Vlad Gozman/Co-Founder & Curator TedxVienna


TF: Was war Deine Motivation Tedx nach Wien zu bringen?

Ich bin schon Ende 2004, in meinen zweiten Studienjahr, ins Arbeitsleben eingestiegen. Ich habe schnell von Teilzeit zu Vollzeit gewechselt, habe es in Rumänien zu der Zeit geschafft ein vier-jähriges Diplomstudium gleichzeitig mit einer Vollzeitbeschäftigung in vier Jahren zu Ende zu bringen. Während meines Studiums habe ich im Onlinemarketing und Projektmanagement und im Handel und Großbauunternehmen gearbeitet. Ab dem Zeitpunkt, wo ich mein Diplom in der Hand gehabt habe, wollte ich etwas ändern, habe die Chance ergriffen und ein eigenes Unternehmen gegründet. Also ich habe mich gegen ein Angestelltendasein entschieden, weil ich mit drei Jahren Arbeitserfahrung meinen eigenen Weg gehen wollte. Meine Firma war ein Beratungsunternehmen für Fördergelder. Damals vielleicht auch opportunistisch, 2007 ist Rumänien der EU beigetreten. Dieses Unternehmen habe ich für drei Jahre geführt, es hat gut funktioniert und hätte viel größer werden können, wenn das Klima in Rumänien nicht so sehr ins Korrupte gerutscht wäre. Zwischen 2007 und 2009 habe ich mein Geschäft einem Partner, der sich währenddessen eingekauft hat, graduell verkauft. Das Unternehmen wurde einem Größeren eingespeist. Dieser Zeitpunkt für mich ein „turning point“, ich wollte mir mal ein bisschen Westeuropa anschauen und bin in Wien gelandet. Ich hatte ein bisschen Freiraum um mit Ideen zu spielen. „Tedx“ war eine davon und die, die auch am schnellsten Fuß gefasst hat. Ich habe ein Team aufgebaut, das war damals nicht so einfach, weil ich kein Netzwerk hatte, weder in Österreich noch aus Rumänien, ich war nicht in der rumänischen Community.

Das Team waren vier gebürtige Österreicher, die Tedx- Vienna möglich gemacht haben und ich. Und mein Calling, das Du angesprochen hast, war auf jeden Fall Mitmotivation. Ich habe für drei Jahre mein eigenes Unternehmen geführt, aber natürlich nur gewinnorientiert. Tedx war etwas, das dazu parallel gestanden ist. Etwas das eine ideologische Metaebene hatte, mit der ich mich identifiziert habe.  Und es hat gut funktioniert, die Leute haben wirklich eine Voluntär-Leistung erbracht, weil sie an den Mehrwert geglaubt haben, nämlich, dass wir durch dieses Projekt einen kleinen, aber wertvollen Beitrag zur Wissensverbreitung leisten können.

Tedx Vienna ist jetzt mittlerweile ein Team von 37 Leuten, ein mittelständiges Unternehmen fast, bei dem alle voluntär dabei sind. Es ist ein internationales Team, aus den Staaten, aus Canada, aus ganz Europa, die Teammitglieder haben die verschiedensten Jobs, vom Wissenschaftler bis hin zu Künstlern, bis hin zu Young Professionals – Personen aus allen möglichen Bereichen. Das ist ein wirklich kreatives Umfeld und es freut mich enorm, dass ich Teil davon bin.

TF: Ist Tedx oder dein Engagement für Tedx ein Beitrag zur Veränderung des Arbeitens?

Tedx ist mehr als ein Event. Es ist eine Community, es gibt mehrere Events dieses Jahr. Mittlerweile haben wir eine kleine Redaktion. Es könnte nicht skalieren ohne den Input von so vielen Leuten. Ich sehe es als eine große Veränderung in der Art und Weise, wie wir Arbeiten generell betrachten. Und man kann mehrere Sachen heraus lesen. Eine davon ist, wenn die Leute an etwas glauben, dann ist es egal ob man Überstunden macht, ob man seine Freizeit verliert, beziehungsweise wird es Teil der Freizeit, der Freizeitaktivität. Aber ich glaube auch, dass es eine Bedürfnis der Leute gibt finanziell oder mit eigenen Mitteln zu einer Causa beizutragen, wie z.B. bei Kickstarter Projekten. Die große Änderung, die ich sehe, ist eigentlich, dass man nicht den klassischen Weg gehen muss, sozusagen den „Bill Gates“ Weg, um finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen und dann etwas zurückzugeben. Sondern man kann schon vorher anfangen etwas zurückzugeben. Es gibt viele Initiativen und Tedx ist nur eine davon.

