Dr. Achim Kaspar /
General Manager Cisco Systems Austria

TF: Wie hat sich aus Ihrer persönlichen Sicht die Arbeitswelt verändert, seitdem Sie angefangen haben zu arbeiten?

Ich sehe den Anfang des Arbeitens mit dem Beginn des Studiums, denn das Studium ist eine der wichtigsten Sozialisierungsphasen für die zukünftige Workforce-Generation. Ein gutes Bespiel ist die Art wie wir uns früher zu Studienprüfungen angemeldet haben. Wir sind in der Früh auf die WU gefahren, haben einen handschriftlichen Zettel auf die Tür gehängt und sind ab 8 Uhr in der Früh vor der Tür gesessen, bis die Anmeldung angekommen ist.
Heute wird das alles per Internet erledigt. Ich glaube, das zeigt schon sehr deutlich, was sich seit dem Beginn meiner Studienzeit bis heute getan hat.
Ich habe immer im ICT- und Telekomumfeld gearbeitet, hier ist man früher von der maximalen Handypenetrationsrate von 25% ausgegangen, heute sind wir bei mindestens 2 bis 3 mobilen Endgeräten pro Person.
Durch den technologischen Fortschritt in der Kommunikation haben sich innerhalb kürzester Zeit mehrere Kommunikationsformen entwickelt, die aber einigen Jahren schon wieder überholt sind. Als Beispiel – ich bin maximal E-Mail-Generation und das ist eine aussterbende Spezies. Es gibt noch immer Personen in den Vorstandsetagen, die sich E-Mail ausdrucken lassen … das stirbt aus. Als nächstes  stirbt die E-Mail aus sowie die Produktion des täglichen E-Mail-Friedhofs.
Die jungen Leute, die in ein paar Jahren in den Betrieben sitzen werden, schicken weder SMS noch telefonieren sie mobil. Sie nutzen das mobile Handset multimedial und als Spielkonsole und als Chatinstrument. Das heißt, es hat sich ein kompletter Wandel von der Wahrnehmung der Technologie zum Einsatz der Technologie vollzogen.
Ich glaube, das wird in Zukunft noch interaktiver gestaltet werden.

TF: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Veränderungen, die in den nächsten 10 Jahren auf uns zukommen werden?

In den nächsten 10 Jahren werden wir eine Generation in den Büros erleben, die anders sozialisiert wurde. Einerseits die Art wie mit Technologie umgegangen wird, aber auch, wie mit Leistung und Entlohnung umgangen wird.
Ich merke, dass es eine Verschiebung von der Wohlstandsgeneration der 60iger und 70iger Jahre gibt, hin zu einer Generation, die mehr Wert auf Life-Work-Balance legen wird aber auch bereit ist auf gewisse finanzielle Benefits zu verzichten, wenn sie dafür mehr Entwicklungsfreiheiten und auch mehr Spass an der Arbeit haben kann.
Das ist ein ‚First-World-Problem’, eine große Problemzone, die wir hier haben werden im Vergleich z.B. zu einem aufstrebenden asiatischen Markt. Da kommen einige Herausforderungen auf uns zu.

TF: Cisco hat einige Produkte und Dienstleistungen entwickelt, die sich mit der veränderten Arbeitswelt auseinandersetzen und die diese Art des Arbeitens erleichtern und unterstützen.

Cisco war im Kommunikationsbereich immer federführend. Wir sind ein Spin-Off der Standford-Universität, unser Name leitet sich von San Francisco ab und ist durch das Kommunikationsbedürfnis von zwei Personen entstanden, die in verschiedenen Gebäuden an der Universität gearbeitet haben.

