Meral Akin-Hecke/Digitalks Gründerin

 

TF: Hat eine veränderte Arbeitswelt beeinflusst, dass Du Dein Berufsleben verändert hast? Oder hast Du einfach diese veränderte Arbeitswelt wahrgenommen?

Die Berufe, in denen ich gearbeitet habe, konnte ich nicht so schnell ändern und dadurch habe ich mich selbstständig gemacht, um genau so zu arbeiten, wie die Arbeit mir Spass macht. Das war 2004, seither ist natürlich sehr viel passiert.

Ich kann beobachten, dass die Corporates, die eingesessenen Unternehmen sich nach außen öffnen, ihre Arbeitsweisen ändern und Teams anders zusammenstellen. Vieles passiert durch die Start-up Generation, die einfach Neues aufbauen möchte und sich somit in kleinen Teams zusammensetzt. Durch deren Erfolg oder durch deren produktive Arbeitsweise kommen viele Trends in die klassische Unternehmensausrichtung.

Ich glaube schon, dass sich Unternehmen institutionalisierten, Corporates sich natürlich immer wieder neu orientieren müssen, selbst Gedanken machen und auch viel von außen lernen. Wie schnell die Umsetzung erfolgt, hängt dann von der Unternehmenskultur ab.

Manche, auch amerikanische Unternehmen, sind vielleicht ein bisschen schneller in der Umsetzung. Sie nehmen die Veränderung in Teilen der  Firma vor und nicht durchgehend.

TF: Hast Du ein Beispiel für so ein Unternehmens?

Also „IBM“ nimmt zum Beispiel eine Idee und sagt: „Eine Abteilung oder ein bestimmter Arbeitsprozess, der vielleicht auch über mehrere Abteilungen geht, wird eben anders gestaltet als früher.“
Zum Beispiel die Ideengenerierung, die Art wie Teams zusammengesetzt werden und das HInzufügen von externen Ressourcen. Vielleicht ist das ganze Unternehmen noch nicht so weit, dass sie ihre gesamten Arbeitsabläufe auf diese neue Art erledigen, aber nach außen wirken es moderner und fortgeschrittener.
Dagegen spielen sich österreichische oder deutsche Unternehmen mehr mit dem Gedanken wie man diese Ansätze umsetzt und der Prozess des Übergangs dauert länger.

Die grösste Veränderung ist, dass sich die Hierarchien ändern. Dass Menschen auch in unterschiedlichen Hierarchien wieder anders zusammenarbeiten können.
Also, ich denke schon, dass in der zukünftigen Arbeitswelt, dadurch, dass mehr projektbezogen gearbeitet wird, dass auch externe Inputs und Quellen dazu genommen und zugelassen werden, sich auch die Unternehmenskulturen verändern werden.Die Arbeitsweise wird durch die unterschiedliche Zusammensetzung der Teams viel dynamischer, dadurch ergeben sich andere Denkweisen und neue Arbeitsmöglichkeiten, die das Unternehmen früher nicht hatte oder nicht kannte.
Ich denke, dass die technologisches Veränderung, z.b. arbeiten mit Mobiltelefon von überall oder via Videokonferencecall oder auch gemeinsam eine Datei bearbeiten, dass diese Veränderung die Sichtweise der Beteiligten auf ihre Arbeit ändert.
Einer der ersten Gründe, warum ich mich selbstständig machen wollte, war um mit unterschiedlichen Firmen und Institutionen zu arbeiten. Ich wollte einfach nicht mehr nur für eine Firma arbeiten und ich wollte Dinge tun, die nicht zu meinem Beruf unbedingt direkt passen.

TF: Hast Du ein Beispiel für Dinge, die nicht unbedingt zu Deinem Beruf passen?

Z.B.: Digitalks…  Digitalks habe ich als Idee gehabt, aber als Initiative gegründet. Ich wollte nicht nur eine Consulting Firma gründen, ich wollte auch etwas machen, das ganz anders ist. In meiner Angestelltenzeit war ich nicht so „der Unternehmer“. Etwas Neues einführen war zwar immer Teil meiner Arbeit, aber das habe ich immer im Rahmen eines Auftrags gemacht.
Digitalks, war das erste, von dem ich gesagt habe „ Das muss ich machen!“ Ich hatte die Idee und ich habe gesagt, ich sehe die Möglichkeit sowas jetzt zu machen und ich sehe mich auch als die Person, die es machen kann. Ich kann so viel Zeit aufbringen, so viel Kraft aufbringen. Ich kann Menschen finden, die das gemeinsam mit mir realisieren. Das war ein Teil von meinem neuen Dasein, als Unternehmerin. Aber das war der Teil, das eben nicht gewinnbringend war, weil eine Initiative für alle offen sein soll. Es soll kostenlos sein. Ich sorge dafür, dass es möglich ist mit Sponsoren mit Fördergeldern, usw.. Denn es soll das Wissen online an viele weitergeben werden.

TF: Sind die technologischen Errungenschaften eine der großen Herausforderungen in Deiner veränderten Arbeitswelt?

Ja, aber die technologischen Errungenschaften sind auch nicht immer die Lösung. Wir müssen auch damit leben lernen und auch vielleicht optimieren. Nur weil es Handys gibt, muss ich nicht 24h erreichbar sein.
Firmen entscheiden mittlerweile, dass die MitarbeiterInnen ihre Handys nach sieben Uhr abdrehen sollen, damit sie keine Geschäftscalls mehr empfangen oder E-Mails bearbeiten. Es ist schwierig, die Balance zu halten, zwischen einerseits der Flexibilität, die gewünscht und möglich ist, aber genau diese Flexibilität hindert manche an einem guten Leben. Dennoch ist es genau das, was wir uns eigentlich erarbeiten sollten. Flexibilität und Effizienz. Die Arbeit zu welcher Zeit man will, aber auch mit so wenig administrativem Aufwand wie notwendig. Ich meine hier ganz gezielt die Emailflut und endlose Nachbearbeitung von Meetings.

Manche Unternehmen, wie Google z.B., verwenden und vermarkten diese Tools ja auch bereits. Diese Tools sind duchaus sinnvoll, denn es  soll nicht noch einmal zehn E-Mails nach einem Team-Meeting geben. Die Menschen sollen wissen, was sie tun, es tun und dort updaten.

Wir müssen lernen anders zu dokumentieren und unsere Zusagen oder die Abnahme von etwas, z.B. Reports, aber auch Überweisungen, Anmeldelisten, usw.. vereinfachen. Dafür braucht es nicht 10 Emails. Wir müssen von dieser, eigentlich ineffizienten Art und Weise weg kommen. Weil es mittlerweile viel besser möglich ist. Nur der Weg dorthin ist ein Lernprozess, der natürlich nicht in einem Buch steht.

TF: Was sind Deiner Meinung nach die größten Veränderungen, die in den nächsten fünf bis zehn Jahren arbeitstechnisch auf uns zu kommen?

Ich sehe oder ich wünsche mir, dass die Richtung, die jetzt eingeschlagen ist, weiterverfolgt wird – die Dynamisierung des Arbeitslebens. Das betrifft auch die Karrierepfade. Alles wird viel flexibler sein müssen, vielleicht wird es Anstellungen in der klassischen Form gar nicht mehr geben. Oder die Anstellungen werden sich ändern, die Zusammensetzung von Firmen wird anders sein.

Ich bin dafür, dass wir nicht mehr die fünf-Tage-Woche haben, sondern, dass wir einfach flexibel arbeiten. Auf der einen Seite haben wir ein immer weiter steigendes Pensionsantrittalter, auf der anderen Seite gibt es die Jugendarbeitslosigkeit. Wir müssen es unter einem Hut zu bringen, dass beide ein Arbeitsleben haben. Deswegen denke ich, muss es so sein, dass alle viel weniger arbeiten, aber jeder einen Job hat.

TF: Was glaubst Du sind die größten Chancen in einer veränderten Arbeitswelt?

„Work-Life-Balance“.  Es gibt so viele Berufssparten, z.B. im Pflege- oder Erziehungsbereich, wo die Personen einfach aufgrund der Arbeitslast überfordert sind.

Wir verlangen immer mehr von einer Arbeitskraft, obwohl diese Arbeit mehrere Personen machen könnten. Der Grund ist, das unser System, das eben so vorgesehen hat. Wenn diese Menschen aber krank werden und das werden sie auch, müssen sie wieder vom System erhalten werden. Auf der anderen Seite gibt es Personen, die keinen Job finden oder in keine Jobs hineinpassen, weil sie etwas anderes gelernt haben. Sie sind auf die Sozialhilfe angewiesen und wiederum nicht am Arbeitsmarkt beteiligt. Irgendwie müssen wir es schaffen, dass es viel mehr Menschen gut geht. Ich denke, dass man sich mit den neuen Arbeitsweisen oder mit der Art wie Teams zusammengesetzt werden,  auch von woanders Arbeitsmärkten beteiligen kann. Sei es im Ausland, sei es in anderen Städten, in gleichen Land. Das gilt sicher nicht für alle Berufe, aber es gibt viele Jobs, die anders gestaltet werden können.

TF: Welches sind die größten Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen?

Ich sehe eine Herausforderung am globalen Markt. Das betrifft jetzt nicht die durch Technologien veränderte Arbeitswelt, sondern die Tatsache, dass wir nicht mit den gleichen Mitteln spielen. Weil wir uns in Europa viel mehr Auflagen erteilen und Menschengerechter arbeiten wollen, aber viele andere Länder das so nicht tun. Das ist die Herausforderung – wie besteht man in so einem Markt, der mit anderen Spielregeln spielt? An dem wir uns eben so nicht beteiligen wollen, wie z.B. die Türkei, China oder Indien. wir verlegen aus Kostengründen dorthin die Produktion, aber dort werden die Arbeitskräfte ausgebeutet, es gibt keine Sicherheit, keine Pensionsversicherung, Krankenversicherung, Urlaubszeiten, Arbeitnehmerrechte, usw..
Wenn sich nun die Unternehmensstrukturen ändern, wenn es mehr Selbstständige gibt, die sich an verschiedenen Projekten und Unternehmensagenden beteiligen, wie ist die Zusammenarbeit dann mit ausländischen Firmen oder wie viele Sicherheiten haben wir? Oder wie viele Rechte? Müssen wir uns dann einem Markt unterwerfen, der gar nicht unseren Wünschen entspricht?

Es kommen Dinge auf uns zu, die wir gar nicht beeinflussen können. Aber wir können nichts herrausnehmen und sagen „Das ist eine andere Welt“. Es gibt nur eine Welt.

TF:  Hast du eine Vision von einer Arbeitswelt?

Wenn ich das mit einem Satz sagen kann: Eine nicht krankmachende Arbeitswelt … das wäre mein Wunsch. Dass Menschen mit Freude arbeiten gehen und das Arbeit eigentlich nicht als Pflicht gesehen wird, sondern „Berufung“. „Weil ich das machen will“. Diese Flexibilität soll auch ermöglichen, dass wir mehreren Aufgaben nachgehen, die dann insgesamt die Arbeit ausmachen, Teile davon sind vielleicht als Pflicht erachtet, aber dafür gibt es andere Teile, die die Berufung sind.
Da gehört auch die Familie und die Erziehung dazu. Ich sehe, dass wir viel mehr gesellschaftliche Aufgaben als Arbeit erachten sollten. Aufgaben, die vielmehr von Frauen gemacht werden, wie, Kindererziehung, Haushalt und Altenpflege. Früher wurde das in der Gesellschaft einfach mitgetragen, jetzt haben wir mehr Individualisten, jeder, jede sorgt nur für sich und nicht für die Gesellschaft. Ich will mich auch für meine Nachbarn irgendwie einbringen, wenn sie alleine sind, vielleicht ab und zu für die einkaufen gehen, sie zum Arzt begleiten oder ein Medikament holen. Ich sehe keine Isolation durch die Digitalisierung. Im Gegenteil, ich kann über die Digitalisierung mit Verwandten in Kontakt bleiben, die ganz alleine in ihren Wohnungen sind. Ich kann jeden Tag mit ihnen fünf Minuten reden, das ist für sie Lebensfreude und hilft ihnen. Wenn fünf Leute pro Tag mit ihnen reden, habe sie einen ganzen vollen Tag. Wir müssen es nur tun.