TF: Was ist Deiner Meinung nach, die größte Veränderung, die auf uns zukommen wird? Gibt es irgendwas, von dem Du überzeugt bist, dass es bestimmt zutrifft?

Ich sehe klar die Tendenz, dass das klassische Büroarbeiten einer Veränderung unterworfen ist. Dass wir zunehmend vernetzt sind. Ich bin noch sehr jung in der Arbeitswelt, aber ich hätte mir auch nicht vorgestellt 2006 oder 2007, dass ich eigentlich von der Arbeit nicht mehr wegkomme, weil ich immer vernetzt bin und immer auf das Smartphone schaue, weil es mich ja auch interessiert. Das Interesse ist da und jetzt sind auch die Tools da, sozusagen eine Extension von unserem eigenen Körper, dadurch arbeiten wir eigentlich immer.

Getrieben von wirtschaftlichen Zusammenhängen sieht man auch, das ist auch statistisch nachweisbar, dass immer mehr junge Leute, die jetzt in die Arbeitswelt einsteigen, eigentlich etwas eigenes machen möchten und immer mehr versuchen es auch tatsächlich. Entrepreneurship ist auch ein starker Trend.

TF: Woran kann das Deiner Meinung nach liegen?

Ich glaube es ist von zwei Sachen getrieben, von der Wirtschaftskonjunktur und von der technologischen Entwicklung. Das ist nicht in allen Ländern so, aber verstärkt im Westen mit stark kapitalistische Denkweise. Dazu kommt die Technologie, die Leute empowert.

TF: Was sind die größten Chancen, die es dadurch gibt, dass sich die Arbeitswelt verändert?

Mit der Technologie haben wir mehr Freiheiten bekommen. Je mehr wir automatisieren oder abdecken konnten durch Technologie, angefangen vom Stein und Rad bis hin zu den Hausrobotern heutzutage, ersparen wir uns immer mehr Zeit.  Zeit, um eigentlich das zu machen, worin wir am besten sind und zwar kreativ zu sein oder zu denken – einfach uns die Zukunft vorzustellen.
Ich glaube, das ist die große Chance. Ich weiß, es wird aber kurzfristig auch vieles Schlimmes mit sich bringen. Die Tatsache, dass aufgrund von Bandrobotern z.B., sehr viele Menschen-Arbeitskräfte entlassen werden, bringt kurzfristig grauenvolle Folgen. Langfristig betrachtet aber wird es andere Jobs geben.
Viel hängt hier auch von unserem Bildungssystem ab, das sehr veraltet ist. Wir lernen, wie in der Zeit der ersten industriellen Revolution, obwohl wir die Zeit einer anderen industriellen Revolution miterleben.

TF:  Was ist die größte Herausforderung?

Eine große Herausforderung bezieht sich auf die Änderung des Bildungssystem weltweit, auf die Bildungseinrichtungen und wie wir Bildung generell betrachten. Ein wichtiger Punkt ist, wie wir Menschen Informationen aufsammeln. Das Bildungswesen muss sich nach unserem aktuellen Technologiestand, nach unserer Gegenwart und nach unseren Kindern und deren Bedürfnissen formen. Und nicht umgekehrt. Das ist eine sehr große Herausforderung.

Es gibt sehr gute Initiativen, bei denen Bausteine gelegt werden. Aber es passiert zurzeit nur Seitens der Entrepreneurs, im Privatbereich. Der Staat ist immer der Letzte, der etwas implementiert.

Wichtig ist etwas zu schaffen, das sich anpassen kann, weil ich auch glaube, dass all diese Entwicklungen und wir sprechen jetzt spezifisch von der Arbeitswelt, all diese Entwicklungen mit unseren Technologien, sich exponentiell weiterentwickeln. Wir müssen unsere Gesellschaft so aufbauen, dass sie sich mitentwickeln kann. Es muss ein System sein, dass sich adaptiert, nicht ein statisches, starres Ding, das wir dann jedes Mal neu erfinden müssen. Es muss ein flexibles Baukastenmodell sein.

