Mag. Sabine Zinke, Senior Consultant M.O.O.CON® GmbH

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Nichts ist so physisch und angreifbar, wie die Umgebung in der man arbeitet. Die örtliche Veränderung eines Unternehmens, sowohl Umbau als auch Standortverlegung, bedeuten in erster Linie Überlegungen zur Firmenkultur, Erhebung des Ist- Status sowie der Blick in die Zukunft und Entwicklung einer Strategie für Veränderungen der Arbeitsweise. Zur Vermeidung von ‘culture eats strategy’ ist es wichtig, diesen Prozess partizipativ zu gestalten und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzubinden, sagt Mag. Sabine Zinke, Senior Consultant M.O.O.CON® GmbH.

Sabine Zinke spricht am www.corporate-culture-jam.at am 21./22. Mai in der Ankerbrot Fabrik in Wien.
Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde sie von Helmut Blocher, Geschäftsführer Succus Gmbh, auf das Interview eingeladen.

Sie planen Gebäude und Arbeitswelten – was ist der erste Schritt?

Sabine Zinke: Wenn wir für unsere Kunden zum Thema haben, ein Gebäude zu bauen oder eine neue Arbeitswelt zu entwerfen, fragen wir nach, wohin sich das Unternehmen entwickeln will – denn ein Gebäude baut man ja für die nächsten zwanzig oder dreissig Jahre und nicht für die vergangenen zehn Jahre. Hier sehen wir oft, dass es Unternehmen gibt, die das nicht wissen. Sie können nicht sagen, wie sich ihre Arbeitsweise verändern wird, oder haben sich darüber noch keine Gedanken gemacht.

Natürlich kann man die Zukunft nicht genau vorhersagen. Die Frage, wo wir eigentlich hin wollen und was das Zukunftsbild der unternehmenseigenen Firmenkultur ist, ist ein Prozess. Diesen Kulturwandel ein Stück mitzubegleiten ist unsere Schnittstelle. Die Entwicklung eines Gebäudes, oder auch die Entwicklung einer Arbeitswelt ist ein Prozess, der ganz stark kulturbildend ist, und ein guter Träger für einen Kulturentwicklungsprozess. Nichts ist so physisch und so angreifbar, wie die Umgebung in der man arbeitet. Sei das ein Gebäude oder eine Bürowelt im kleinen Ausmaß. Über diese physische Manifestation von Kultur kann man sehr viel transportieren.

Wichtig ist, dass man diesen Prozess partizipativ gestaltet und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch in den Prozess mitnimmt.

Denn sonst geschieht ‘culture eats strategy’ und ‘culture eats auch Raum’. Wenn die Mitarbeiter nicht im Boot sind, hat man zwar eine schöne neue Arbeitswelt, aber wenn man die alte Kultur belässt, dann killt das die neue Arbeitswelt. Sie wird dann nicht so genutzt wie es gedacht ist, sondern anders. Und es wird sich auch noch beschwert, weil es nicht funktioniert. Dieser Einbindungsprozess ist ein wichtiges Element und daher auch bei uns eine große Schnittstelle.

Können Sie dazu ein Beispiel nennen?

Sabine Zinke: Vor kurzem haben wir die Caritas Österreich begleitet. Dort hatte man das Problem, dass aufgrund einer durchgehenden Dachschräge auf beiden Seiten des Büros sehr viel Fläche nicht genutzt werden kann. Das Verhältnis der zur Verfügung stehenden Fläche zur Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat nicht gepasst. Es wäre eine Möglichkeit gewesen, das Team auf zwei Standorte aufzuteilen, das wollte man eigentlich nicht. Die zweite Option war eine Umgestaltung der Räume einhergehend mit der Umstellung von fixen Schreibtischplätzen auf Desksharing. Für eine NGO wie die Caritas ist das Budget für Infrastruktur natürlich begrenzt. Es wurde zum größten Teil – auch aus Nachhaltigkeitsgründen – mit bestehenden Möbeln gearbeitet, teilweise wurden von CARLA, einem Projekt für langzeitarbeitslose Menschen der Caritas Wien, alte Möbel renoviert und aufgepeppt. Es sollte mit begrenzten Mitteln eine schöne Atmosphäre geschaffen werden, ohne zu „fancy“ oder gar protzig zu werden. Das war eine Herausforderung. Der Claim der Caritas ist wir>ich – die Gemeinschaft vor der und dem Einzelnen. Genau das setzten wir in der Arbeitswelt um. In einem sehr basisdemokratischen Prozess, der mitunter auch anstrengend war, aber wir wollten, bevor wir starten auch den letzten Zweifler, die letzte Zweiflerin überzeugen.

