Karin Tausz,
Leitung ‚Selbstfahrende Fahrzeuge‘, SBB Unternehmensentwicklung
Autonome Fahrzeuge sind auch für die Bahn ein Thema. Diese könnten das Problem des Transports der ersten/letzten Meile lösen und als Zubringer zur Bahn fungieren. Die Schweizer Bahn SBB hat in einem Gemeinschaftsprojekt die erste Testphase abgeschlossen. Bald werden Mitarbeiter eines Partnerunternehmens vom Bahnhof und zurück mit einem autonomen Shuttle transportiert, diese sollen bis 2025 in den Fahrplan integriert werden. Vorteil für den Fahrgast – da Personalkosten gespart werden und keine Dienstzeiten und Ruhezeiten mehr eingehalten werden müssen, kann das Service zu weitaus kürzeren Intervallen mit flexiblem Fahrplan angeboten werden.
Karin Tausz spricht am 16./17. 5.2018 am Iot Forum in Wien.
Wieso beschäftigt sich die Bahn mit selbstfahrenden Autos?
Karin Tausz: Der Mobilitätsmarkt verändert sich durch neue Technologien, neue Geschäftsmodelle und durch das Gesamtthema Digital Business. Zusätzlich zeigen unsere Kunden einen deutlichen Trend in Richtung Sharing Economy. Man möchte nichts mehr besitzen, sondern auch unterwegs flexibel sein, heute mit dem Fahrrad fahren und morgen mit dem schicken Auto kommen. Wenn man daraus autonomes Fahren herausgreift, ist das für uns als Bahnunternehmen eine Technologie, die erstmals einen wirklichen Tür-zu-Tür Service ermöglicht.
Das bedeutet, dass man nicht zu dem Standort eines Carsharing Autos gehen muss oder viel Geld für ein Taxi bezahlen muss, sondern wirklich von der Haustüre an mit dem autonomen Fahrzeug unterwegs sein kann und ich kann mir auch Fahrten teilen.
Schaffen Sie sich dadurch keine mögliche Konkurrenz? Von der Türe abgeholt zu werden, ist bequem, die Privatsphäre ist größer und es ist auch günstig. Warum sollten Fahrgäste beim Bahnhof aussteigen und mit der Bahn weiterfahren?
Karin Tausz: Das stimmt, es ist ein Risiko, aber es hat auch einen großen Chancenteil. Denn auch in der Schweiz wird der überwiegende Teil der Fahrten und Wege mit dem Privatauto zurückgelegt, auch, wenn der öffentliche Verkehr gut genützt wird. Autonome Fahrzeuge könnten für uns das Problem der ersten/letzten Meile lösen und als Zubringer zur Bahn fungieren. Dadurch können unsere Gäste auf ihr Privatauto verzichten, sie müssen keinen Parkplatz mehr suchen oder einen teuren Parkplatz mieten. Dieser Komfort ist für uns eine Chance mehr, Personen zur Bahn zu bringen. Zusätzlich kommen viele neue Konkurrenten auf den Mobilitätsmarkt. Automobilhersteller, IT-Unternehmen und Startups. Alle bieten plötzlich Mobilitätsservices an, da möchte man natürlich Mitgestalter bleiben. Daher positionieren wir uns entlang der Wertschöpfungskette in diesem neuen, sich verändernden Markt. Das bedeutet nicht, dass wir diese Services alle inhouse entwickeln werden, aber wir bauen in diesem Bereich Kompetenzen und Wissen auf.
Welchen Mehrwert bietet mir die Tatsache, dass ich mit einem ‘Bus’ ohne Fahrer zum Bahnhof fahre, gibt es für den Nutzer eine wirkliche Veränderung?
Karin Tausz: Wenn ich nur von einer Fahrt mit oder ohne Fahrer spreche, ist die Situation tatsächlich ähnlich. Der große Vorteil liegt darin, dass Services mit Fahrer jetzt teuer sind. Der größte Kostenfaktor ist das Personal. Wenn ich eine bestimmte Taktung beim heutigen Bussystem anbieten will, muss ich auf Personal, Dienstzeiten, Dienstwechsel und Ruhezeiten eingehen. Das fällt mit einem autonomen Bus weg. Das bedeutet, dass das Service günstiger angeboten werden kann und vielleicht zum gleichen Preis eine bessere Taktung.
Mit einem autonomen Bus ist es möglich, ein viel grösseres Gebiet viel flexibler zu bedienen, da man aus den verschiedensten Gegenden Fahrtanfragen annehmen kann.
