Kristian Gründling
Regisseur, Filmemacher,
Geschäftsführer Grünfilm Medienproduktion

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‘Ein großes Problem unserer Arbeitswelt besteht darin, dass wir über viele Jahre darauf getrimmt wurden ‘know-how’ zu haben, aber wir haben kein ‘know- why’ mehr.’ –  Dem Film ‘Die stille Revolution’ liegt die Geschichte des Hoteliers Bodo Janssen und der Hotelkette Upstalsboom zugrunde.
Der Wandel von einer rein profitorientierten Unternehmenskultur, die die Mitarbeiter als Arbeitskräfte und nicht als Menschen sah, zu einer Vorzeigegeschichte über die Einbeziehung der gesamten Persönlichkeit in den Arbeitsalltag, Förderung der Potentiale und ernst genommener Diskussion über Veränderung. Der Erfolg der Veränderung schlug sich nicht nur in der Mitarbeiterzufriedenheit nieder sondern erhöhte letztendlich auch die Umsatzzahlen und die Weiterempfehlungen der Hotels.
Kristian Gründling, Regisseur und Filmemacher, machte sich auf Basis dieser Geschichte mit der Frage wie unsere Arbeitswelt aussehen sollte auf den Weg und kam mit einem preisgekrönten Film über ‘Mensch sein’ und Menschlichkeit zurück. Interview von Julia Weinzettl

 

 

Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde Kristian Gründling am Corporate Culture Jam, Düsseldorf von Helmut Blocher, Geschäftsführer Succus Gmbh, auf das Interview eingeladen.

Du bist Regisseur des Films ‘Die Stille Revolution’. Diesen Film hast du gemacht, als du selbst an einem Punkt in deinem Leben standest, an dem du dich anders ausrichten wolltest.

Kristian Gründling: Als Werbefilmer habe ich mich selbst als Leistungserfüller, der einem Ziel hinterher rennt, erlebt. Jemand, der alles stark kontrollieren muss. Ich habe meine Arbeit eigentlich auch immer als sehr anstrengend empfunden.
In dieser Zeit hatte ich den Kontakt zu meinen eigenen Werten, zu meinen Bedürfnissen und zum meinem Sinn verloren. Ich habe mich in meiner Arbeit mit der schönen äußeren Verpackung beschäftigt und den Zugang zu meinem Inneren vernachlässigt. Als Werbefilmer bewegt man eigentlich hauptsächlich die Umsatzzahlen von Müsliriegel- oder Getränkeherstellern.
In dieser Phase der Sinnsuche bin ich Bodo Janssen begegnet, einem Unternehmer, der erzählte, dass er mit seinen Führungskräften ins Kloster gehen wird, nachdem er selber dort auch Zeit verbrachte hatte. Das hat mich angesprochen, denn ich war immer auf der Suche nach etwas, das ich filmisch umsetzen kann, das aber gleichzeitig meinen Wertvorstellungen entspricht.
Ich hatte Interesse auch gesellschaftlich etwas zu bewegen.
Ich habe mich gefragt, wie ich meine Fähigkeit Sehnsuchtsorte zu beschreiben, denn das findet in der Werbung ja genauso statt, für etwas einsetzen kann, das etwas bewegt und das auch mit mir selbst zu tun hat.

Als erstes entstand ein Kurzfilm.

Kristian Gründling: Wir hatten nicht vor einen großen Film zu machen, wir hatten kein Storyboard und keine Zielgruppe.
Wir wußten nicht für wen die Geschichte sein sollte.
Dadurch war der Moment, in dem wir agieren konnten, die Gegenwart.
Aus dieser Gegenwart heraus und aus einer sehr starken Leichtigkeit begannen wir unsere Arbeit. Ich begleitete Bodo eine Zeitlang in seinem Unternehmen, daraus entstand zuerst ein Kurzfilm. Dieser Kurzfilm bewirkte sehr viel, er war eigentlich als interner Mitarbeiterfilm gedacht, hatte sich aber innerhalb von kürzester Zeit als viraler Hit entwickelt und zahlreiche Preise gewonnen.

