Dr. Gernot Grömer/Präsident österreichisches Weltraum Forum

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Wie wird man Weltraumforscher?

Dr. Gernot Grömer: Ich habe Astrophysik studiert, bin im Rahmen meiner Dissertation an das Grenzgebiet zwischen der Astrophysik und Biologie vorgedrungen und habe in weiterer Folge auch Astrobiologie studiert. Wir untersuchen unter welchen Bedingungen aus biologischer Sicht – und das können sehr extreme Bedingungen sein –  das Leben gerade noch möglich ist und an welchen Stellen im Kosmos, in unserem Sonnensystem, diese Bedingungen bereits erfüllt sind.
Hier haben wir ein ganz fundamentales Problem: den einzigen Datensatz, den wir als Vergleich heranziehen können, haben wir von dem Planeten, auf dem wir uns befinden. Das heißt, wir suchen sprichwörtlich nach der Nadel im Heuhaufen. Der Großteil des Weltraums, wie wir bis heute wissen, ist ja sehr lebensfeindlich. Aber wir haben auch schon Orte gefunden, z. B. Planeten innerhalb unseres Sonnensystems, sozusagen in unserer kosmischen Nachbarschaft, von denen wir wissen, dass sich da manche extreme Bakterientypen der Erde durchaus wohlfühlen könnten. Es wäre möglich, dass sie sich dort verbreiten. Das heißt, wir stehen heute an der Schwelle einer neuen Wissenschaft, die wir gerade bei der “Geburt” sehen.

Was sind in die nächsten 10 Jahre die größten Veränderungen, auf die wir stoßen werden?

Dr. Gernot Grömer: In der Raumfahrttechnik wäre z.B. ein Weltallflug als Spaß und Freude für reiche Touristen in 10 Jahren durchaus vorstellbar. Ebenso möglich ist die Vorhersage von Hungersnöten mittels weltraumgestützten Methoden. Auch langfristige Wettervorhersagen zu machen wird möglich werden. Wir werden in der Lage sein mit Big Data Auswertungen viel besser und effizienter umzugehen, daher wird die Welt um einiges verdichteter und vernetzter sein, als das bisher der Fall ist. Es wird für uns noch stärker zu spüren sein, dass wir “Weltbürger” sind. Die Frage ist, wie gehen wir mit diesen Informationen um?

Was sind die größten Chancen, die sich durch die fortschreitende technologische Entwicklung ergeben?

Dr. Gernot Grömer: Auf der einen Seite werden wir Risiken besser einschätzen können, weil wir mehr Informationen haben oder besser mit Informationen umgehen können. Diese Tatsache zieht sich durch alle Gesellschaftsbereiche, angefangen von der persönlichen Gesundheitsvorsorge bis hin zu gesellschaftlichen Entwicklungen, in der sich ganze Zivilisationen besser informieren können, bevor sie Entscheidungen treffen.
Die Veränderungen reichen vom Weltraumbereich, zu neuen Materialien, neuen Infrastrukturen, neuen Technologien bis hin zu der Frage: Wie gehe ich mit diesen Informationen um?
Man darf bei all diesen Spekulationen nicht übersehen, dass Technologie und Wissenschaft zwar wesentliche Komponente sind, aber wir müssen uns bei gewissen technologischen Entwicklungen die Option offen lassen, als Gesellschaft auch eine ethische Entscheidung zu treffen. Wir sind auch als Wissenschaftler gefragt uns darüber Gedanken zu machen, welche Konsequenzen unsere Forschung hat.

Eine dieser Entscheidungen könnte sein den Menschen genetisch so zu manipulieren, dass er auf den Mars fliegen kann?

Dr. Gernot Grömer: Das wäre ein Beispiel. Technologisch sind wir schon fast so weit die genetische Manipulation, angefangen vom Kälteschlaf bis zur Resistenz gegenüber Strahlungsfeldern vorzunehmen, um einen bemannten Marsflug möglich zu machen.
Allerdings brauchen wir für solche Entscheidungen definitiv einen gesellschaftlichen Diskurs. Da gibt es vielleicht kein richtig oder falsch, sondern eine Entscheidung unter Abwägung der verschiedensten Perspektiven. Vielleicht kann das die Gesellschaft in 50 Jahren ganz anders beantworten, als wir das heute täten. Ich denke, es wäre ein Fehler diese Manipulation zu machen, weil wir sie für eine Anwendung als notwendig erachten und gar nicht nach Alternativen suchen. Dieser Diskurs muss weit über die Technologiedebatte hinausreichen.

Es gibt bereits verschiedene Technologien, die aus der Weltraumforschung gekommen sind und jetzt im Alltag ganz selbstverständlich sind, wie zum Beispiel der Akkubohrer. Gibt es Technologien, die in den nächsten Jahren den Alltag durchdringen können?

