Peter Pototschnig, Geschäftsführender Partner CX-Agentur OG

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Customer Experience hat einen wichtigen Stellenwert bekommen, da man verstanden hat, dass die Befriedigung der Bedürfnisse von Menschen und die Art der Wahrnehmung der Kunden an allen Berührungspunkten mit dem Unternehmen einen oft außergewöhnlichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben kann. Kaufentscheidungen werden emotional getroffen, nicht nur das Produkt, sondern der Kontakt mit dem Unternehmen ist oft entscheidend.

Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde Peter Pototschnig von Helmut Blocher, Geschäftsführer Succus Gmbh, auf das Interview eingeladen.

Customer Experience hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und nimmt jetzt einen ganz anderen Stellenwert ein.

Peter Pototschnig: Ich denke, dass man im Marketing wieder zu den eigentlichen Wurzeln zurückkehrt und nicht einfach ein Produkt vermarktet, sondern sich fragt, was eigentlich die Bedürfnisse der Menschen sind und wie man sie erfüllen kann. Customer Experience hat hier den Erlebnis basierten Ansatz. Sehr viele Entscheidungen sind auf Emotionen aufgebaut. Die meisten Entscheidungen von Menschen sind einfach auf Emotionen aufgebaut, wie wir aus der Gehirn- und Verhaltensforschung wissen. Darauf baut man in der Customer Experience auf, sei es im Shop Design, im Online Design oder in der Produktentwicklung. Man hat erkannt, dass das Aufbauen auf emotionalen Bedürfnissen für Marken höchst erfolgreich sein kann. Ein Beispiel dafür sind die sozialen Medien, die rein auf Emotionen und auf dem Wunsch nach sozialem Dazugehören basieren.

Wo liegt eurer Hauptfokus?

Peter Pototschnig: Einerseits entwickeln wir mit unseren Kunden ganz konkret Produkte. Wir analysieren die Bedürfnisse und Emotionen ihrer Kunden, entwickeln Personas und überlegen dann mit welchen Produkten oder Prozessen wir die Befriedigung der Bedürfnisse optimal unterstützen können. Das kann offline, online oder ein Mix sein.
Wir versuchen andererseits auch unsere Kunden in ihrer Entwicklung als Unternehmen zu unterstützen. Das bedeutet, gemeinsam die Fähigkeit zu entwickeln, sich wieder klarer auf die eigenen Kunden einzustellen, sie zu verstehen, selber auf sie zuzugehen und auch, sie in die Unternehmensprozesse einzubinden. Wir helfen Unternehmen in agile Methoden einzusteigen und sich damit den eigenen Kunden zu öffnen. Damit das Unternehmen das, was wir jetzt als Berater tun, auch selber kann.

Aufgrund der Möglichkeiten der Datenauswertung und des genauen Targeting hat datenbasiertes Marketing einen Schritt nach vorne getan. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Customer Experience?

Peter Pototschnig: Das Wort Marketing, das, wie es noch im vorigen Jahrhundert aufgekommen ist, eigentlich geheißen hat: ‘finde Bedürfnisse und erfülle sie’, ist irgendwie zum Wort Werbung oder Vermarktung degradiert wurde. Es wurde von Sales und der Produktentwicklung getrennt. Ich denke, dass die Notwendigkeit der Zusammenarbeit wieder besser verstanden wird. Der rein werbliche Anteil ist in digitaler Form wahrscheinlich besser nachvollziehbar, weil es überprüfbare und belastbare Daten dazu gibt.
Aus unserer Praxis gesprochen, muss ich allerdings sagen, es gibt so viele Daten, dass es teilweise zu einer Überforderung kommt. Eine Interpretation der Daten ohne den Menschen zu kennen, ist oft gar nicht möglich. Wir beraten Unternehmen, die fragen sich: In der Online Anmeldestrecke für mein Produkt brechen die Interessenten bei Formular 4 ab. Wir wissen aber nicht warum. Ist das, weil sie uns nicht vertrauen? Weil ihnen die Bankverbindung zu sensibel für die Eingabe ist? Oder unterstützen wir Online den Prozess bei auftretenden Fragen einfach nicht gut genug? Das finde ich nur heraus, wenn ich mit Usern direkt spreche. Dadurch verbinde ich Big Data (Datenanalyse) mit Small Data (persönliche Einsichten).
Ich glaube, im digitalen Marketing im Sinne der Werbung ist vieles steuerbar. Es besteht allerdings die Gefahr zu Daten gläubig zu werden und das Gefühl dafür, was die Menschen draußen tun, zu verlieren. Dennoch ist Data science spannend und hilfreich.

