Dr. Franz Zöchbauer,
Bereichsleiter für Corporate Innovation & New Business
VERBUND AG

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‘Never waste a good crisis’ – Winston Churchills Worte sind für die Innovationsbestrebungen des Verbunds ein Ansporn. Durch die Herausforderungen der letzten Monate wurde, die erst kürzlich davor neu erstellte Innovationsarchitektur und -strategie einem ungeplanten Resilienz Test unterzogen, den man erfolgreich bestanden hat. Die Umstellung auf digitale Abwicklung ermöglichte die Öffnung einer Stanfordlab-Kooperation für mehr Mitarbeiter als gedacht. Der coronabedingt verschobene Launch eines Start-up Accelerators brachte gerade dadurch die Aufnahme von aktuellen Fragen und die Bewerbung von ungewöhnlich vielen Start-ups, die genau an diesem Thema arbeiten. Erklärtes Ziel für die Zukunft ist der Ausbau interdisziplinärer Netzwerke und der Aufbau neuer Ökosysteme, so Dr. Franz Zöchbauer, Bereichsleiter für Corporate Innovation & New Business bei VERBUND AG.

Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde Franz Zöchbauer von Helmut Blocher, Geschäftsführer Succus Gmbh, auf das Interview eingeladen. Er sprach am 15. Oktober 2020 am Austrian Innovation Forum.

Wie hat sich Innovationsanspruch im Verbund in Anbetracht der Krise verändert? Gibt es andere Themen oder Schwerpunkte?

Franz Zöchbauer: Der Verbund hat 2019 seine Innovationsarchitektur und Strategie neu aufgesetzt. Wir haben detailliert überlegt, wie wir Innovation machen, wie unsere Governance für Innovation aussieht und welche Maßnahmen und Instrumente wir einsetzen wollen, um unsere strategischen Zielsetzungen bei Innovation zu erreichen. Durch diese vorhergehenden Massnahmen waren wir bei Ausbruch der Krise bereits zukunftsfähig aufgestellt. Im Prinzip hat sich gezeigt, dass wir unsere Architektur nicht adaptieren mussten. Sie war schon State-of-the-Art aufgesetzt.
Corona veränderte allerdings massiv die Art, wie wir arbeiten. Wir haben den Anspruch, Innovation global zu denken und auf internationalem Niveau in den Verbund zu holen, globale Innovationsökosysteme aufzubauen und lokal umzusetzen. Das wurde eigentlich um ein Vielfaches einfacher.

Warum?

Franz Zöchbauer: Wir arbeiten mit einigen internationalen Netzwerke, die wir betreiben und aufbauen. Durch den Lock-down wurde plötzlich ein Kollege, der in Stanford, in Bangkok oder in London sitzt, genauso nahe, wie der Kollege in der Nachbarabteilung oder in der Business Unit vom Verbund, weil alle von zu Hause arbeiteten.
So war es für uns in manchen Bereichen leichter, unsere globalen Netzwerke zu integrieren und in die tägliche Arbeit zu involvieren. Remote arbeiten hat globale Innovation für uns vereinfacht und auch positive Änderungen gebracht. So wie wir die Organisation erst kürzlich neu aufgestellt hatten, ist sie resilient genug, dass sie sich in der Krise bewährt hat und Veränderungen gut tragen konnte.

Was hat sich verändert?

Franz Zöchbauer: Wir betreiben zum Beispiel eine Partnerschaft mit einem Lab in Stanford. Ursprünglich war geplant einige Verbund KollegInnen nach Stanford zu schicken, damit sie den Spirit vom Silicon Valley einatmen, dort mitarbeiten und mit frischen Ideen nach Österreich zurückkommen. Das ist jetzt nicht möglich. Wir haben daher diese Partnerschaft auf digital umgestellt. Dadurch war es aber auch möglich sie zu öffnen und viel mehr Verbundmitarbeitern zugänglich machen, als ursprünglich geplant.

Ein anderes Beispiel für Veränderung ist unser Start-up Engagement. Wir haben verschiedene Programme, die wir im heurigen Jahr betreiben wie z. B. einen Verbund Accelerator, den wir neu aufgebaut haben und bei dem wir mit nationalen und internationalen Partnern zusammenarbeiten.
Wir mussten, aufgrund der Coronakrise, den im  März geplanten Launch um drei Monate verschieben. Dadurch konnten wir aber ein wichtiges Thema, das durch die Krise präsent wurde, aufnehmen. Wir beschäftigten uns verstärkt mit der Infrastruktur der Zukunft und der Frage: Wie schaffen wir es, dass unsere Infrastruktur noch resilienter wird?“ Stellen Sie sich vor, wenn während des Lockdowns auch noch ein Blackout passiert wäre?
Die bereits sehr gute Krisenfestigkeit unserer strategischen Infrastruktur möchten wir weiter stärken.
Zu diesem Thema kamen interessanterweise auch die meisten Bewerbungen von Start-ups aus der ganzen Welt.
Herausfordernd war es allerdings ein Innovation-Camp hundertprozentig remote zu veranstalten. Wir brachten zehn Start-ups aus Indien, Kanada, Europa, die Business Units vom Verbund und unsere Kooperationspartner in drei Tagen digital zusammen. Ziel war die gleichen Resultate zu erzielen, die ein persönliches Treffen erreicht hätte. Das war eine hohe Anstrengung, ist aber zum Glück sehr erfolgreich gewesen.