Caritas Österreich Zentrale/(c) M.O.O.CON GmbH, Fotograf Walter Oberbramberger

Wie lange dauerte die Entwicklungsphase, bevor Sie ans Werk gingen?

Sabine Zinke: Die Gesamtprojektdauer betrug ca. acht Monate, davon entwickelten wir ungefähr vier Monate. Die Umsetzung war in diesem Fall relativ flott, da es sich allein um die Änderung der Möblierung handelte. Es wurde auch nicht umgebaut sondern die Flächen anderes genutzt. Da ist eine schöne Welt entstanden. Die Mitarbeiter arbeiteten selber mit, sie klaubten sich aus dem eigenen Fundus Möbelstücke zusammen. Sie verwendeten alte, also bestehende Möbel, ordneten diese sowie die Räumlichkeiten neu an. Jetzt haben sie eine wirklich gemütliche neue Arbeitswelt mit wenig Mitteln, die sie selbst erarbeitet haben und bewegen sich in der neuen Kultur. Es war für die Mitarbeiter ein ziemlich großer Schritt aus einer Zimmer orientierten Arbeitswelt in eine offenere Welt und auch in ein Sharing zu gehen, denn sie teilen sich ihre Arbeitsplätze.

Das heißt Sie haben auch Wände abgerissen?

Sabine Zinke: Ein paar Wände wurden weggenommen, aber das Wesentliche war, dass sie keine persönlich zugeordneten Tische mehr haben, sondern eine Arbeitswelt, die sie sich teilen. Sie leben dieses ‘wir > ich’ Prinzip, sie teilen die Ressourcen, die sie haben. Beim ersten Review fand man heraus, dass ein paar Mitarbeiter sehr gut damit zurecht kommen, ein paar noch nicht. Da ist noch Kulturarbeit zu machen. Nur weil der Umzug oder die Änderung vollzogen ist, ist der Kulturwandel aber noch nicht integriert. Da wird weiter daran gearbeitet. Das ist ein Beispiel, aber wir arbeiten in verschiedenen Größenordnungen. Das war jetzt Arbeitswelt klein, das sind bis ca. 80 Mitarbeiter.

Haben Sie Beispiele für Gebäudeentwicklung?

(c) OEAMTC Zentrale, Fotograf Toni Rappersberger

Sabine Zinke: Wir entwickelten beispielsweise mit dem ÖAMTC ein Gebäude und verlegten alle Standorte an einen Ort.
Wir begleiten auch mehrere große Projekte bei Daimler. Projekte dieser Größe dauern mehrere Jahre. Wir erarbeiten partizipativ Arbeitswelt mit 70 bis 80 Mitarbeitervertretern. So können wir Gebäude mit einer Identität entwickeln, die auch einen bestimmten Zweck erfüllt.
In der Gestaltung unserer dritten Ebene geht es über ein einzelnes Unternehmen hinaus. Wir entwickeln die Gestaltung von Hubs, Clustern, von Zentren, wo Unternehmen und die Öffentlichkeit in einem Verbund zusammen arbeiten.
Ein Beispiel: Wir arbeiten mit der ÖBB, die an verschiedenen Orten Hubs entwickelt. Hier lässt sich ein Trend erkennen, Unternehmensgrenzen öffnen sich, werden vernetzter, offener und durchlässiger. Gerade in der Hub-Ebene.

Wenn man diese örtliche Verschränkung auf die Arbeitswelt überträgt, dann kommt mit dieser Öffnung auch eine Änderung des Mind-set.

Die Kultur verändert sich in Richtung einer gemeinschaftlichen Arbeitsumgebung, die wir gemeinsam nutzen bis hin zu einem ganzen Gebäude, oder darüber hinaus.

www.moo-con.com

About:
Mag. Sabine Zinke arbeitet seit 01. Mai 2015 bei M.O.O.CON GmbH. Sie ist studierte Psychologin und verfügt über eine Coachingausbildung sowie eine Systemische Beraterausbildung. Bei M.O.O.CON GmbH betreute sie unter anderen folgende Projekte: Daimler AG | Sindelfingen, Deutschland, DOKA Österreich GmbH | Amstetten, EVN AG | Maria Enzersdorf, Montafon Silvretta Bergbahnen AG | Schruns, ORF | Wien, Stadt Wien (Magistratsdirektion) | Wien, Swarovski KG | Wattens