Das klingt so abstrakt, weil ich keine Antwort habe, aber ich denke an khanacademy.org und coursera.org oder udacity.com. Hier kann man online lernen mit einem hohen Qualitätsgrad an Materialien und an Information, die einfach zugänglich sind und gut ausgewertet. Die größte Herausforderung, die Bildung, reflektiert auf die Arbeitswelt der nahen Zukunft. Die Schulklasse der Zukunft sollte in der einen oder anderen Form personalisierbar sein. Das ist eine große Herausforderung.

TF: Hast du eine Vision?

Ich teile die Vision von anderen Leuten, ich traue mich noch nicht zu sagen, dass das meine Vision ist. Eine bezieht sich auf unser Leben auf der Erde und ich teile da die Vision, beispielsweise nicht nur von DiIlon, mit der Überzeugung, dass wir in den nächsten 100 Jahren, unbedingt eine multiplanetare Rasse sein müssen – müssen nicht sollen – die Ressourcen sind begrenzt. Wir leben länger und wir werden noch länger leben. Das Lebensalter wird im Durchschnitt nicht 60 oder 70 Jahre sondern 100 Jahre sein. D.h. wir werden mehr Menschen sein, leben länger und haben mangelnde, beziehungsweise endende Ressourcen. Deswegen müssen wir unbedingt einen zweiten Planeten haben.
Wenn wir die Ressourcen bündeln könnten, könnten wir den Mars in den nächsten 50 Jahren schon bevölkern. Aber, wenn wir realistisch sind, können wir es erst in den nächsten 100 Jahren umsetzen. Nur brauchen wir dazu Initiativen, die leider zurzeit aus dem privaten Bereich und nicht von der staatlichen Seite kommen. Wenn man nur einen Bruchteil von den Kriegsbudgets in so eine Initiative stecken würde, würde es einen großen Unterschied machen.

Das wäre etwas, das man vielleicht als Vision betrachten könnte.

Ich sehe auch eine andere Weiterentwicklung, ich glaube daran, dass wir als menschliche Rasse weiter evoluieren, also der Evolutionskurve folgen. Und eine Weiterentwicklung, die ich sehe, ist das persönliche Augmentieren. Sei es bionisch oder aber auch mit Gentechnologien. Ich glaube, dass wir schon in den nächsten 50 Jahren viel unterschiedlicher sein werden und viele Funktionen, die jetzt nur rein biologisch sind und über die wir keine Kontrolle haben und schon kontrollierbar sein werden. Das sehen wir jetzt auch schon in der Gegenwart anhand der Designer Babys z.B. Ich will nicht sagen, das ist gut oder schlecht. Ich will nur sagen, dass ist eine Zukunftsentwicklung ist, die ich sehe.

TF: Hast Du eine Message, die Du gerne aufgreifen möchtest?

Ich denke jetzt an das Arbeitsumfeld und was geschehen könnte, wenn Leute das Interview lesen und sie einen „nine to five job“ haben, den sie gerne verändern würden und sich denken „Ja, aber der kann leicht reden, er hat viele Chancen gehabt und ist in einer bequemen Position, in der er sich leisten so zu denken.“
Man muss jetzt nicht seinen Job aufgeben, aber jeder kann eine Nebentätigkeit anfangen oder aufgreifen und die Worklife-Balance dadurch wieder erhalten.
Ich finde auch, dass es gut wäre den „nine to five job“ aufzugeben und das zu machen, worin man gut sind und was Spaß macht. Aber es bringt auch viele Unsicherheiten mit sich und nicht jeder ist bereit dafür zu jedem Zeitpunkt im Leben. Man hat Kinder, man hat eine Familie. Man muss für etwas sorgen. Das ist nicht leicht. Darum denke ich, eine Nebentätigkeit aufzugreifen, die wirklich den inneren Drang befriedigt, kann man jederzeit machen und sollte man auch machen.

Weil jeder Beitrag in jedem Bereich zählt.