Kerstin Köder, Head of Marketing MEE & Germany bei SAP

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‘Ich weiß, daß die Hälfte meines Werbebudgets vergeudet ist, ich weiß nur nicht welche Hälfte.’ – die  Worte John Wannamakers, Vater des modernen Marketing, begleiteten Marketiers seit Jahrzehnten – doch jetzt ist Schluß mit der Unsicherheit. Durch data driven Marketing ist es möglich messbare Maßnahmen nicht nur zielgerichtet, effizient und personalisiert umzusetzen, auch die traditionelle Kluft zwischen Marketing und Vertrieb verbessert sich.
‘Die beste Zeit für Marketing kommt erst.’, sagt Kerstin Köder, Head of Marketing MEE & Germany SAP. Marketing war lange in der reaktiven Rolle. Das hat sich geändert. Digitale Anwendungen bespielen den ganz frühen Funnel, schaffen mittels Profiling und Retargeting einen wirklichen Mehrwert und nachhaltige Kunden. Marketing und Sales bespielen ab jetzt gemeinsam Kommunikationskanäle über alle Unternehmensbereiche hinweg.

Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde Kerstin Köder am CRM Forum 2019, München, von Helmut Blocher, Geschäftsführer Succus Gmbh, auf das Interview eingeladen.

Bringt die Digitalisierung das Ende des traditionellen ‘kalten Kriegs’ zwischen Marketing und Vertrieb?

Kerstin Köder: Ich würde nicht sagen, dass ein Kriegszustand herrschte, aber es gibt unterschiedliche Interessen. In der Regel hat der Sales mehr Gewicht in der Organisation, weil der direkte Beitrag zum Umsatz klarer sichtbar ist. Ich glaube, dass die Digitalisierung die Möglichkeit bietet, die zwei Bereiche auf Augenhöhe und zu einer viel besseren Zusammenarbeit zu bringen.

Wie wird das möglich?

Kerstin Köder: Insbesondere im B2B Bereich bedient Marketing jetzt plötzlich Kanäle, die der Vertrieb nicht bedient. Im Großkundengeschäft ging es im Vertrieb im Wesentlichen um Einzelkommunikation. Die größte Überschneidung der beiden Bereiche waren Events, die vom Vertrieb bestellt wurden und Marketing umsetzte. Marketing war lange in der reaktiven Rolle. Das hat sich geändert. Digitale Anwendungen sind die Spielwiese des Marketing. Hier wird der ganz frühe Funnel bespielt. Man tritt mit Interessenten in Kontakt, kann sie über Profile zuordnen und retargeten. Auf diese Art schafft man einen wirklichen Mehrwert und nachhaltige Kunden.

Die digitalen Möglichkeiten haben den Stellenwert des Marketing gestärkt.

Kerstin Köder: Ich denke, die beste Zeit für Marketing kommt erst.
Die Digitalisierung ist Chance und Bedrohung zugleich. Chance, auf Augenhöhe zu kommen, das Business noch stärker zu befruchten, einen wirklichen Mehrwert für den Vertrieb zu leisten und nicht über Leads zu diskutieren. Gefahr, wenn Marketing da nicht up-to-speed kommt, diese Kanäle zu bespielen.
85% der Customer Journeys beginnen mittlerweile digital. Wenn ich dort als Anbieter nicht vertreten bin, habe ich schon das erste Problem, sprich, wenn ich in der Suche nicht aufscheine oder die Produktinfos auf der Homepage fehlen.

Wie geht das Marketing bei SAP an diese Herausforderung heran?

Kerstin Köder: ‘Digitale Transformation’ ist ein Riesenbegriff. Im Kundendialog ist es für viele ein Buzzword, für andere ein echtes Angstszenario. Transformation findet erstmal keiner gut, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Bei der digitalen Transformation gibt der Kunde den Takt vor, er ist digital und bewegt sich in digitalen Unternehmen, also muss man sich als Unternehmen im Vertrieb am Kunden ausrichten.

Das bedeutet Geschäftsprozesse an das veränderte Kundenverhalten anzupassen und auch ganz neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Du hast für die Digitalisierung im Marketing Deutschland, Mittel- und Osteuropa vier Kernbereiche identifiziert.

Kerstin Köder: Man braucht klare Ziele: Für uns heißt das einerseits, eine der Top Ten Brands weltweit zu werden und zweitens einen konkreten Beitrag zum Umsatz in Form von Leadgenerierung und Conversion zu liefern. Der ROI von Marketing muss gerechtfertigt werden.

Ein weiterer Bereich ist Content. Wir generieren Daten aus dem Web, die der Vertrieb nicht hat. Beispielsweise, welcher Kunde auf der Homepage war. Wir reichern die Profilierungsdaten an und wissen, welcher Kunde vielleicht Wettbewerbsprodukte sucht. Wir monitoren die Customer Journey und versetzen uns in den Kunden hinein. Dadurch wissen wir, wie Entscheidungs- und Auswahlprozesse stattfinden. Wenn wir als Unternehmen es schaffen, die digitalen Kanäle mit einer durchgängig guten Experience und den richtigen Inhalten zur richtigen Zeit zu bespielen, bietet dies große Mehrwerte – für den Vertrieb, Interessenten und Kunden.