Heute hat Cisco einen Jahresumsatz von über 46 Milliarden Dollar und hat neben den Netzwerkgeschäften eine zweite große Schiene aufgebaut: das Collaboration Business – wie man miteinander kommuniziert. Der Videotrend in der Telefonie, denn wir vorausgesagt haben, hat sich mittlerweile voll durchgesetzt. Cisco deckt hier mit seiner Produktpalette sowohl das private als auch das Business Umfeld ab. Von für Vorstandsetagen tauglichen riesen Videosystemen, wo in Echtgröße mit doppelter HD-Qualität bis zu 20 Leute nebeneinander sitzen und weltweit kommunizieren können und dadurch Geografie unabhängig, ohne Sprachverzögerung arbeiten können, bis hin zu kleinen Videotelefonen, die am Desktop stehen. Mit unseren Collaboration Softwareprodukten wie „WebEx“ und „Jabber“ können alle privaten Devices, ob I-Phone oder ein anderes Smartphone, miteinander vernetzt werden und es kann damit gearbeitet werden. Das ist einer der Kerntrends. Vor 3 oder 4 Jahren waren wir zu diesem Thema noch ein wenig ein Prediger in der Wüste, mittlerweile stellen alle großen Firmen auf diese Systeme um.

Aber auch die kleinen innovativen Unternehmen haben rasch erkannt, dass der Faktor Geografie obsolet geworden ist. Ob ich im Waldviertel sitze oder im Salzkammergut, ich kann heute mit meinen Tools alles abbilden. Und meine physikalische Anwesenheit im Büro kann sich auf ein Fünftel beschränken.

Auf diese Weise werden die Collaboration-Modelle einen starken Einfluss auf unsere Arbeitszeitmodelle haben. Hier gibt es mittlerweile punkto Arbeitszeitregelungen Nachholbedarf, den wir uns vom Gesetzgeber wünschen.

TF: Stichwort „Bring you own device“ auch hier bedarf es arbeitstechnischer Regelungen.. 

„Bring you own device“ ist ein Thema, das bei der Generation Y ein starker Wunsch ist. Diese Generation legt großen Wert darauf Social Media zu nutzen. Natürlich wird auch auf Facebook der Status während der Arbeitszeit gegeben und es wird genutzt um sich das Privatleben zu organisieren, d.h. z.B. die Abendplanung, aber auch um Informationen mit Freunden und Familie auszutauschen, so wie man früher einfach telefonisch kommuniziert hat. „Always on“ ist mittlerweile kein Schlagwort mehr, sondern Realität geworden. Und natürlich will man hier auch die Devices verwenden, die man im Privatleben nutzt. Wenn ich diese Geräte am Arbeitsplatz nutzen darf, hat das natürlich grosse Implikationen, was Sicherheit betrifft.
Hier stellt sich die Frage: „Wie kommuniziere ich, mit welchen Devices bin ich mit dem Firmennetzwerk verbunden und wie wird die Sicherheit der firmeninternen Inhalte gewährleistet?“ Cisco hat ein Identity-Service-Engine Produkt, d.h. die Firewall ist nicht das Device, sondern das Netz. Über das Netz wird gesteuert wer mit welchem Device zu welchen Inhalten Zugang hat. Auf diese Art ist ganz klar wer mit welcher Identität wo zugreift, für uns die Lösung zur Fraudprevention.

TF:  Was sind Ihrer Meinung nach die größten Chancen der veränderten Arbeitswelt?

Ich glaube, in dieser veränderten Arbeitswelt gilt ein Grundsatz: Nicht die Großen und Starken gewinnen, sondern die Flexiblen. Diejenigen, egal wie groß oder klein das Unternehmen ist, die sich am ehesten schnell auf Änderungen einstellen können und dynamisch sind, werden gewinnen. Man sieht, dass Große oft länger brauchen diese Änderungen umzusetzen – warum? – ‚Never change a running system’ – daher sind Kleinere oft flexibler und kommen schneller an Erfolg.

Das ist ein Trend, den wir sehen. Es hat natürlich auch ein gewisses Bedrohungspotential, weil die Konkurrenz nur einen Mausklick entfernt ist. Das ist Realität geworden. Man kann heute geografisch unabhängig und das kann durchaus ausserhalb Europas sein, Dinge relativ rasch, lokal umsetzen auch wenn man sich gar nicht an diesem Ort befindet.

TF: Was bedeutet dieser Grundsatz für einen weltweit tätigen Konzern wie CISCO?