Wie denkst du wird sich der Bereich Customer Experience in den nächsten 10 Jahren weiterentwickelt haben?

Peter Pototschnig: Der Trend zum Digitalen ist unaufhaltsam und wird sich in allen Bereichen fortsetzen. In asiatischen Ländern ist beispielsweise das Bezahlen am Handy schon völlig üblich – allein in China gibt es mit AliPay und anderen Services schon mehr Nutzer von digitalen Bezahlformen als es Einwohner in den USA gibt. Und auch in Europa wird sich die Durchdringung fortsetzen. Aber es ist jetzt schon in der EU mit der DSGVO abzusehen, dass es eine stärkere Sensibilität in Bezug auf Privacy geben wird. Ich denke, dass mittlerweile auch die junge Generation, die Digital Natives, weniger sorglos mit der Freigabe der Daten umgehen.
Auch Marketing wird immer stärker digital werden, es muss die Menschen ja dort erreichen, wo sie ihre Aufmerksamkeit haben. Und egal wie sich wichtige Themen wie Konsumgläubigkeit und Umweltbewusstsein in den nächsten 10 Jahren entwickeln, hinter den Geräten werden immer noch Menschen sein, die emotional entscheiden was sie kaufen oder nicht kaufen.
Ich denke aber, dass nicht jede Veränderung so schnell eintreten wird, wie die Trendforschung es vorhersagt. Wir arbeiten beispielsweise vermehrt mit Banken zusammen. Es ist völlig klar, dass in Zukunft beim Thema Zahlungsverkehr fast alles digital sein wird. In anderen Bereichen wie Immobilienkrediten zum Beispiel ist weiterhin der Mensch, als persönliche Schnittstelle und auch als Vermittler der Sicherheit das Richtige zu tun, unglaublich wichtig.
Sicher wird es mehr digitale Komponenten geben, wie Sprach-interfaces oder Service-Roboter. Und gleichzeitig ein Erstarken des physischen Orts, um Produkte und Marken erleben zu können. Es wird mehr mehr digitale Interaktion geben. Gesichtserkennung wird wichtiger werden und damit auch ein Eingehen auf die Gefühlslage der Menschen. Wir bewegen uns in Richtung einer Omnikanal Welt, in der es alles gleichzeitig geben wird und in der die Menschen in einer online/offline integrierten Welt von einem Kontaktpunkt zum anderen wechseln werden. Vermutlich wird das Navigationsgerät dafür noch ein paar Jahre das Handy sein, ob das in zehn Jahren noch so ist, bin ich mir nicht sicher. Ich denke aber, dass nicht nur die technische Machbarkeit, sondern auch die soziale Akzeptanz eine große Rolle spielt.

Welche Jobs werden wir benötigen, die heute noch keinen Namen haben?

Peter Pototschnig: Ich glaube, dass Unternehmen immer vernetzter arbeiten werden und deshalb Menschen, die Experten in nur einem Bereich sind, nicht mehr die Urheber der großen Innovationen sein werden. Die Innovation wird aus dem Zusammenkommen von mehreren Fähigkeiten entstehen. Wenn man im Marketing arbeitet, dann muss man gut mit Sales kommunizieren, man muss verstehen, wie Menschen ticken, man muss die Produkte kennen, man muss Medien verstehen, und man muss ein guter Storyteller sein, alles in einem. Das heißt, man ist gefordert, mehrere Fähigkeiten und Expertisen gleichzeitig zu haben. Eine der Kernfähigkeiten ist aber, glaube ich, eine grundsätzliche Selbstverständlichkeit im Umgang mit Daten, in der Analyse und der Übersetzung dieser auf die echte Welt beziehungsweise auf den Menschen.

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About:
Peter Pototschnig ist Co-Gründer der CX Agentur und unterstützt Unternehmen, die ihren Fokus nachhaltig auf Kunden ausrichten. Seine Expertise reicht von strategischen Marketing und Geschäftsmodellen bis zur Praxiserfahrung aus großen Projekten (von Marken-Relaunches bis zu Prozessverbesserungen durch CX Design).