Beatrice Achaleke / Founder, CEO Diversityleadership/
Autorin: Erfolgsfaktor kulturelle Vielfalt
TF: Was werden Deiner Meinung nach die wichtigsten Veränderungen in unserer Arbeitswelt in den nächsten 10 Jahren sein?
Wenn wir derzeit an Arbeit denken, geht es überwiegend darum, irgendwo tätig zu sein und mit dieser Tätigkeit den Lebensunterhalt zu verdienen.
Ich denke, dass die Veränderung schon damit anfangt, dass wir das Thema Arbeit grundsätzlich hinterfragen: Was bedeutet Arbeit überhaupt? Ist Arbeit etwas mit dem ich mein Geld verdiene? Oder es ist etwas, das auch ohne finanzielle Anerkennung stattfindet?
Wir wissen, dass Arbeit bis jetzt, beispielsweise aus der Gender Perspektive, nicht unbedingt an finanzielle Anerkennung gebunden ist. Was man im Haushalt tut, ist bis lang keine Arbeit gewesen.
Dahingehend gibt es für mich eine neue Definition im Verständnis für Arbeit.
Zusätzlich leben wir in einer Zeit, in der auch die technologische Entwicklung uns dazu anhält umzudenken und unsere Wahrnehmung im Verständnis von Arbeit anzupassen.
Auch die Arbeit als Führungskraft wird sich verändern, weil der Arbeitsplatz immer bunter wird, es werden mehrere Generationen zusammenarbeiten, verschiedene Kulturen, Personen verschiedener sexuelle Orientierung oder Menschen mit Behinderung. Man sieht, dass die Arbeitswelt in Bewegung ist. Die Vermischung neuer Kräfte und neuer Menschen, die Arbeit anders wahrnehmen und verrichten, trägt zu einem Umdenken bei.
TF: Was sind die Herausforderungen, die auf uns zukommen in dieser veränderten Arbeitswelt?
Ich denke, als erstes wird man klar definieren müssen: Was ist Arbeit für mich?
Wenn man das definiert hat, wird man sich darüber klar werden, was das für die eigene Sparte und den eigenen Betrieb bedeutet. Diese Definition ist notwendig um das Konkurrenzumfeld zu überblicken und die Differenzierung von eben dieser Konkurrenz umzusetzen.
Eine weitere Frage wird sein:
Wen brauche ich um tatsächlich in meiner Sparte den feinen Unterschied zu machen?
Hier kann ich auf drei Bereiche herunterbrechen:
– Welches Team brauche ich?
– Welche Kunden brauche ich?
– Welche Kooperationen und Partner brauche ich?
Die zukünftige Arbeitsweise muss, meiner Empfindung nach, auf Partnerschaft ausgerichtet sein, denn die Ressourcen werden immer geringer und man muss sparsam arbeiten. Sparsam arbeiten bedeutet, dass man kooperiert um Kosten zu sparen, aber auch um die höchste Effektivität zu erlangen. Das heisst: wir werden gezwungen sein aus unseren Komfortzonen herauszutreten und uns neue Gewohnheiten anzueignen. Diese Gewohnheiten werden uns eben dahinführen zu verstehen, dass Arbeit die Komponente der finanziellen Anerkennung hat, aber auch einen Mehrwert enthält. Klarheit über den persönlichen Mehrwert, den Mehrwert meiner Kunden und den Mehrwert meiner Partner, wird den Unterschied in Konkurrenzumfeld machen.
Auch Leadership wird neu gedacht werden. Die Personen, die wir an unserem Arbeitsplatz vorfinden werden immer vielfältiger. Hier Anpassungen vorzunehmen ist keine Option mehr sondern absolute Notwendigkeit.
Warum? Wir sehen, dass Kulturen immer näher zusammenrücken, man kann gar keine Grenzen mehr setzen. Wir sehen das auch an der Kernstruktur der Familien. Wir sehen neue Familienformen entstehen, Patchwork-Familien, gleichgeschlechtliche Familien, Generationenfamilien oder interkulturelle Familien. Kinder, die in diese Familien geboren werden, haben eine andere Wahrnehmung bzw. Bezug zur Arbeit ebenso wie andere Erwartungen an Arbeit und Führung. Dazu kommt die Mobilität, die die Technologie ermöglicht und die verstärkte Konkurrenz sowohl im Internet, aber auch im lokalen Vergleich.
Das heißt, wir müssen uns überlegen: Welche Rolle möchte ich auf diesem Spielfeld bewusst einnehmen? Welche Spielregeln braucht es, damit ich für alle – Partner, Lieferanten, Klienten und Mitarbeiter – attraktiv bin?
Wenn Ressourcen geringer werden und die Mobilität steigt, ist es wichtig, dass man sich darüber klar ist, wie das Kernziel aussehen soll. Die demographische Veränderung ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Bis 2060 werden über 60% der Bevölkerung Europas über 65 Jahre alt sein. Das heißt, es gibt eine Verschiebung im Konsumverhalten. DienstleisterInnen und ProduktherstellerInnen müssen sich schon heute die Fragen stellen:
Wie schaffe ich den Sprung dahin, um meine Produkte für diese neu heranwachsende Konsumentengruppe zu optimieren?
