Veronika Pelikan/Geschäftsführerin Pelikan Publishing

TF: Wie hat sich die Arbeitswelt verändert, seitdem Du begonnen hast zu arbeiten und wie hat sich Dein eigenes Arbeiten verändert?

Zu Zeiten meiner Eltern war es so, dass man nach fertiger Ausbildung in ein Unternehmen gegangen ist und am besten bis zur Pensionierung dortgeblieben ist. Das war ein Zeichen von Erfolg und Stabilität. Und es war eigentlich auch der Normalfall. Davon sind wir heute sehr sehr weit entfernt.
Wir sind in einer Situation, wo man immer wieder neue Karrieren anfängt und auch anfangen muss. Das ändert die Anforderungen an den/die Einzelne ganz maßgeblich. Die Anstellung ist nicht mehr der Regelfall, es gibt sehr viele Arten von atypischen und freien Arbeitsverhältnissen. Und immer mehr Menschen sind selbständig, sind UnternehmerInnen. Früher hat man sich unter dem Unternehmer jemanden vorgestellt, der eine Firma leitet, eine Limousine fährt und eine dicke Zigarre raucht. Das hat mit heute überhaupt nichts mehr zu tun.

Die Unternehmen, die Österreich wirtschaftlich tragen, sind Einzel- oder Kleinunternehmen – Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern machen mehr als 90 Prozent aller Österreichischen Unternehmen aus.
Dazu kommt die zunehmende Spezialisierung in der Arbeitswelt. Heute leben wir in einer sehr vernetzten Welt, in der man die Internetthematik miteinbeziehen muss. Wenn ich z.B. ein kleines Bekleidungsgeschäft habe, habe ich zusätzliche Konkurrenz aus dem Internet. Ich muss viel mehr Werbung machen als früher. Ich muss mich darstellen, ich muss mit neuen Medien umgehen können. Und ich muss mit komplexeren Rahmenbedingungen umgehen können. Eigentlich bräuchte ich das, was jeder Angestellte in einer Führungsposition zur Verfügung hat: eine IT-Abteilung , eine Rechtsabteilung, eine Marketingabteilung, die Buchhaltung usw. Das hat der Einzelunternehmer aber nicht. Er hat jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder, er verzettelt sich unglaublich und versucht, alles selber zu machen, oder er schließt sich zu kleinen Netzwerken zusammen. Letzteres sehe ich zunehmend – und finde es sehr spannend.

TF: Was sind Deiner Meinung nach die größten Veränderungen, die auf uns zukommen werden in den nächsten zehn Jahren?

Ich glaube, dass diese starke Differenzierung zwischen Angestellten mit allen Rechten und atypisch Beschäftigten mit überhaupt keinen Rechten nicht aufrechtzuerhalten sein wird. Man sieht jetzt schon, dass z.B. die Sozialversicherungen neue Regelungen entwickeln, die vor allem auf die Absicherungen von Einzel- und Kleinstunternehmen abzielen. Und gleichzeitig wird auf den Angestelltensektor starker Druck ausgeübt.
Man muss sich bewusst sein, dass ein 9to5 Job nicht mehr die Regel sein wird. Ich glaube auch, dass die Vernetzung der Einzelnen ein Trend ist, der sich fortsetzen wird. Mittlerweile hat jeder die elektronischen Mittel dazu. Das Internet macht unser Leben zwar komplexer und schneller, aber es bietet auch unglaubliche Vorteile, wenn es darum geht uns zu vernetzen.

TF:  Was sind die größten Chancen, die sich uns durch diese veränderte Arbeitswelt bieten?

Beweglichkeit im Kopf. Aufträge, wo jemand ganz genau sagt, was er will, werden seltener werden.  Wir werden zunehmend Lösungen für unterschiedliche Aufgabenstellungen anbieten müssen. Und diese Beweglichkeit, die uns abgefordert ist, es ist auch eine Chance. Es wird sehr viel Kreativität frei, wenn wir es zulassen. Und ich glaube auch, dass die Vernetzung dazu beitragen kann eine Gesellschaft, die in den letzten Jahren sehr kalt geworden ist, weil das Geld sehr stark im Vordergrund gestanden ist, wieder etwas wärmer werden zu lassen. Weil wir erkennen, dass wir mehr zusammenrücken müssen um zu überleben. Das geht nur, wenn man sich gegenseitig hilft, dass man auch vorankommt. Diese Ellbogengesellschaft, in der wir derzeit leben, kann wieder ein bisschen humaner werden.

TF: Was sind die größten Herausforderungen, die auf uns zukommen werden?

Die Integration von älteren Menschen in den Arbeitsprozess wird eine große Herausforderung sein. Ich sehe das sehr positiv, weil ich glaube, dass ältere, arbeitende Menschen einen grossen Erfahrungsschatz haben. Im besten Fall haben sie gelernt aufmerksam zu sein und bringen dies auch mit ein. Ein wesentliches Thema ist die Arbeitslosigkeit an sich. Wenn ich mich in Europa umschaue, vor allem in Südeuropa, und sehe, wie viele junge Menschen erwerbslos sind und wie es denen damit geht, dann wird mir ganz schwindelig. Wenn hier nicht gegengesteuert wird, führt das zu furchtbaren Unruhen und destabilisiert ganz Europa.

TF: Du bist gerade dabei ein neues Projekt auf die Beine zu stellen, hast du eine Vision?

Die Vision besteht darin, einzelnen UnternehmerInnen Mut zu machen. Wenn man heute die gängigen Wirtschaftsmedien anschaut, da kommen tolle CEO´s von multinationalen Gruppen vor und führende Angestellte von großen Unternehmen. Aber das ist nicht das, was die österreichische Wirtschaft ausmacht. Es geht vielmehr um den Einzelnen. Der braucht gute Vorbilder und er braucht Hilfe, die für ihn maßgeschneidert ist. Es fehlen anwendbare Tipps, gute Ratschläge und vor allem lebbare Vorbilder.

Als ich noch bei der „Wienerin“ war, haben wir einmal eine Geschichte über Frauen gemacht, die – nachdem die Kinder groß wurden oder über Nacht, weil der Mann krank wurde –  ein Geschäft übernommen oder aufgezogen haben. Und ich muss sagen, diese Geschichte macht mir heute noch Mut. Die waren alle im vorgerückten Alter und sagten trotzdem „Okay, ich probiere es, ich schmeiß mich hinein“. Solche Vorbilder sind wahnsinnig wichtig. Menschen wollen sich mit ihresgleichen identifizieren und sehen können „Das scheint realistisch zu sein, ich probiere es auch einmal“.

TF: Hast du ein Statement?

Man soll sich nicht deprimieren lassen. Auch wenn man immer hört, dass es der Wirtschaft nicht gut geht. Man soll sich auf seine Kreativität und sein Gespür verlassen. Und wenn man aufmerksam ist und die Augen offen hält, sieht man, wo etwas gebraucht wird. Mir kommen oft Ideen, wenn ich etwas recherchiere oder wenn ich gerade etwas brauchen würde und draufkomme: Das gibt es noch nicht. Ich denke mir dann: Wenn mir das als Unternehmerin fehlt, kann es auch jemand anderem nützlich sein.