Wir sind global vertreten, aber wir verkaufen in jedem Land über lokale Partner. Wir haben ein indirektes Verkaufsmodell über Integratoren und Partner. Das heißt, wir gehen in jedem Land über diese Partner stark auf die lokale Situation ein. Unser Core-Business ist die Technologieentwicklung, wir sind Technologielieferant, aber wir versuchen auch, den Benefit der Technologie im Hinblick auf Innovation und Kostenersparniss darzustellen. Mit unserer Technologie helfen wir Unternehmen profitabler zu werden und in ihren Kernprozessen erfolgreicher zu sein. Neben der Ausrichtung auf Profitabilität betreiben wir z.B. ein weltweites Cisco-Academy-Programm, es ist uns sehr wichtig in dieses Ausbildungssystem lokal zu investieren. In Österreich gibt es fast 300 Cisco-Academy-Partner, bei denen wir junge Leute ausbilden, um ihnen eine höhere IT-Affinität zu ermöglichen. Denn wir brauchen IT-Experten nicht nur im IT-Bereich, wir brauchen sie in der Logistikwirtschaft, in der Marketingwelt, im Bankenbereich, wenn z.B. Experten mit Videokonferenzsystemen ins Waldviertel verbunden werden um einen Kredit abzuschließen etc.. Es gibt 100te neue Geschäftsmodelle z.B im Bereich Healthcare, Stichwort das vernetzte Krankenbett, oder die Logistikbetreuung eines Stück Holzes vom Baum bis zum fertigem Möbelstück usw. – alles was mit Kommunikation zu tun hat, wird sich noch verstärken.

Die größte Herausforderung ist, dass wir in einer Kulturrevolution stehen. Man sieht das im privaten Umfeld, ich beobachte jeden Tag, wenn ich meinen Kinder zuschaue, wie anders sie mit Technologie umgehen. Die Gesellschaft reagiert mit einer Pendelbewegung zwischen Euphorie und Verängstigung. Wie schafft man es, diese neuen Technologien möglichst positiv für die Gesellschaft, für die Wirtschaft, zu implementieren? Man muss die negativen Aspekte, wie Datenmissbrauchsthemen usw., in den Griff bekommen und alle Möglichkeiten positiv nützen. Es ist geht einfach um den Umgang mit dem Medium. Das ist das Thema, das wir unseren Kindern, unserer Gesellschaft beibringen müssen. Dieses Thema muss letztendlich in das Wirtschaftsleben und in die Politik einfließen. Dies ist eine der größten Herausforderungen, die ich für die Zukunft sehe.

TF: Haben Sie persönlich und natürlich auch als General Manager von CISCO eine Vision?

Wir haben eine interne Vision, wir wollen die Number One ICT Company global werden, das ist die Vision, an der wir alle arbeiten. Unsere zweite Vision ist: „We change the way we live,work, play and learn.“ Das heißt, wir sehen den positiven Aspekt der Technologie für die Gesellschaft und für die Wirtschaft. Wir versuchen mit unserer Technologie die Kernprozesse und damit auch die Unternehmen, die mit uns zusammenarbeiten, erfolgreicher zu machen. Es ist eine positive, wechselseitige Befruchtung, wir sehen uns nicht nur als Hardwarelieferant, sondern versuchen gemeinsam mit den jeweiligen Kunden und Partnern daran zu arbeiten, was eine Änderung in den Prozessen für positive Dinge bewirken kann, wie z.B. Wachstum für neue Arbeitsplätze, etc.. Die Überlegung ist, was bringt es den Menschen, wenn man diese Technologie richtig einsetzt? Ich persönlich z.B. kann, auch als Geschäftsführer, wenn meine Kinder krank sind, auch einmal zu Hause bleiben, wenn meine Frau eine Verpflichtung hat und ich kann von zu Hause ohne Probleme Meetings abhalten, Calls tätigen und habe damit weniger Stress in meinem Privatleben. Hier können wir die Technologie zur Work-live-Balance nützen, aber nicht zu unserem Nachteil, sondern zu unserem Vorteil.