Daniel Wiener, CFO Cargo sous terrain AG (CST)

Reading Time: 6 minutes 

2026 ist der Spatenstich. Vor 12 Jahren startete das visionäre Projekt, das LKW von der Straße verbannt. Es führte sogar zu einer Gesetzesänderung in der Schweiz, nun kann man den Güterverkehr unter die Erde befördern. Aus mit Verkehrstaus, kaputten Straßen und Luftverschmutzung. Das Projekt Cargo Sous Terrain reduziert den Einsatz von LKW massiv, um 40% auf Autobahnen und um 30% in Städten. 14 Städte in der Ost- und Westschweiz werden durch ein 7 m breites Tunnelsystem verbunden. Die Fracht wird mit kleinen, selbstfahrenden Einheiten nach dem Prinzip eines automatischen Fördersystems befördert. In den Tunnels verkehren rund um die Uhr selbstfahrende, unbemannte Transportfahrzeuge, die an Rampen oder Aufzügen automatisch Ladungen aufnehmen und abgeben können. Diese Ladung wird in den Stadtgebieten, in Hubs, wieder ans Licht befördert, wo man sie in mit nachhaltigen Gefährten ausliefert. Insgesamt werden 500 km Tunnel gebaut. Finanziert wird das fantastische Projekt aus einer eigens dafür gegründeten Aktiengesellschaft, die sich aus 80 Unternehmen zusammensetzt.
Daniel Wiener, CFO von CST, verrät im Interview, wie es möglich war ein so komplexes, zukunftsträchtiges Projekt umzusetzen.

Cargo Sous Terrain


Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde
Daniel Wiener von Helmut Blocher, Geschäftsführer Succus Gmbh, auf das Interview eingeladen. Er spricht am 14. Okt. 22  am Austrian Innovation Forum.

Das Wachstum des LWK-Verkehr steigt stetig. Das ist weder nachhaltig noch wirtschaftlich sinnvoll. Es bedarf einer systemischen Erneuerung. Den Grundstein dazu legte man in der Schweiz schon vor 12 Jahren.
Doch wie startet man ein Projekt dieser Größe und Umfangs? Wie bekommt man alle Stakeholder ins Boot und schafft eine Finanzierung ohne staatliche Förderungen?

Daniel Wiener: Wie so oft im Leben sind die fantastischen, bahnbrechenden Ideen am Anfang gar nicht so groß gedacht. Ursprünglich wollte man die Autobahnen von dem lästigen LKW Verkehr entlasten. Die Schweizer und die Österreicher als Bergländer haben da etwas gemeinsam – sie sind Weltmeister im Tunnelbau. So war die Idee einen 500 Kilometer langen Cargo Tunnel zu bauen gar nicht abwegig. Auch große Einzelhandels Firmen, wie Migros und COOP, äußerten Interesse an der Idee eine neue Infrastruktur zu gestalten. Sie hatten realisiert, dass sie, bei einem Anstieg der Transporte um 30 % in den nächsten 20 Jahren, ihre Filialen nicht mehr beliefern konnten. So wurde eine Machbarkeitsstudie beauftragt.

Anfänglich war CST ein Verein, der sich mit Studien zum Thema Verkehrsströme der Zukunft beschäftigte, heute seid ihr eine Aktiengesellschaft – ein großer Sprung.

Daniel Wiener: Als ich an Bord der Studie kam war klar, dass die ursprüngliche Vorstellung, die normalen LKW einfach unter der Erde fahren zu lassen, nicht rentabel sein würde. Daher fingen wir an, darüber nachzudenken, nur Gebinde zu transportieren. Mit diesen Ideen erweiterten wir die Zusammenarbeit zwischen Einzelhändlern und weiteren Stakeholdern, die an Infrastruktur und Logistik interessiert waren. Und weil uns Nachhaltigkeit auch damals schon wichtig war, nahmen wir Betreiber alternativer Energien mit ins Boot. Nach einem zweitägigen Innovationsworkshop wurde uns klar, dass wir die Auslieferung auch direkt mit den Städten verbinden mussten. Wir mussten also noch größer denken und auch für die Finanzierung sorgen, wenn wir die Umsetzung starten wollten.

Up-scaling anstatt Downsizing war der Projekterfolg. Ihr habt mittlerweile 80 Aktionäre, die als Geldgeber agieren. Viele davon sind Konkurrenten. Wie kann man so viele verschiedene Interessen bündeln und sich einigen?

