl

DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha spricht am 11.Okt. 2018 am Austrian Innovation Forum in Wien.

Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha von Helmut Blocher auf das Interview eingeladen.

Wie werden Standards oder Normen entwickelt?

DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha: Die Entwicklung von Standards ist wie eine Co-Creation. Egal aus welcher Branche – jeder kann die Entwicklung oder Überarbeitung eines Standards vorschlagen. Und jeder kann Projekt-Vorschläge und Entwürfe von Standards kommentieren oder persönlich an der Entwicklung teilnehmen. In einem weltweiten Netzwerk können alle Interessierten und Beteiligten in einen direkten Dialog treten. Die Erstellung eines Standards ist freiwillig und bedarf eines Konsens. Insgesamt gibt es neun Möglichkeiten, sich einzubringen. Das Angebot reicht von der Einreichung einer Idee oder eines Projektantrags über die Abgabe von Kommentaren zu Anträgen, der Erarbeitung von Entwürfen sowie die Finalisierung dieser. Schon bei der Produktentwicklung an Standards zu denken, stärkt Innovationen und hilft ‘Stranded Investments’ zu vermeiden. Unternehmen können durch ihre Mitwirkung die eigenen Rahmenbedingungen am Markt mitgestalten – nicht nur in Österreich, sondern weltweit.

 

Die Entwicklung von Standards ist ähnlich einer Co-Creation – www.austrian-standards.at/mitgestalten

Wie ist diese Co-Creation organisiert?

DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha: Wenn ein Unternehmen oder eine Einzelperson ein Problem definiert, für das mittels eines Standards eine Lösung gefunden werden könnte, wird dieser Gedanke aufgenommen und ein Business Case erstellt. Es wird vorab geklärt, was zur Erstellung des Standards benötigt wird, ob der Sachverhalt tatsächlich durch einen Standard verbessert wird und ob es dazu schon etwas gibt. Ein Komitee erarbeitet dann einen Entwurf, dieser kann von Expertinnen und Experten kommentiert werden. Der Standard wird, sobald er fertig ist – es also keine Widersprüche gibt – publiziert und kann angewendet werden. Bestehende Standards können auf diese Art ebenfalls verbessert oder angepasst bzw. modernisiert werden. Auch ein kleines Land wie Österreich kann einen Beitrag zur Marktsituation leisten und Einfluss auf die Entwicklung internationaler Standards nehmen. Austrian Standards ist Mitglied des Europäischen Komitees für Normung (CEN) sowie der Internationalen Organisation für Normung (ISO). Weitere Netzwerkpartner sind die einzelnen nationalen Normungsorganisationen und Regelsetzer im In- und Ausland. Dazu zählen ebenso staatliche Stellen, Interessensvertretungen, NGOs sowie EU-Stellen oder Einrichtungen der Vereinten Nationen.

Welche Herausforderungen meistern Sie aufgrund der digitalen Transformation?

DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha: Wir beschäftigen uns u. a. mit der Frage, welche Alternativen man denken kann oder auch muss, da es jetzt durch Digitalisierung noch ungleich mehr Möglichkeiten gibt, Standards zu entwickeln.
Das bestehende System, in dem wir Partner sind, hat noch stark die Kultur des persönlichen Meetings. Durch die oft halbjährige Meetingfrequenz im internationalen Bereich ergeben sich da und dort lange Entwicklungs- und Abstimmungszeiträume. Das ist nicht mehr zukunftsfähig. Standards müssen viel schneller entstehen, und Standards müssen bei Bedarf schneller aktualisiert werden. Es gibt auch hier die Möglichkeit, virtuell zu arbeiten.
Nur in elektronischer Kollaboration zu agieren, wenn sich die Beteiligten gar nicht kennen, ist allerdings komplex. Oft ist die soziale Interaktion in Form des ‘Biers am Abend’ bzw. des ‘Glas Weins’ oder des ‘Tees’ – je nachdem in welchem Land man sich befindet – der Schlüssel zum Verständnis für einander und legt manchmal auch den Grundstein für den Willen, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.
Denn bei der Festlegung von Standards will und kann auch niemand dem anderen etwas aufzwingen. Zu einer zufriedenstellenden Einigung für alle zu kommen, ist ein sozialer Prozess, der auch eines starken Commitments bedarf.
Wie viel davon digitalisiert werden kann? Da sind wir dabei zu experimentieren.

Welche Jobs wird es in Zukunft geben, die heute noch keinen Namen haben?

DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha: Ich glaube, man wird keine speziellen Jobs suchen, sondern Skills. Es sind Erfahrungen und Profile, die benötigt werden. Soziale Fähigkeiten und Generalisten werden immer mehr gefragt. Wir rücken auf der Welt zusammen und sind von der Komplexität zunehmend gefordert, teilweise auch überfordert. Ich denke, dieser Druck, den wir erleben, verlangt immer mehr nach Social Skills, nach Resilienz, damit umzugehen aber auch nach Verständnis für unterschiedliche Kulturen und Zugänge. Es braucht auch ein starkes Selbstmanagement sowie das Vermögen, den ständigen Wandel zu managen. Ich glaube, wer keine Freude daran hat, jeden Tag etwas Neues zu lernen, der hat keine Zukunft..

 

 

www.austrianstandards.at

About:

DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha ist Direktorin von Austrian Standards (seit 2013), war zuvor Vizedirektorin (ab 1998) und verantwortlich für Internationale Beziehungen, Recht und Organisation sowie Human Resources. 2012 bis 2016 war Stampfl-Blaha Vizepräsidentin (Vice President Technical Management) der International Organization for Standardization ISO, wo sie bereits von 2004 bis 2006 als Mitglied des Verwaltungsrats (Council) tätig war. Die Juristin und Wirtschaftswissenschafterin (Studien in Wien und Lausanne) war zudem Mitglied des Verwaltungsrats (von 1990 bis 2013) und des Technischen Büros (1990 bis 1999) des European Committee for Standardization CEN. Austrian Standards soll in Zukunft nach den Vorstellungen von Stampfl-Blaha noch offener für neue innovative Ansätze der Standards-Entwicklung – Stichwort: Co-Creation bzw. Open Innovation – sein ebenso für neue Themen und Anforderungen und neue Kooperationen und Partnerschaften, die weit über das bewährte System von ISO und CEN hinausgehen können.