 

 

Das war der Moment, wo wir uns fragten, was da eigentlich in der Arbeitswelt los ist, wenn man mit dem Beispiel der Unternehmensverwandlung so viel Aufmerksamkeit erregt. Es war der Grund auf die Suche zu gehen, Menschen, Experten und Manager, Wirtschaftsphilosophen und Geistliche zu befragen.

Wir wollten wissen, was gerade mit der Arbeitswelt und auch mit der Menschheit passiert?

Was es für Herausforderungen gibt und inwieweit man sich diesen stellen kann. Mit dieser Idee starteten wir einen größeren Film für ein größeres Publikum. Dass der Film zum Bestseller wird, konnten wir uns gar nicht vorstellen, vor allem, weil er aus so einer Leichtigkeit entstanden ist.

Der Film hat die Kraft Menschen mit sich selber in Verbindung zu bringen. Hier kommt es teilweise zu heftigen Reaktionen, Personen saßen im Publikum und waren stark berührt, manche haben sogar geweint. Wie geht es dir, wenn du merkst, dass dein Film so etwas hervorruft?

Kristian Gründling: Wenn es auch nur in der Zeit nach dem Film ist, habe ich gesehen, dass er dennoch etwas auslösen kann. Es gibt Menschen, die saßen nach dem Film noch über eine Stunde verloren im Kinosessel. Die haben wir auch angesprochen um zu wissen, ob alles ok ist. Ich weiß nicht, ob man weinen muss, aber auch diese Reaktion hatten wir. Der Inhalt des Films macht nachdenklich, ohne dass er belehrend ist oder zeigt wie es geht – man reflektiert das eigene Leben und sein eigenes Führungsverhalten. Der Film zeigt vielleicht ein bisschen, wie es nicht geht. Mit einem großen Verständnis beschreibt er diese alte Arbeitshaltung und er beschreibt, dass die Erkenntnis dieser alten Haltung auch der wichtigste Schritt ist um etwas zu verändern. Es geht also gar nicht mal gleich um das Handeln sondern um die Reflektion und die Frage ‘Was steckt von mir da drinnen?’. Da scheinen sich viele Leute wieder zuerkennen.

Trotz dem für viele trockenen Thema Arbeit wird eben nicht nur der Intellekt angesprochen.

Kristian Gründling: Ich glaube, dass der Film Verbundenheit schafft. Man erlebt sich wieder in seinen eigenen Sehnsüchten und stellt fest, dass es anderen genauso geht. Dem ganzen Zuschauerraum geht es so, den Personen im Film geht es so. Die Erkenntnis dessen schafft eine Gemeinsamkeit und Überwindung der Einsamkeit. Eine Frau hat mir einmal nach dem Film gesagt, er wäre wie ein Pflaster für ihre Seele gewesen. Sie hatte eigentlich immer gedacht, sie wäre irgendwie falsch in ihrem Arbeitsalltag. Durch den Film fühlte sie sich bestätigt, dass nicht sie die Falsche war, sondern, dass es sehr vielen Menschen so geht und sie den richtigen Impuls hatte.

Der Film geht über das Thema der Arbeitswelt hinaus und beschäftigt sich mit dem ‘Mensch sein’. Es geht um die Kluft, die zwischen der Arbeit und dem Menschen entstanden ist. Es gibt oft keine Einheit und kein Sinnverständnis. Das Fehlen der Bestimmung über längere Zeit führt bei Menschen oft zu Frustration und macht unglücklich.

