Bela Virag
Partner bei Arthur D. Little Austria
Bereich TIME (Telekommunikation, Information, Media, Electronics)

Innovation in Unternehmen hat sich verändert. