Dr. Sabine M. Fischer /
Inhaberin von SYMFONY Consulting und
Women Talk Business® Initiatorin

 

TF: Was hat Sie dazu bewegt, Women Talk Business® ins Leben zu rufen?

Während meiner ganzen Berufstätigkeit seit Ende der 1980er Jahre beobachte ich die Schwierigkeiten von Frauen in Entscheider-Positionen zu kommen und die geringe öffentliche Präsenz von Frauen bei wirtschafts- und technikbezogenen Themen.

Das hat mich zu der Idee geführt, eine Veranstaltung zu entwickeln, die Fach-Frauen ins Rampenlicht bringt und Karriere- und Managementthemen – also bis heute männlich dominierte Themen – unter der Perspektive von Frauen zeigt. Dabei sind Männer für mich ganz wichtige Gesprächspartner, von denen wir viel lernen können.

So ist 2004 „Women Talk Business®“ entstanden, wo Frauen und Männer gemeinsam, aber mit starker Frauenpräsenz wichtige Führungs- und Karriere-Themen diskutieren. Sehr bewusst habe ich von Anfang an Frauen- und Männernetzwerke dazu eingeladen.

Ich sorge für ein entsprechendes Sponsoring durch Unternehmen und Organisationen, damit die Veranstaltungen in einem gehobenen Ambiente stattfinden können. Denn auch für Unternehmen  es von Vorteil, wenn sie sich als Gastgeber bei der Zielgruppe der Frauen präsentieren können. Sie haben dadurch die Möglichkeit, bei dieser Zielgruppe – immerhin 52% der Bevölkerung! – Werbung zu machen und potentielle MitarbeiterInnen kennenzulernen.

Durch die Unternehmen und die Medienpartner – „Kurier“, „Standard“, „Format“, „Wiener Zeitung“, „Das Training Magazin“, das online Magazin „Wien konkret“ – können die Veranstaltungen kostenfrei besucht werden. So schaffen wir auch einen wirklich interessanten Mix bei den TeilnehmerInnen:

Es kommen Studentinnen und Unternehmerinnen, die schon sehr lange im Geschäft sind, Topmanager und Top-Managerinnen sitzen auf der Bühne. Im Anschluss an die Podiumsdiskussion kann man ganz einfach ins Gespräch kommen. Man braucht kein VIP zu sein, um bei Women Talk Business® teilzunehmen.

TF: Haben Sie in den Unternehmen eine Veränderung hinsichtlich Gleichstellung der Geschlechter wahrgenommen?

Ich sehe zwischen 2004 und 2013 entscheidende Schritte in den Unternehmen selbst. Der große öffentliche Druck, zu dem auch ich beigetragen habe, wird jetzt immer mehr spürbar. Die Gleichstellung von Frauen und Männern in Organisationen, in der Wirtschaft generell, ist heute ein Thema, dem sich PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen und UnternehmensführerInnen widmen, das nicht mehr vom Tisch gewischt und ignoriert werden kann.
Wir haben heute, verglichen zu den 80iger und 90iger Jahren und zu 2004, mehr Frauen im mittleren Management. Und wir haben auch mehr Frauen in den Vorständen und Aufsichtsräten. Wir sind ein gutes Stück weiter gekommen.

TF: Was sind die Veränderungen, die Sie in den nächsten zehn Jahre sehen?

Was wir brauchen ist die Selbstverständlichkeit. Wir diskutieren heute sehr viel mehr als in den 80iger Jahren oder 2004. Wir haben mehr Frauen in Entscheider-Positionen, aber sie sind noch nicht selbstverständlich dort.

Es gibt viele, Männer wie Frauen, die der Meinung sind, wir hätten die Gleichberechtigung erreicht.
Die Statistik sagt uns, die Gleichberechtigung ist nicht erreicht.

Die Aktivitäten, die es gibt, zeigen „work in progress“. Aber ich bezweifle, dass diese genügen, um in zehn Jahren die angesprochene Selbstverständlichkeit der Gleichberechtigung zu erreichen.

TF: Hat die nachkommende Generation an Frauen Ihrer Meinung nach ein stärkeres Selbstbewusstsein?

Teilweise JA. Für mich ist die Frage: „Wie lange halten sie durch?“

Wenn ich heute eine 25jährige Frau treffe, die am Beginn ihrer Berufskarriere steht und durchaus selbstbewusst meint „Gender ist für mich kein Thema“, weil sie keine Quotenfrau sein will, dann frage ich mich, wie wird diese Frau das in zehn Jahren beurteilen? Wobei ich betonen möchte: Quotenfrau bedeutet, die Frau hat DIESELBE Qualifikation wie der Mann und wird nur vorgezogen, weil sie eine Frau ist.
Ich habe vor zehn Jahren Frauen kennengelernt, die gemeint haben „Gender ist kein Thema“, die aber heute sagen, es ist sehr wohl eines. Sie hätten sich das nie gedacht.

Die meisten Frauen gehen von ihren persönlichen Erlebnissen aus. Das ist logisch, aber dort steckt eben das Problem, weil den Frauen erst mit zunehmender Karriere die Restriktionen auffallen. Und in der Zwischenzeit sprechen sie davon, dass Gender kein Thema wäre. Und dabei hören ihnen viele, Männer wie Frauen zu und meinen dann: „Wo ist jetzt das Problem?“
Das heißt, es stehen zwei Aussagen nebeneinander. Auf der einen Seite die Frauen, die sagen „Das ist ein Thema und das ist ganz wichtig“. Im Schnitt sind sie 35plus oder sie sind Wissenschaftlerinnen im Genderthema. Und auf der anderen Seite stehen Frauen, für die das „überhaupt kein Thema“ ist – im Schnitt sind sie 35 minus oder auch z.B. in Familienunternehmen groß geworden oder von unterstützenden, Frauen fördernden Männern begleitet worden.
Aber diese Stimmen machen es denen leicht, die Angst vor Veränderung haben und hören wollen, dass wir keine Frauenförderung brauchen.
Statistisch gesehen ist sie aber notwendig. Letztendlich ist es doch eine Frage der Gerechtigkeit.

Mir geht es um „Fair Share“.  Nicht mehr und nicht weniger – „Wir sind die Hälfte, wir wollen die Hälfte“ – auf allen Ebenen, warum denn nicht?

Es ist ganz interessant, dass es Männer gibt, die selber tolle Karrieren gemacht haben und ihren Töchtern eine gute Ausbildung ermöglicht und sie voll unterstützt haben. Diese Väter erleben plötzlich, dass diese tollen Töchter beruflich nicht weiterkommen. Weil sie geheiratet haben, weil sie ein Kind planen oder schon ein Kind bekommen haben, etc. und plötzlich spürt die Tochter und damit auch der Vater hautnah, welche Restriktionen es für Frauen gibt.
Also, wir haben auch viele verbündete Männer, die an ihren Töchtern erleben, welche Ungerechtigkeiten oder Ungleichbehandlungen passieren. Aber auch Ehemänner von toll ausgebildeten Frauen leiden darunter – nicht zuletzt finanziell durch die niedrigeren Gehälter für Frauen.

TF: Haben Sie eine Vision?

Meine Vision lautet: „Männer und Frauen sind auf allen Hierarchieebenen und in allen Branchen gleichberechtigt und gleichverteilt vorhanden“. Deshalb bin ich für eine Männerquote!

Eine Männerquote im Kindergarten, in der Volksschule, in den Unterstufengymnasien, im Pflegebereich und überall dort, wo derzeit Frauen dominieren. Dort wünsche ich mir Männer und zwar so, wie wir in anderen Bereichen Frauen suchen und extra aktivieren müssen. Genauso möchte ich, dass Männer für diese Bereiche extra aktiviert, extra gesucht, extra eingeladen werden.

Männerförderung gehört dorthin, wo jetzt die Frauen dominant sind. Und Frauenförderungen dorthin, wo jetzt die Männer dominant sind.  Und die Vision, auf der das alles aufbaut, lautet:

„Wir sind in allen Bereichen gleich verteilt, gleichberechtigt und wir brauchen über das Thema tatsächlich nicht mehr diskutieren.“

Es soll völlig egal sein, welches Gender jemand hat, die individuelle Persönlichkeit soll entscheidend sein. Ich wünsche mir eine Welt, in der jeder Mensch nach seiner Façon leben kann, seine Potentiale nützen und wertvoll in die Gesellschaft einbringen kann. Das wäre eine reichere und eine bessere Welt, für unsere Töchter UND unsere Söhne.