Was sind nun die nächsten Schritte?

Franz Zöchbauer: Wir haben nach sechs Use Cases zu Herausforderungen der Zukunft gesucht, auf die sich Start-ups bewarben. Der Verbund und seine Use-Case Partner OMV, die Post und BIG werden mit sechs Start-ups in den nächsten Monaten weiterarbeiten. Großartig ist auch die Unterstützung unserer Eco-Systempartner wie die ÖBAG, welche wertvolle Beiträge für das Gelingen des Programms leisten. Das Outcome wird in die jeweiligen Unternehmen integriert, die die Kooperation eingegangen sind, bzw. es können dadurch gemeinsame Projekte oder Kunden-Lieferanten Beziehung entstehen.
Corona hat in der Art und Weise, wie wir kooperieren vieles bewirkt. Vieles musste einfach neu gedacht werden. Aber es hat auch gezeigt, es ist digital möglich. Dadurch wurde natürlich auch der CO2 Footprint massiv reduziert.

Werdet ihr aufgrund der guten Erfolge die bestehende Umstellung auf Remote belassen?

Franz Zöchbauer: Ich glaube, man kann bei der digitalen Abwicklung gute Ergebnisse erzielen aber nicht alles erreichen. Die Erfolge sind je nach Thema oder Zielsetzung unterschiedlich. Im Start-up Bereich hat es sehr gut funktioniert. Aber beim Aufbau neuer Ökosysteme und neue Netzwerke ist eine vor Ort Präsenz auch ab und zu wichtig. Wenn Erstkontakte etabliert sind, dann ist das digitale Weiterarbeiten leichter und sicherlich zielführend. Aber wir sind ja alle Human Beings. In manchen Bereichen wird ein persönlichen Konnex und Austausch erforderlich sein. Gerade das Brainstorming und die Kreation von neuen Ideen ist fruchtvoller, wenn die Personen in einem Raum sitzen.

Welche Formen von Kooperationen plant ihr in den nächsten Jahren?

Franz Zöchbauer: Die neuen Herausforderungen im Energie- und Klimabereich sind Sektor übergreifend. Wir werden vermehrt Kooperationen eingehen, deren Kompetenzen anders als unsere sind, da wir durch die Diversität der Partner rascher und besser auf neue Lösungen kommen. Das hat die Zusammenarbeit bei unserem Accelerator gut gezeigt. Wir konnten mit Partnern, die nicht unmittelbar aus dem Energiebereich kommen, ganz neue Kooperationsfelder begehen und noch diverser werden. Unser Ziel ist Ökosysteme regional, europäisch und global zu betreuen und uns national und international zu engagieren.

Kannst du dazu ein Beispiel nennen?

Franz Zöchbauer: Ein schönes Beispiel ist grüner Wasserstoff. Wasserstoff ist ein großes Zukunftsthema im Energiebereich. Wir bereiten gerade ein Projekt mit Leuchtturmcharakter vor. Es heisst ‚Green hydrogen at blue danube‘. Ziel ist es mit der Einrichtung einer transeuropäischen Wertschöpfungskette die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten zu verringern, die Energieversorgungssicherheit mit erneuerbarer Energie made in Europe zu erhöhen und so zur Erreichung der Klimaziele beizutragen. Auch hier ist ein Partner Netzwerk mit diversen Kompetenzen erforderlich.
Andere Kooperationsprojekte werden im digitalen Bereich entstehen. Die Energieerzeugung wird in der Zukunft noch stärker regional und dezentral stattfinden. Für die Distribution der Energie werden neue Plattformen und neue Ökosysteme entstehen. Als Verbund sind wir offen für Kooperationen in vielen Bereichen, weil wir glauben, dass wir dadurch für die Konsumenten und die Gesellschaft mehr erreichen können.

Welche Jobs werden wir in Zukunft benötigen, die heute noch keinen Namen haben?

Franz Zöchbauer: Es gibt ganz neue Energie- und Speicherformen. Und es gibt neue Möglichkeiten der Energieerzeugung und der Vernetzung von Energiespeichern. Allein in der Elektromobilität werden viele neue Jobs entstehen um z. B. die Ladeinfrastruktur zu steuern und das Fahrzeug mit dem Energiesystem zu vernetzen. Hier wird ganz neues Know-how erforderlich sein. Das gibt es zwar bereits zum Teil, aber teilweise ist es sicherlich learning-on-the-job und man wird Wissen aus anderen Sektoren als dem Energiebereich hereinnehmen.
In jedem Fall ist die Beherrschung mehrere Disziplinen ein Vorteil wie z. B. die Kombination einer technischen Ausbildung mit einer wirtschaftlichen oder juristischen Ausbildung. Ein gutes Fundament ist wichtig, genau so wichtig ist es aber auch flexibel zu sein und sich darauf vorzubereiten, dass die Funktionen der Zukunft erst entstehen und man sich die Kompetenz oft am Weg dorthin aneignen muss.

About:
Franz Zöchbauer ist als Bereichsleiter für Corporate Innovation and New Business bei VERBUND verantwortlich. Er engagiert sich leidenschaftlich für eine nachhaltige Energiezukunft. Die Stärkung des Innovations-Ecosystems & der Aufbau neuer Innovations-Partnerschaften & -Allianzen ist ihm – als erfahrene Führungskraft an der Schnittstelle von Wirtschaft, Innovation, Politik und Gesellschaft – ein großes Anliegen.