Daniel Wiener: Ein Teil des Ansatzes ist tatsächlich die Zusammenarbeit zwischen Konkurrenten. Ich war von Anfang an darum bemüht, aus jeder Branche mehrere Unternehmen zu interessieren. Als ich ein großes Elektrizitäts-Unternehmen an Bord hatte, suchte ich sofort ein Zweites. Im Einzelhandel waren von Anfang an Konkurrenten mit dabei. Das ist bei Projekten selten, denn oft will jeder der Platzhirsch sein. Hier hat die Problemstellung, die allein nicht bewältigbar war und die Zukunftsträchtigkeit sie geeint. Es war insgesamt eine sehr freudvolle Erfahrung. Natürlich mit vielen Detail-Diskussionen, die man immer wieder führen musste. Aber unter dem Strich ist es eine Zusammenarbeit einer großen Gruppe von Menschen, die sich inzwischen als Community sehen.

CArgo sous terrain gesamtsystem

Oft scheitern visionäre Projekte an der Legislative. Das Projekt hat eine neue Gesetzgebung veranlasst. Wie habt ihr das geschafft?

Daniel Wiener: Es war eine lange Übung. Doch das Parlament hat uns ein Gesetz gegeben. Es heißt: „Gesetz über den unterirdischen Gütertransport“. Speziell für dieses Projekt haben wir jetzt die rechtliche Sicherheit bauen zu können, ohne zu viele Einsprachen von Anlegern und oberirdischen Landbesitzern. Natürlich hat die Größe des Projekts, die wirtschaftlichen Vorteile und der nachhaltige Ansatz geholfen. Außerdem ist man in der Schweiz, wie in Österreich versessen darauf, die Landschaft nicht zu verschandeln. Die Landschaft ist ein sehr hohes öffentliches Gut.
Mit diesem Gesetz sind wir ähnlich einer Eisenbahn. Anerkannt vom Staat, aber ohne staatliches Geld.

Fast ‚too good to be true‘. Gab es keine Gegenstimmen, die den Ausbau der Bahn oder Autobahn propagierten?

Daniel Wiener: Natürlich gibt es Kritiker. Es gibt Leute, die fragen, warum wir nicht die Schiene und die Straße effizienter bewirtschaften können. Die meinen, wir könnten mithilfe der Digitalisierung öfter Züge fahren lassen. Oder, die fragen, warum man nicht in Zukunft wasserstoffangetriebene LKW verwendet. Und noch viele mehr. Aber es löst das Problem nicht. Denn LKW verstopfen die Straße trotzdem und zerstören sie auch. Ein Lastwagen nützt die Straße so stark ab wie 4.000 PWK.
Bei Zügen gibt es tatsächlich Potenzial zur Effizienzsteigerung. Aber in die Waggons werden große Mengen geliefert. Der Bedarf des Marktes ist es aber keine Lager mehr zu halten. Die Güter müssen direkt geliefert werden. Direkt heißt aber kleinteilig und just-in-time. Dafür ist der Zug nicht geeignet. Er ist gut für eine Wagenladung Mineralwasser oder eine Wagenladung Kies. Das machen wir auch nicht. Obwohl sogar Kies in der Stadt kann mit Cargo Sous Terrain Fahrzeugen ausgeliefert werden, weil wir mit kleinen Mengen, die den Tagesbedarf der Baustellen beliefern können.

Wir lösen viele dieser Themen, aber wir müssen uns diesen Fragen auch stellen. Die Kritiker sind in dem Sinne meine besten Mitarbeiter. Als Head of Investor Relations bin ich dafür verantwortlich, dass die Investoren tatsächlich auch die Rendite bekommen, die sie erwarten. Deshalb habe ich die Verantwortung, alle Kritikpunkte genau anzuschauen. Ich präsentiere den Business Case immer risikoorientiert. Wenn ich mit neuen Investoren spreche, erzähle ich nur über die Risiken. Sie müssen im Verhältnis zu der Rendite stehen. Wenn es keine Risiken gäbe, gäbe es auch keine Rendite. Beim Managen der Risiken sind die Kritiker wichtig, weil sie uns immer wieder darauf hinweisen, wo wir noch Fortschritte machen müssen. So ist das Projekt durch den Dialog mit außen entstanden. Viele, auch kleine Innovationen, die wir in dem System haben, kamen aus diesem Dialog.

