Marcus Izmir – Synnovation Expert, Business Architect/
pit – process it – Gründer der Initiative DNA

TF:  Wie ist es dazu gekommen, dass man sich eines Themas so intensiv annimmt, wie Du das mit dem Thema ,Das Neue Arbeiten DNA’ machst?

Ich habe mein Unternehmen – mii – 1986 mit 19 Jahren gegründet, mit der großen Idee, Menschen dabei zu helfen, Technologie zielorientierter zu nutzen. Das war die definierte Kernaufgabe. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich damals dachte: Ich mach das alleine. Ich brauche niemanden, das geht schon so…. Diese Meinung musste ich ganz schnell revidieren, nämlich in dem Moment, in dem ich mit dem ersten Mitarbeiter zu tun hatte. Mit dem zweiten Mitarbeiter wurde mir klar, dass es für uns nicht funktioniert, auf Basis von klassischen Arbeitszeit- und Führungsmodellen zu arbeiten. Ich hatte die Mitarbeiter klassisch angestellt und versucht, sie klassisch zu führen. In meiner wirtschaftlichen und IT-technologischen Ausbildung war Führung im Rahmen von freien Arbeitszeitmodellen kein Thema. So habe ich mich mit ‚normalen‘ Arbeitsverträgen und ‚normalen‘ Arbeitssituationen auseinandergesetzt und dann beschlossen, alle Normen und Formen zu brechen und zu versuchen, diese Mitarbeiter leistungsorientiert einzugliedern und nach Ergebnissen zu honorieren. So habe ich ihnen von Beginn an freigestellt, wo und wann sie arbeiten.
Wir haben große Kommunikationsprojekte gemacht. Wie z. B., für Austrian, ‚paperless wings‘, das papierlose ‚Aktenköfferchen‘ des Piloten, das noch heute, natürlich weiterentwickelt, im Einsatz ist. Oder ein Kommunikationskonzept für das Bundesministerium für Inneres. Für diese Tätigkeiten haben meine Mitarbeiter nie einen ‚Schalterjob‘ mit fixen Arbeits- und Anwesenheitszeiten gemacht. Wann sie ihre Konzepte geschrieben haben, war relativ egal. Der Abgabetermin und der Inhalt waren wichtig.
Ich habe 1986 mit 19 Jahren begonnen, in diese Richtung zu führen, und war bis 2006 am Ruder meines Unternehmens mii extrem erfolgreich. Wir hatten in Spitzenzeiten 72 Mitarbeiter auf der Payroll. Allerdings in einem guten und notwendigen Mix aus normalen und mehrheitlich freien Dienstverhältnissen, dennoch aber sehr verbunden und familiär. Schon 2002/2003 war klar nachvollziehbar, dass Technologien in der Art, in der sie damals und auch heute noch an den Mann gebracht werden, nicht mehr den Fortschritt bringen, den sie 1990/1980 gebracht hatten. Zwischen 1980 und 1990 war jede neue Version, jedes Release, jedes Update eine so große Verbesserung, dass man es haben musste. 2002/2003 ist diese Welle deutlich abgeebbt. Die Nutzer haben angefangen, nicht mehr jedes Release mitzumachen und darüber nachzudenken, ob sich der Aufwand wirklich auszahlt.
Das war für mich der Zeitpunkt, wo mir klar wurde, dass die Technologie nicht mehr der Mehrwertbringer ist, der sie ursprünglich war. Es geht darum, wie Technologie angewandt wird, wie ein Mensch, dem sie zur Verfügung steht, wirklich damit umgeht.
Die Konsequenz für mich war, Ende 2011 die Entscheidung zu treffen, etwas komplett Frisches, Sinnstiftendes anzufangen. Ich habe mein Unternehmen verkauft und beschlossen, mich dem Thema „Wie können sich Unternehmen – egal welcher Größe und Branche – mit neuen Arbeitsmitteln besser organisieren, besser miteinander kommunizieren und kollaborieren?“ zu widmen und Antworten auf die Frage zu finden auf die Frage zu finden, wie man Firmen und größeren Betrieben Das Neue Arbeiten DNA ermöglicht.
Daher haben wir im September 2012 den DNA Smart Afternoon ins Leben gerufen. Hier stehen nicht nur Technologie im Vordergrund, sondern vor allem ‚softe‘ Themen, die im Kontext DNA stehen, wie z. B. Führung, Ausbildung und Motivation. Wie kann man ein Mitarbeiterkonsortium von mehreren 1000 Personen dazu bewegen, ganz andere Arbeitsmethoden anzunehmen. Das ist ein großer Transformationsprozess, zu dem man externe Transformationsberater benötigt. Fazit war, dass es unterschiedliche Ansätze gibt, dass es wichtig ist, sich mit den Veränderungen auseinanderzusetzen und dies auch dem Markt klar zu machen.