Dr. Gernot Grömer: Eine Technologie, die nicht als ganz weltraumspezifisch empfunden wird, obwohl wir sie natürlich auch weiterentwickeln, ist das Internet der Dinge. Wir werden zunehmend sehen, dass die Gegenstände um uns noch mehr vernetzten werden, als es bis jetzt der Fall gewesen ist. In der Weltraumforschung ist es z.B. der Raumanzug, dessen Teile miteinander kommunizieren. Im Alltag ist es bereits die App, die mir sagt ob meine Blumen gegossen werden müssen, weil der Feuchtigkeitssensor im Blumentopf über Bluetooth mit meinem Handy spricht. Oder die persönlichen Vorhersagen, wie hoch z.B. mein Krebsrisiko ist, wenn ich weiterhin drei Schweinsschnitzel am Tag esse.
Technologien, die ursprünglich absolut weltraumspezifisch waren, finden wir zum Beispiel im Recyclingbereich. Wenn ich zum Mars fliege, kann ich nur eine finite Menge Wasser mitnehmen, wenn ich es nicht recyceln kann, habe ich ein Problem.
Große Datenmengen über große Strecken hinweg zu übertragen, wird ebenfalls aus der Notwendigkeit in der Weltraumforschung entwickelt. Diese Technologien müssen wir für den Marsflug entwickeln. Sie können natürlich in weiterer Folge auf der Erde ihr Spin-off finden.

Wann wird denn nun beamen möglich sein?

Dr. Gernot Grömer: In der Physik verstehen wir unter beamen Informationsübertragung. Das ist bereits prinzipiell möglich und wurde auch schon demonstriert. Man kann Information schon über verhältnismäßig große Distanzen übertragen, wie zum Beispiel zu Raumstationen und zurück.

In der Allgemeinkultur verstehen wir unter beamen, dass ich mich in der Mittagspause auf die Malediven für eine kurze Erholungssurfpause beamen kann – das ist noch ein sehr großer Schritt. Für diese Entwicklung brauchen wir noch Jahrzehnte oder Jahrhunderte, denn wir haben noch keine wirkliche Idee, wie man diesen Transfer tatsächlich umsetzen kann.
Aber, wie heißt es so schön: Nichts ist unmöglich.

Was ist deine Vision?

Dr. Gernot Grömer: Wir werden sehen, dass die Welt noch mehr zusammenwächst als es jetzt schon der Fall ist. Wenn man suborbital fliegt, dann könnte man prinzipiell von Frankfurt nach Sydney in 2 Stunden fliegen. Das ist technisch möglich, da gibt es auch entsprechende Konzepte dafür. Wir haben in den letzten 200 Jahren gesehen, wie dramatisch sich unsere Welt alleine dadurch verändert hat, dass die Reisezeit so verkürzt wurde.
Wir nehmen auch immer mehr emotional an Ereignissen teil, die geografisch verhältnismäßig weit weg von uns sind. Ein Grund ist, dass wir spüren, wir könnten schneller dort sein oder aber z.B. Katastrophen könnten auch schneller bei uns sein. Eine SARS-Infektionswelle in China hätte zum Beispiel vor 100 Jahren in Spezialistenkreisen ein kleines Schulterzucken ausgelöst. Heute könnte die Infektion innerhalb von 24 Stunden bei uns sein.
Wir sehen, dass die Welt immer vernetzter wird und wir uns aufgrund der stärkeren Vernetzung auch über Dinge Gedanken machen, die geografisch weit entfernt sind, uns aber trotzdem beeinflussen können. Diese Veränderung im Denken kann uns wiederum die Fantasie geben, die nächsten großen Schritte das Reisen betreffend anzudenken. Zum Beispiel Reisen an Orte im Kosmos, die unsere Großväter als kleinen schimmernden Sternenpunkt am Nachthimmel gesehen haben. Ich glaube, dass wir in einer wirklich spannenden Zeit leben, die zukünftigen Generationen als physischen und kognitiven Aufbruch in neue Welten in Erinnerung bleiben wird.

www.oewf.org

About: Gernot Grömer absolvierte ein Diplomstudium der Astronomie an der Universität Innsbruck, an welches er ein Doktoratsstudium der Astrobiologie anschloss.Er ist Mitbegründer und administrativer Direktor des Österreichischen Weltraum Forums (ÖWF). Grömer simuliert mit seinem Team des Österreichischen Weltraum Forums Marsexpeditionen und gilt als erster österreichischer Analog-Astronaut. Daneben entwickelten die Mitglieder ÖWF-Teams unter Grömers Leitung als erste in Europa einen Raumanzug für den Mars. Grömer lehrt und forscht an der Universität Innsbruck sowie an der International Space University. Seit Juli 2018 moderiert er die Sendung P.M. Wissen auf ServusTV.