Als Gesamtkosten für den Bau der ersten Teilstrecke von Härkingen-Niederbipp nach Zürich, inklusive Software, Hubs sowie unter- und oberirdische Fahrzeuge (für die Citylogistik) sind CHF 3,7 Milliarden veranschlagt. Insgesamt wird das Projekt CHF 30 Milliarden kosten. Eine große Summe, wieso ist es dennoch ein attraktives Business Modell?

Daniel Wiener: Wir bauen Land, daher sind die Baukosten für CST niedrig und nicht hoch. Das Land, das wir unter der Erde schaffen, gehört uns danach. Das bedeutet, anstatt für ein Lagerhaus oben Miete zu zahlen, besitzen wir dieses Lagerhaus unterirdisch und zahlen keine Miete. Wenn es fertig gebaut ist, müssen nur die technischen Kosten abgeschrieben werden. Aus unserer Sicht hält es 100 Jahre, auf dem im Finanzplan rechnen wir mit 40 Jahren, einfach um nicht zu übertreiben. Auf lange Sicht sind die ausbleibenden Lagerkosten, die neuen nachhaltigen, logistischen Möglichkeiten und natürlich der Wegfall der LKW-Maut, schon günstiger, als weiterzumachen wie bisher.

Für uns war vor vielen Jahren schon klar, dass wir nur erneuerbare Energie, die wir selbst produzieren, Solaranlagen und Windkraftanlagen benützen werden. Wir arbeiten mit Aktionären, die auch Kraftwerksbetreiber sind, um die nötige Kapazität aufzubauen, um unseren Energiebedarf decken zu können.

Strecke Cargo Sous Terrain

Die Expertise, die ihr in so vielen Gebieten aufgebaut habt, ist enorm. Die Planung und Umsetzung einer völlig neuen Logistiklösung, die komplett mit erneuerbarer Energie betrieben wird, es sind diverse, bahnbrechende Innovationen enthalten und nicht zuletzt hat man es geschafft mannigfaltige Interessen zu einen und eine Finanzierung zu finden. Gibt es Pläne, diese Art von Infrastrukturlösung auch anderen Ländern anzubieten?

Daniel Wiener: Wir sind stark an der Lösung der Problemstellung und ihrer Umsetzung orientiert und keine Wissenschaftler. Das bedeutet, dass wir alle Abzweigungen, die in Richtung, Forschung und Entwicklung gehen, denen überlassen, die das wollen. Wir haben Anfragen aus Wien, Shanghai, Nairobi und verschiedenen Städten in den USA. Wir pflegen hier gerne den Dialog und wir helfen auch gerne, aber erst ab dem Spatenstich 2026, wenn wir wissen, es ist alles finanziert und funktioniert. Dann können eine wirkliche Innovation bieten. Es besteht schon jetzt Interesse, das finde ich auch sehr schön. Eine richtige Zusammenarbeit kommt gerne später, wenn wir den Umsetzungsbeweis haben.

About Daniel Wiener:
Daniel ist Mitglied des Verwaltungsrats und Chief Financial Officer der Schweizer Logistik-Infrastrukturplattform Cargo Sous Terrain (CST).  Er ist Gründer und Präsident der Global Infrastructure Basel Foundation (GIB), die sich seit 2009 für eine nachhaltige und belastbare Infrastrukturfinanzierung einsetzt. Die GIB ist die Herausgeberin des weltweit anerkannten, unabhängigen SuRe®-Standards für nachhaltige und belastbare Infrastrukturen. Zusätzlich zu seinen Aufgaben bei der GIB war er 1986 Gründer und bis vor drei Jahren Vorsitzender von ecos, dem führenden internationalen Beratungsunternehmen für wirtschaftliche, soziale und ökologische nachhaltige Entwicklung mit Sitz in Basel. Seit 1987 unterstützt ecos Unternehmen, öffentliche Institutionen, Verbände, Gemeinden und nationale Regierungen bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien, Innovationen und Projekten zur nachhaltigen Entwicklung. Daniel lebt in Basel und war als Berater für Städte, die Weltbank, die C40 Cities Climate Leadership Group und für Infrastrukturinvestoren in den Bereichen öffentliche Beteiligung, Kommunikation, Kohlenstoff- und Klimafinanzierung sowie nachhaltige Infrastrukturfinanzierung tätig. Er ist ein erfahrener Journalist, Moderator, Buchautor, Stadtplaner und Ökologe mit mehr als 40 Jahren Erfahrung in diesen Bereichen. Daniel Wiener ist ein Pionier auf dem Gebiet des Socially Responsible Investing (SRI).