Die Initiative Das Neue Arbeiten DNA, die ich mit Christiane Bertolini, meiner Partnerin, ins Leben gerufen habe, hat zwei Kernaufgaben: einerseits Disziplinen zu identifizieren, die Unternehmen helfen können, Projekte erfolgreich umzusetzen, andererseits dieses Netzwerk und die Plattform aufzubauen, zu entwickeln und bekannt zu machen und auf dem Markt ein Bewusstsein für die kommenden Veränderungen zu schaffen.

TF: Du hast mehrere Ansätze/Zugänge angesprochen, welche würdest Du herausgreifen?

Eines der aktuellsten Themen ist das Thema  E-Mail – wir emailen bis zur Erschöpfung. Das Medium ist wirklich ausgereizt: falsch verwendete E-Mail-Verteiler, missbrauchte Bringschuld usw. Der Leidensdruck ist groß, die Schmerzgrenze erreicht. Das ist die Motivation, warum Firmen anfangen darüber nachzudenken, wie sie ihre Formen der Zusammenarbeit ändern müssen und sollten.

Wir haben es mit einem großen kulturellen Wandel in Organisationen zu tun, der alle betrifft. Wichtig ist hier das abteilungsübergreifende Zusammenspiel. Zur Einführung neuer Kommunikationstechnologien, wie z. B. Microblogging als (nicht totaler) E-Mail-Ersatz, bedarf es der Kollaboration zwischen IT- Abteilung, HR und dem Führungsteam.
Ein weiteres Thema ist das vertrauenszeitorientierte Arbeiten, das eine große Umstellung für Manager darstellt, die Präsenzarbeitszeit gewohnt sind und ein Team nur dann führen können, wenn sie ihre Mitarbeiter sehen. Hinzu kommen Punkte wie die arbeitsrechtliche Situation. Wer kann welche Devices wo benutzen? Was ist die Kostenvergütung für die private Internetnutzung?
Damit einher geht das Einsparen von Büroflächen, um Kosten zu sparen. Z. B. eine größere, nicht mehr ganz österreichische Bank hat die klare Aufgabe, im neuen Campusprojekt statt 4.000 Arbeitsplätzen nur noch 2.000 Arbeitsplätze für die gleiche Anzahl der Mitarbeiter anzubieten. Hier geht es nicht um Reduktion und Abbau, sondern einfach nur um eine Reduktion der physischen Arbeitsplätze, nicht der Mitarbeiter.

TF: Was sind Deiner Meinung nach die größten Veränderungen, die in den nächsten 5 bis 10 Jahren auf uns zukommen?

