Prof. Dr. Jürgen Vormann/
Leiter Institut für Prävention und Ernährung, Ismaning

 

Welche neuen Erkenntnisse gibt es im Alzheimer-Bereich?

Prof. Dr. Jürgen Vormann: Bis vor einiger Zeit war die Idee weit verbreitet, dass Alzheimer durch Ablagerungen/Plagues im Gehirn verursacht wird. Man hat sich viele Jahre damit beschäftigt, Medikamente zu finden, die diese Ablagerung verhindern bzw. wieder auflösen. Leider hat sich herausgestellt, dass das nicht besonders effektiv ist. Zusätzlich hat man festgestellt, dass das Gehirn von Alzheimer-Patienten offensichtlich nicht gut mit Nährstoffen/Energie versorgt ist. Ihnen stehen rund ¼ weniger Energie zur Verfügung als gesunden Menschen, weil die Aufnahme von Glukose im Gehirn bei Alzheimer-Patienten beeinträchtigt ist. Alles was mit Glukose zu tun hat, braucht im Körper auch Insulin. Insulin wird normalerweise in der Bauchspeicheldrüse hergestellt, aber zum Teil auch im Gehirn selbst. Zusätzlich weiss man seit Jahren, dass der Anteil an Diabetikern bei Alzheimerkranken doppelt so hoch ist.

Das Zusammenführen dieser kleinen Puzzlesteine hat dazu geführt nachzuweisen, dass im Gehirn von Alzheimer- Patienten weniger Insulin verfügbar ist, weniger Insulin hergestellt wird und es nicht adäquat wirkt.Das führt dazu, dass die Zelle ein Energiedefizit bekommt.
Das ist durchaus eine neue Erkenntnis.
Um dieses Defizit auszugleichen, hat man überlegt, wie man dem Gehirn einen alternativen Brennstoff zur Verfügung stellen kann. Es gibt eine physiologische Situation bei der das funktioniert: wenn wir fasten.
Wenn wir nichts essen, braucht unser Gehirn natürlich weiterhin Energie, unser Gehirn verwendet auch Glukose, aber es wird natürlich auch Fett abgebaut. Aus den Fettsäuren, die entstehen, werden in der Leber sogenannte Ketonkörper festgestellt, die rund 50% des Energiebedarfes des Gehirnes abdecken.

Die Erkenntnis, dass es bei fastenden Alzheimer-Patienten zu einer Verbesserung der geistigen Fähigkeiten führt, hatte man schon länger, nur kann man Leute nicht permanent fasten lassen.
Daher hat man auf ketogene Diäten zurückgegriffen. Bestimmte Formen von Ernährung, die sehr, sehr fettreich sind und auch schon seit längerem in der Neurologie verwendet werden. Bei Epilepsie ist das zum Beispiel inzwischen eine Standardmethode, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.
Das Problem bei diesen Diäten ist: Man muss 70 bis 80% der Kalorien in Form von Fett zu sich nehmen. Das ist eine Diät, die man nicht mag. Es ist nicht wirklich angenehm, sich auf Dauer so zu ernähren. Aber man hat erforscht, dass mittelkettige Fettsäuren aufgrund ihrer Struktur in der Leber schnell in diese Ketonkörper umgewandelt werden und dann von den Nervenzellen verwendet werden können.
Hier bietet sich Kokosfett an, da es rund 50% des Fettes in Form mittelkettiger Fettsäuren enthält.
Auf diese Art können wir dem Gehirn einen alternativen Brennstoff zur Verfügung stellen. Die Verbessung von Alzheimer wurde auch in Studien festgestellt.

Aber um genügend Ketone ins Gehirn zu bekommen, muss man eine bestimmte Konzentration im Blut erreichen. D.h. man braucht ca. zwischen 40 und 80g an Kokosfett um eine Blutkonzentration zu erreichen, die so hoch ist, dass tatsächlich Ketone auch ins Gehirn gelangen.
Allerdings kommt es beim Verzehr von Kokosfett zu einer enormen Säurebelastung, die auf das Gehirn und insbesondere auch auf die Knochen negative Auswirkungen hat. Diese Säurelast muss man reduzieren, indem man ausreichende Basen mit der Ernährung zuführt. Basische Substanzen sind im weitesten Sinn alles was Obst, Gemüse und Salat ist. Der Trick ist nun, das Kokosfett mit ausreichend Basen zu ergänzen, um damit die Säurebelastung zu neutralisieren.

Das klingt nach einem Balance-Akt?

Prof. Dr. Jürgen Vormann: Stimmt. Wir haben unabhängig von Alzheimer generell ein gewisses Säureproblem in unserer Nahrung. Aber wenn ich Kokosfett zuführe, dann verstärke ich das Problem. Daher ist die Kompensation ein ganz wichtiger Faktor. Man sollte immer diese Kombination sehen: Kokosfett + ausreichend Basen.

