Markus Stelzmann, Regisseur bei TELE Steuerungssysteme

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2013 entwickelten Christoph Haase und Markus Stelzmann, Geschäftsführer des Technologieunternehmens TELE Haase, eine neue Organisationsform in Anlehnung an Ideen von Riccardo Semmler und dem holokratischen Ansatz. Traditionelles top-down Management wurde zu einem eigenverwalteten System, das von einem Team aus 20 Mitarbeitern miterdacht wurde. Es entstand eine demokratische Organisation, die sich aus Kreisen und Gremien zusammensetzt, die Verantwortlichkeiten ergeben sich aus dieser Konstellation. Die Mitarbeiter bestimmen ihr Gehalt selbst, die Lohnstruktur ist transparent. Durch die Veränderung des Mindsets gab es auch personelle Veränderungen, nicht alle Mitarbeiter wollten neue Arbeitsweisen.
Geblieben ist ein starkes Team, das neue Personen mit Gestaltungswillen anzog.
Grundlegende innere Veränderungen änderten auch das Unternehmensbild nach außen, bald wurde TELE ein Vorzeigeunternehmen, dessen Ansätze von anderen Unternehmen mit großem Interesse aufgenommen wurde.
Die agile Organisation hat darauf mehrfach reagiert. Man schuf Factory Hub, Zusammenarbeit und gemeinsames Office mit Startups und seit neuestem auch den Organisation Playground, eine Anlaufstelle für Unternehmen um Neues auszuprobieren und der großen Nachfrage nach der Umsetzung dieser Ideen Raum zu geben.

Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde Markus Stelzmann von Sandra Stromberger, Initiatorin von Industry meets Makers, auf das Interview eingeladen.

Seit sechs Jahren arbeitet TELE selbstverwaltet. Was hat sich in dieser Zeit getan?

Markus Stelzmann: Agile Organisation bedeutet, dass wir einen intelligenten Organismus leben. In den letzten fünf Jahren adaptierten wir circa dreimal gemeinsam mit den Mitarbeitern unsere Organisationsform. Früher bedeutete Unternehmenserfolg den erfolgreichen Launch und Vertrieb von neuen Produkten, aber so funktioniert die Welt in der Zukunft nicht mehr. Wenn ich von der Transformation unserer Organisation erzähle, klingt es sehr positiv, aber intern bedeutet es auch viel Verunsicherung und Orientierungsbedarf. Wir merkten beispielsweise, dass wir als Organisation wieder jemanden, der im Kerngeschäft die Funktion einen Lotsen übernimmt, brauchen – den haben wir mit Marcus Ramsauer auch gefunden.
Wir öffneten mit dem Factory-Hub die Unternehmensgrenzen noch weiter um Raum für Innovation und Co- creation zu schaffen.

Im Factory Hub sind Startups eingeladen bei euch zu arbeiten.

Markus Stelzmann: Ja, wir haben mittlerweile zehn Startups, mit denen wir zusammenleben, die wir weitgehend in Ruhe lassen und schauen, was sich daraus ergibt. Unsere einzige Vorgabe ist, dass sie im Electronicsbereich verankert sein müssen, denn da gibt es die meisten Möglichkeiten zusammenzuarbeiten. Wir haben die Produktion, das genießen die Start-Ups natürlich. Wir können bei der Entwicklung unterstützen, wir haben ein großes Labor, dort können wir Strahlung messen und in der Fertigung Prototypen bauen. Wir sind auf dem Weg uns von einem klassischen Unternehmen, das Überwachungsrelais fertigt, zu einem offenen Unternehmen mit vielen Facetten und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zu entwickeln.

Die agile Organisationsentwicklung schlug in der Unternehmenslandschaft große Wellen, auch die Außenwahrnehmung von TELE veränderte sich dadurch stark.

Markus Stelzmann: Das stimmt. Wir hatten breiten Zuspruch und plötzlich ständig Unternehmen, die uns besuchen und von unseren Erfahrungen lernen wollten. Es kam die Helvetica, die katholische Kirche, die Caritas, Volkswagen und viele mehr. Dann fing es an, dass große Unternehmen mehrfach kamen, zuerst die Führungskräfte, die dann in der nächsten Runde auch ihre Mitarbeiter zu uns schickten.