Welche neuen Dienstleistungen werden erforderlich sein? Welche Produkte werden gefragt sein und wie erreicht man diese Zielgruppe?
Die Auseinandersetzung mit diesen Themen und deren Ausarbeitung und Lösung sind für mich eine Reihe von spannenden Veränderungen, die in den nächsten 10 Jahren auf uns zu kommen werden.
TF: Was sind die größten Chancen, die sich uns in der veränderten Arbeitswelt bieten?
Die größte Chance ist die Flexibilität. Wobei in dieser Flexibilität wieder ein gewisses Risiko lauert, aber die Chance wird darin sein, wie smart bzw. bereit und fähig wir sind und wie schnell wir aus scheinbar schwierigen Situationen, die Chancen und Möglichkeiten herauslesen. Was ist die Lektion darin? Wie schnell und bereit sind wir ein bestimmtes Risiko einzugehen und dieses auch als Lernprozess bzw. als Sprungbrett zu sehen oder als Gelegenheit eine Einstellung zu ändern und nicht gleich zu blockieren. Wie bereit sind wir Fehler nicht als schlechte Eigenschaften sondern als Möglichkeit zu lernen wahrzunehmen?
Das heißt: die Chancen sind da, wir haben aber immer mehr Auswahl. Die Flexibilität macht unser Arbeitsumfeld komplex, aber genau in dieser Komplexität ist die Innovation und die Chance für diejenigen, die bereit sind nicht lange zu denken, sondern „smart“ zu handeln.
Eine weitere Chance, die wir haben, ist die Fähigkeit Zusammenhänge zu finden und zu analysieren um in der Lage zu sein zu kooperieren.
Die Kraft des “Wir” wird in den Vordergrund treten. Wir erleben das ja jetzt bereits, ob im Team, im Kundenkreis oder in einer persönlichen Beziehung – im „Wir“ ist viel mehr enthalten als im „Ich“.
Aber um auf ein vernünftiges „Wir“ zu kommen, müssen wir zuerst einmal ein „Ich“ können.
Hier beziehe ich mich einerseits auf meine afrikanische Lebensphilosophie der Ubuntu welche wiederum anknüpft an Stephen R. Covey und sein Buch „The 7 habits of highly effective people“. Seiner Meinung nach sind wir am effektivsten, wenn wir die Interdependency Ebene erreicht haben: Die Erkenntnis, dass ich am erfolgreichsten bin, wenn ich mit anderen kooperiere. Ubuntu, wurde von Rev. Desmond Tutu in der Versöhnungsprozess nach der Apartheid in Südafrika mit großen Erfolg angewendet. In mein Buch „Erfolgsfaktor kulturelle Vielfalt Andere Menschen, Bessere Teams. Neue Kunden“ (Verlag diaspora edition, Sept. 2013) habe ich das Prinzip von Ubuntu näher beleuchtet. Sowohl Ubuntu als auch Steven Coveys Prinzipien basieren auf dem Verständnis, das wir von einander wechselseitig abhängig sind und am besten arbeiten, wenn es uns gelingt diese wechselseitige Abhängikeit als Win-Win Prozess zu gestalten.
Als Unternehmer brauche Mitarbeiter und Kunden sowie Partner und Lieferanten. Alleine schaffe ich es nicht. Ich bin langfristig am erfolgreichsten, wenn ich nur dann handle, wenn es ein “win-win” gibt.
Da schließt sich dieser amerikanische Gedanke an einen afrikanischen Gedanken an, der sagt: “Ich bin, weil wir sind.” Wir bedienen einander. Ob jetzt als Unternehmen: Ich bin ein guter Unternehmer, wenn ich gute Kunden oder gute Mitarbeiter habe und umgekehrt. Ich bin eine gute Mutter, wenn ich gute Kinder habe und umgekehrt, ich bin eine gute Freundin, wenn ich jemanden habe, der mit mir befreundet ist, etc…
Ich denke, dass unternehmerisches Handeln anhand dieser Philosphie in Zukunft unumgänglich sein wird, da wir nur in der Zusammenarbeit erfolgreich sein werden.
TF: Hast Du eine persönliche Vision?
Meine Vision ist eine Welt in der Menschen nicht aufgrund ihrer Herkunft, ihres Aussehens, des Alters, ihrer sexuelle Orientierung, ihrer Eltern oder ihrer Religion ausgeschlossen werden. Eine Welt in der man sagt: Wir sind verschieden, gerade deshalb gehören wir zusammen um einander wechselseitig und langfrisitg bereichern zu können. Denn genau in unserem Unterschied liegt die Stärke, denn wir können es uns in Zukunft nicht leisten auf den Beitrag von einem einzelnen zu verzichten. Ob unser Beitrag jetzt im Sinne der Gedanken, der Fertigkeiten, im Sinne von Knowhow oder Hintergründen besteht – all dieses Punkte werden noch weiter an Wichtigkeit gewinnen. Meine Welt ist eine in der jeder einen Platz hat.