Ich denke, die wirtschaftliche Entwicklung wird sich sehr stark in Richtung China verschieben. Diese Entwicklung ist bereits im Fortschreiten und die Stellung Österreichs in 10 Jahren ist durchaus abzusehen. Wenn nicht irgendetwas passiert, werden wir nicht dort stehen, wo wir heute stehen. Ich glaube, die Chance für Europa kann nur in der Kreativität stecken. Die Innovationskraft und Kreativität ist ein springender Punkt in unserer Entwicklung. Das gehört bereits in der Schule gefördert, vom Arbeitgeber, vom persönlichen Umfeld und im sozialen Umfeld. Wir müssen kreativer werden. Wir müssen Kreativität fördern.
Die Kreativität und die Originalität sehe ich für Europa und speziell für Österreich als massive Schraube, wenn wir mithalten wollen, denn wir werden mit Sicherheit nicht die billigeren Produkte produzieren. Auch nicht Massen an Dienstleistungen umsetzen, weil uns ganz einfach die Köpfe dafür fehlen. Hier wird uns auch Afrika, nicht gänzlich, aber teilweise überholen.
Der Druck auf Europa, sich wirtschaftlich etwas anderes einfallen zu lassen als in den letzten 200 Jahren steigt immer stärker. Wir haben als Europäer die große Chance, Dinge weit und klar, dabei trotzdem systemisch zu denken und wachstumsorientiert zu stützen. Ich glaube, diese Entwicklung wird sich in den nächsten 10 Jahren noch verstärken.
Aber wir müssen unsere Entscheidungsprozesse verkürzen. Entscheidungen müssen dort gefällt werden, wo die Kompetenz ist, nicht zwangsläufig wo die Macht ist. Dem folgend ist natürlich SELBSTDISZIPLIN für uns ein großes Thema, Mitarbeiter dabei zu unterstützen, Selbstdisziplin größer zu schreiben, als das in den letzten Jahrzehnten der Fall war.
Die Hierarchien, wie wir sie kennen, kommen aus einer Zeit mit anderen Voraussetzungen. Man hat heute ganz andere Möglichkeiten, miteinander zu interagieren und zu kommunizieren. Wir sind in vielen Punkten deutlich reifer und gleichzeitig jünger im Kontext der Aufgabenstellung. Wir sind auch variantenreicher. Wir sind nicht nur fokussiert auf ein Ding und freuen uns über ein größeres Bild in vielen Fällen.

TF: Was sind die größten Chancen, die in der veränderten Arbeitswelt auf uns zukommen?

Ich glaube, die größte Chance, der allergrößte Vorteil ist, dass wir wieder mehr Freude an der Sache haben. Das sehe ich auch als starken Motivationsfaktor. Gerade für größere Betriebe, in den mittleren Schichten, die sich mit n-facher Matrixorganisation und n Chefs auseinandersetzen, ist der Frustrationsfaktor mittlerweile groß. Es geht darum, den Sinn hinter Aufgaben wieder zu verstehen.

Wir müssen im Berufsalltag unseren Mitmenschen und vor allem  uns selbst deutlich mehr Vertrauen entgegenbringen statt uns in einem hohen Grad auf Kontrolle zu stützen.

TF: Was ist die größte Herausforderung, die uns in Zukunft durch die veränderten Arbeitsbedingungen begegnen wird?

Die größte Herausforderung ist, sich von alten Wertesystemen, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben, zu lösen. Bis dato sind Unternehmen erfolgreich, wenn ihre Bilanz gute Zahlen aufweist. Wenn man Faktoren wie Mitarbeiterzufriedenheit, Grün, Nachhaltigkeit in die Bilanzen aufnehmen würde, gäbe es andere Ergebnisse. Die alte Systemik, dieses alte Messen und Werten wird sich ändern. Das Durchsetzen der neuen Werte und das Loslassen der alten halte ich für die größte Herausforderung.

Termin: DNA Smart Afternoon Wien 2013
3. 10., 15.00 – 20.00 h, im Anschluss Smart Bar –  Ottakringer Brauerei, Hefeboden,
Info + Tickets:  www.dasneuearbeitendna.com, http://www.amiando.com/DNAWien2013