Damit haben wir den Nährstoff in die Nervenzellen hineingebracht. Das heißt aber noch nicht, dass die Nervenzelle mit diesem Nährstoff auch wirklich etwas anfangen kann, denn generell muss in einer Zelle, dieses Substrat, ob das jetzt Glukose/Traubenzucker oder Keton ist, umgesetzt “verstoffwechselt” werden.

Um das nun zu erreichen muss ATP, unser intrazellulärer Brennstoff, gebildet werden. Diese Substanz wird verwendet, um alles was uns am Leben erhält in den Zellen zu befeuern. Die ATP Bildung findet in den Zellen, in den Mitochondrien, statt. Das sind Zellbestandteile unserer intrazellulären Energiefabriken oder Kraftwerke. Ein wichtiger Faktor zur Richtigen Funktion der Mitochondrien ist das Koenzym Q10. Wir können Q10 selbst synthetisieren. Aber mit zunehmendem Alter lässt diese Fähigkeit nach. Nachdem Alzheimer bei älteren Menschen auftritt, ist Q10, das Hilfsmittel zur Verstoffwechslung der Ketone, oft nicht mehr oder nicht ausreichend vorhanden.
Q10 muss man supplementieren, da es keine Nahrungsmittel gibt, die Q10 in adäquater Menge enthalten.

Für bestehende Alzheimer- Patienten gibt es jetzt die Möglichkeit durch Ernährungsumstellung und Q10 Substitution das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten?

Prof. Dr. Jürgen Vormann: Ja. Bis jetzt gibt es zwar keine Möglichkeit Alzheimer wieder reversibel zu machen – leider. Es kommt aber zu einer Verbesserung, weil die Zellen, wenn sie mit neuer Energie versorgt werden, natürlich auch besser funktionieren.

Bei Alzheimer ist es üblicherweise aber schon zu so großen Schäden gekommen, dass es keine komplette Heilung mehr gibt.

Welches sind die besten Massnahmen, die man treffen kann?

Prof. Dr. Jürgen Vormann: Prävention. Prävention ist das Entscheidende. Man muss so früh wie möglich versuchen eben diese negativen Effekte, die im Gehirn auftreten, zu vermeiden. Also praktisch schon bei einer leicht beginnenden Demenz sofort etwas machen, dann kann man etwas bewirken. Es ist aber schwer diesen Punkt zu erwischen, denn die meistens Patienten gehen gar nicht zum Arzt.

Man hat immer die gängige Vorstellung: Ich bin krank und nehme eine Medizin. Aber der Ansatz soll sein: ich esse etwas anderes.
Erfolgt die Heilung durch die Verschreibung von Diäten?

Prof. Dr. Jürgen Vormann: Richtig. Diäten oder Änderungen der Ernährungsweise. Üblicherweise tritt die Veränderung allerdings langsam ein. Bei einer Erkrankung möchte man in der Regel einen schnellen Effekt. Bei akuten Erkrankungen ist die Medizin relativ weit. Nur bei chronischen Krankheiten sieht es wesentlich anders aus.
Was kann ich bei chronischen Erkrankungen, wie z.B. Diabetes wirklich machen? Irgendwann muss ich Insulin substituieren, wenn ich es nicht mehr selbst herstellen kann. Bei der Vorform von Diabetes kann ich das mit einer Diät vollständig vermeiden, aber nicht wenn die Krankheit bereits eintritt. Aber Diabetes ist nicht das einzige Problem. Es gibt viele Krankheiten, die sich durch eine vernünftige Ernährung vermeiden ließen. Prävention findet bei uns in der Medizin nur praktisch nicht statt, weil man damit kein Geld verdienen kann, daher interessiert es niemanden.

Sie haben ein Buch geschrieben: ‘Die Anti-Alzheimerformel – Essen gegen das Vergessen`, das eigentlich ein Präventionsratgeber ist.

Prof. Dr. Jürgen Vormann: Ernährung ist zum größten Teil Prävention. Wenn die Krankheit ausgebrochen ist, kann man mit Ernährung einiges bewegen, aber es ist natürlich viel schwieriger ein System, das aus dem Gleichgewicht gekommen ist, wieder zurückzubekommen, als es im Gleichgewicht zu halten. Das ist die Kunst der allgemeinen, ganzheitlichen Medizin, zu versuchen den Organismus im Gleichgewicht zu halten und Krankheiten zu vermeiden. Mit Sicherheit ist das die bessere Variante im Gesundheitssystem, als am Ende immer nur den Notfall zu behandeln.

www.oekowellness.de

www.amazon.de/Die-Anti-Alzheimer-Formel-Essen-gegen-Vergessen/dp/3833836008/ref=sr_1_4?s=books&ie=UTF8&qid=1421944823&sr=1-4