Kristian Gründling: Zu Bestimmen was ‘Menschlich sein’ bedeutet, ist man persönlich gefragt. Denn da geht es nicht mehr um eine Funktion, wie die der Führungskraft, sondern da ist der ganze Mensch mit seiner Kreativität, seinen Sehnsüchten, Fähigkeiten, Leidenschaften und Wünschen gefragt. Der Punkt, warum viele Menschen so berührt sind, ist, dass es zutiefst mit dem Sinn des Lebens zu tun hat – ‘Wofür bin ich eigentlich da?’

Ich glaube, dass das Thema Digitalisierung, entgegen der vielen Ängste, dazu beitragen kann, wieder Mensch zu sein und auch als Mensch –  in der Arbeit, aber auch überall sonst – zu agieren.
Dann stellt sich natürlich die Frage, was es bedeutet ‘menschlich zu sein’. Das Aufbrechen dieser Frage ist etwas Wunderbares, das eigentlich durch die Disruptierung, die Digitalisierung, den Fachkräftemangel und die Innovationspflicht von jedem Unternehmen entstanden ist. Durch diesen Druck entsteht viel Neues, aber auch sehr viel Reflexion. Man stellte mittlerweile sogar in der Forschung fest, dass ein System entstanden ist, das als Potential Verhinderer agiert. Aber es geht nicht darum sofort ein neues System zu entwickeln, sondern um ein systematisches Hinterfragen und dann zur Veränderung einzuladen. Wie Gerald Hüther sagt: einladen, ermutigen, inspirieren und ein Angebot machen, bei dem Leute Lust haben mitzumachen.
Ich glaube darauf bewegen wir uns zu.

Die Automatisierung ist ein Beflügler der neuen Arbeitswelt. Wenn einfache, sich ständig wiederholende Tätigkeiten durch Maschinen ersetzt werden, ist das eigentlich ein Segen.

Die Frage ist, was mache ich denn dann, wenn ich vorher LKW  gefahren bin oder am Fließband gearbeitet habe. Oder was mache ich, wenn ich bedingungsloses Grundeinkommen beziehe? Warum arbeite ich denn dann? Die Entkoppelung der Arbeit von der Erwerbstätigkeit und das Verständnis, dass man nicht arbeitet um Geld zu verdienen, sind spannende Fragen.

Wenn das geschieht, dann ist Dienst nach Vorschrift sowie alles andere im hierarchischen System obsolet. Das bedeutet Selbstverantwortung total – das ist vielleicht auch nicht für jeden?

Kristian Gründling: Das stimmt. Es ist ein Prozeß, bei dem jeder entscheiden sollte, was für ihn am besten ist. Wir haben zum Beispiel ein Unternehmen erlebt, wo nur ein Drittel der Belegschaft Lust hatte mitzumachen und dennoch wurde sehr viel verändert. Es gibt immer Personen, die in ihrer Komfortzone bleiben wollen. Das ist grundsätzlich kein Problem solange vor allem Führungskräfte nicht zu Verhinderern werden und aus egoistischen Motiven und Machtinteressen heraus Veränderung verhindern, weil sie ihr System bedroht sehen. Dann ist es wichtig das zu adressieren, weil wir an vielen Beispielen wie Kodak, Nokia oder der Dampfmaschine gesehen haben, wie schnell große Unternehmen, die von disruptiven Veränderungen betroffen waren, pleite gehen können.

Für mich entsteht gerade schrittweise eine wunderbare Rückeroberung der Arbeitswelt durch den Menschen.

Die stille Revolution

Der Upstalsboomweg

www.gruenfilm.com

About:

Kristian Gründling ist Regisseur, Autor, Produzent und Geschäftsführer von GRÜNFILM. Seine Filme begleiten Unternehmen in der Transformation – so auch sein letzter mehrfach ausgezeichneter Film „DIE STILLE REVOLUTION“ über den Kulturwandel in unserer Arbeitswelt. Sein Credo: Die Befreiung der Begabungen und Talente der Menschen führt unterm Strich zu mehr Innovation und Einsatzbereitschaft.