Sie haben ein Testprojekt gelauncht, kann man das Service schon nutzen?
Karin Tausz: Im Moment kann man es noch nicht nutzen. Die autonomen Fahrzeuge, die man einsetzen kann, sind Prototypen. Das bedeutet, man muss jedes Fahrzeug extra genehmigen lassen und kann es nicht einfach kaufen und einsetzen. Das Fahrzeug hat eine lange Lernphase, es muss die Route wirklich kennenlernen. Jeder Ast der hineinhängt stellt ein Hindernis dar, da der Bus noch nicht genau unterscheiden kann, ob das Hindernis nun fix oder beweglich ist, ob er stehen bleiben muss oder das Tempo verlangsamen. In dieser Phase befinden wir uns gerade. Das bedeutet, wird haben das sogenannte ‘Mapping’ abgeschlossen und starten mit der ersten Friendly User Testphase, in der nur Personen, die bei dem Projekt mitarbeiten, mitfahren. In Phase Zwei werden Mitarbeiter einer Partnerfirma mit dem Shuttle vom Bahnhof zu diesem Unternehmen und zurück befördert, in der dritten Phase wird das Service in der Öffentlichkeit gelauncht.
Haben Sie den Bus selber entwickelt?
Karin Tausz: Nein. Wir werden kein Fahrzeugentwickler werden. Für uns als Bahnunternehmen ist die Technologie der Fahrzeuge eine Blackbox, die muss der Markt entwickeln. Dennoch müssen wir Know-How aufbauen, um die richtigen Partner zu wählen. Kooperation und Integration ist unser Ziel, denn wir denken, dass gut organisierte Mobilität auch im Sinne des Kunden ist. Unser Partner ist daher Mobility Carsharing. Ihr Interesse ist die Benutzung von Shuttles on demand als Carsharing. Die lokalen öffentlichen Verkehrsbetriebe sind ebenfalls Partner und beschäftigen sich mit der Frage, wie sie autonomes Fahren in den städtischen Verkehr integrieren können. Ein weiterer Partner ist die Stadt Zug, ihr Fokus ist die Nutzung von autonomen Fahrzeugen im Sinne einer Smart City. Der Technologie Cluster Zug ist ebenfalls ein Partner mit dem Ziel, Mitarbeiter mit dem Shuttle befördern zu lassen und Unternehmen für neue Technologien zu interessieren.
Wer stellt die Fahrzeuge her?
Karin Tausz: Der Hersteller ist ein französisches Unternehmen, hervorgegangen aus dem ersten EU- Projekt City Mobile, von der Europäischen Kommission gefördert. Ein Startup mit größeren Partnern im Hintergrund. Für uns ist das eine Entwicklungspartnerschaft. Sie lernen bei uns ihr Fahrzeug und ihre Technologie zu verbessern und wir lernen mit ihnen, wie die Anwendung verbessert werden kann.
Wann ist es möglich das Service regulär zu nutzen?
Karin Tausz: Im Pilotprojekt wird das Service 2019 einsatzfähig und integrierbar sein. Bis die Technologie Standard wird und wirklich in den Fahrplan integriert werden kann, wird es vermutlich bis 2025 dauern. Autonom fahrende Personenwagen auf der Strasse, würde ich schätzen, werden erst 2030 möglich werden, denn in diesem Bereich muss die Technologie noch erheblich verbessert werden.
Werden die Züge in Zukunft auch autonom fahren?
Karin Tausz: Automatisierung auf der Schiene ist bei uns ein großes Projekt, SmartRail 4.0. In diesem Bereich ist allerdings der Lokführer nicht der grosse Kostenfaktor, gemessen an der Anzahl der Personenkilometer bzw. an der Anzahl der Gäste, die befördert werden. Hier wollen wir auf einem bereits sehr dichten Netz noch mehr Züge platzieren und das wachsende Mobilitätsbedürfnis mit noch kürzeren Intervallen auf eine kostengünstige Art befriedigen. Wir rechnen ab 2023 bis 2025 mit der Umsetzung.
About:
Karin Tausz ist seit Oktober 2015 verantwortlich für das Programm „Selbstfahrende Fahrzeuge“ bei der SBB Unternehmensentwicklung und arbeitet in dieser Funktion an der strategischen Positionierung der SBB mit neuen Mobilitätsservices. Sie studierte Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und ist Expertin für Innovationen in der Stadt- und Regionalentwicklung sowie Mobilität. Sie arbeitet bevorzugt an der Schnittstelle von Technologie, Gesellschaft und der Entwicklung neuer Produkte und Services.