So begannen wir die Anfragen zu koordinieren und erdachten die TELE-Tea-Time. Das Format findet viermal im Jahr statt, ist for free und man kann sich über die Website anmelden. Dort erzählen Mitarbeiter in ca. 2 Stunden, wie unsere Organisation funktioniert.

Dazu kamen Kooperations- und Beratungsanfragen.

Markus Stelzmann: Genau. Dieses Feedback zeigte, welchen Wissensdurst es bei vielen Unternehmen gibt, da durch die Digitalisierung oft noch eine Adaption der Organisation verlangt wird. Wir begannen zwei Tagesworkshops und Learning Journeys zu veranstalten. Zusätzlich wurde auch ich ein bisschen zu einer Marke und oft eingeladen auf Veranstaltungen zu sprechen. Letztendlich entwickelte sich ganz beiläufig aus unserer eigenen Unternehmensgeschichte unser neuestes Baby: Organisation Playground , mit dem wir am 8.5.2019 starten. Eine Anlaufstelle für Unternehmen, die mit dem Veränderungsgedanken spielen. Sie können an Showcases aber auch durch tatsächliches selbst Ausprobieren, herausfinden, was für das eigene Unternehmen passen könnte.

Es haben sich für TELE  komplett neue Geschäftsfelder erschlossen.

Markus Stelzmann: Wir leben ja nach der Formel: es muss innovativ sein, es muss nachhaltig sein und dann wird es profitabel. Ich kann nicht definitiv sagen, was TELE in fünf Jahren ist. Ein Grundanspruch dieses Unternehmens ist, sich permanent zu verändern, also auf das Umfeld reagieren zu können. Der Anspruch ist einfach in fünf oder zehn Jahren noch dazu sein.

Es geht mir darum, dieses Unternehmen zukunftsfähig zu gestalten, Dinge so zu implementieren, dass sie in der Zukunft bestehen können.

Wie werden Unternehmen in zehn Jahren aussehen?

Markus Stelzmann: Ich glaube, dass sich Unternehmen fragen müssen, ‘Ist meine Organisationsform noch im Hier und Jetzt oder der Zukunft angemessen?’. Wie viele 100 Jahre alte Unternehmen gibt es noch? In der Zukunft ist die Unternehmenslebensdauer nur noch durchschnittlich 12 Jahre. Startups haben eine noch kürzere Lebensdauer – sie werden verkauft. Nachhaltige, langfristige Geschäftsmodelle, so sehr das auch wünschenswert wäre, wird es nicht mehr geben. Unternehmen leben etwas länger als eine Dekade und dann gehen sie in etwas anderem auf.

Sogar Jeff Bezos sagt, Amazon wird es wahrscheinlich in 15 Jahren nicht mehr geben. Die  klassische Reaktion ist: schrecklich – tausende Mitarbeiter auf der Straße. Aber nein, digitale Geschäftsmodelle gehen in etwas anderem auf.

Alles fliesst.

Markus Stelzmann: Das ist es. Agieren auf gesättigten Märkten bedeutet, wenn wir wachsen, nehmen wir automatisch jemandem etwas weg. Und der wird sich überlegen, wie er das vermeiden und wie er uns das wieder abnehmen kann. Was bringt Effizienz dann?

Es geht nicht um Geld sondern darum: Was ist zukunftsfähig?

Eine der parallelen Fragen, die wir immer stellen: Können wir die zukünftige Welt immer in Effizienz oder in Geld bewerten?

tele-online.com
factoryhub.at
Organisation Playground

About:
Markus Stelzmann ist Regisseur bei TELE – Blitzdenker, Plaudertasche, Umsetzer.

1965 geboren in Karlsruhe. Ausgebildeter Werkzeugmacher mit Lehramtsstudienweihen und Unternehmensgründer der ersten Stunde als Organisations-Entwickler und Weblösungsarchitekt. Angekommen in der Industrie als Montage- und Fertigungsplaner und SAP-Koordinatior der Festo Didactic GmbH. Chef der Materialwirtschaft bei Beck IPC. Kauf des Unternehmens und Entwicklung der Geschäftsfelder Regenerative Energien und E-Mobilität.
2011 von Deutschland nach Wien importiert als Consultant für Change Management bei TELE Haase Steuergeräte. Seit 2013 operativer Regisseur bei TELE und federführender Co-Gestalter bei der Entwicklung des „Unternehmens der Zukunft“ und des Simply Open Konzepts.