Um das zu erreichen, setzen wir auf neue Technologien wie künstliche Intelligenz oder Machine Learning. ‘We drink our own Champagne’ in Bezug auf unsere eigenen Produkte. Beispielsweise finden wir im Bereich Leadscoring heraus, bei welchen Leads die Kaufintention aufgrund des Kundenverhaltens am größten ist, wir verwenden künstliche Intelligenz, um das Churn-Verhalten zu verstehen und finden heraus, welcher Kunde kündigungsgefährdet ist. Wir nutzen Chatbots, automatisierte Trendauswertung sowie Tools zur Bewertung der Verständlichkeit und Zielgruppenaffinität von Texten.

Für mich als Führungskraft eines der Topthemen ist People und Skills. Wir brauchen Personen, die Skills für die Bereiche, in denen wir arbeiten, haben.
Um die richtigen Personen in der Generation XYZ anzuziehen, reicht es nicht mehr, ein tolles Gehalt zu bezahlen und ein Dienstauto anzubieten. Für die meisten Arbeitnehmer dieser Generation ist es wichtig, in einem Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen zu arbeiten. Diese Zukunftsfähigkeit ist ein Job-Auswahlkriterium.
Das zweite Thema ist Purpose. Über die Hälfte der Deutschen gibt an, Marken zu bevorzugen, die zu Themen wie Umwelt, Beschaffung, Lieferketten oder anderen sozialen Fragen, Stellung beziehen. Wahrgenommen zu werden als Unternehmen, das Gutes für die Gesellschaft, Kultur und Umwelt tut, ist also ein ganz entscheidendes Argument für uns als SAP. Ich glaube, da sind wir gut aufgestellt.

Unser viertes Kernthema ist Unternehmensorganisation. Effizienz ist wichtig, das spricht für Linienorganisation. Andererseits haben wir immer mehr Projekte, die nicht nur einem Bereich zuzuordnen sind. Hier muss cross Linie gearbeitet und agil relativ schnell Produktteams zusammengestellt werden. Die Herausforderung ist effizient zu sein und klare Ansprechpartner zu haben, aber dennoch schnell umzusetzen ohne mir anzuhören ‘das steht aber nicht in meiner Stellenschreibung’.

Wie löst ihr diese Aufgabe?

Kerstin Köder: Wir haben eine extreme Lernkultur. Ich habe noch nie bei einem Unternehmen gearbeitet, wo man so viele Möglichkeiten hat, sich selber weiterzubilden: on-the-job, durch Coaching, durch Fernlernen, über Videos, über online/offline Trainings. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Wir haben einen Schwerpunkt Fellowship, wir ermöglichen Mitarbeitern bewusst ein paar Wochen in einem anderen Bereich zu arbeiten um die Perspektive zu wechseln und zu lernen.

Was versprecht ihr euch davon?

Kerstin Köder: Wenn die Zusammenarbeit nicht funktioniert, liegt es häufig daran, dass man die Perspektive des anderen nicht wahrnimmt oder nicht weiß was es für Prozesse oder Direktiven in anderen Unternehmensbereichen gibt. Wir haben zusätzlich ein neues Programm: digital upskilling – drei Level an digitalem Wissen im Marketing.

Welche Jobs werden wir in Zukunft brauchen, die heute noch keinen Namen haben?

Kerstin Köder: Ich glaube, dass die emotionale Intelligenz in Zukunft viel wichtiger wird. IQ bezogene Arbeiten werden durch Systeme oder Prozesse automatisiert. Die menschliche Seite gewinnt dadurch an Bedeutung. Alle Jobs, die mit Kunden, Patienten und Menschen zu tun haben, wird es weiter geben. Natürlich sind Skills wichtig, aber die Einstellung und Haltung, ob jemand Lust hat, etwas zu bewegen, ist für mich mindestens genauso wichtig wie Fachwissen, denn das kann man sich aneignen.

About:
Kerstin Köder ist seit Januar 2018 Head of Marketing MEE & Germany. In dieser Funktion ist sie verantwortlich für alle SAP-Marketingaktivitäten in Deutschland und Mittel- und Osteuropa (MEE) mit Österreich, der Schweiz, Mittel- und Osteuropa (CEE) und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS).
Vor ihrem Wechsel zu SAP war Kerstin Marketingleiterin beim Telekommunikationsanbieter freenet in Hamburg und verantwortete auch den Geschäftsbereich freenet TV B2C von Media Broadcast, dem größten deutschen Dienstleister für die Rundfunk- und Medienbranche. Zuvor war sie Leiterin des Kundenmanagements und Direktmarketings bei debitel in Stuttgart, bevor sie zusätzlich diese Rolle für talkline und mobilcom und schließlich für alle drei Marken der freenet-Gruppe in der Nähe von Kiel übernahm.
Kerstin verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in verschiedenen Führungspositionen in den Bereichen Marketing, CRM, Vertrieb, Customer Care sowie Produkt- und Angebotsmanagement in den Bereichen Handel, Telekommunikation und Fernsehen. Sie gewann verschiedene Wettbewerbe und Auszeichnungen, darunter den Deutschen CRM Award (Gold), den POS Marketing Award und den Deutschen Designpreis für das neue Digital Lifestyle Store Konzept von mobilcom-debitel.
Kerstin ist 1969 geboren. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften mit den Schwerpunkten Marketing und International Business an der Fachhochschule Pforzheim und an der School of Business der University of Louisville, USA.
Sie ist verheiratet und lebt in Stuttgart, Deutschland.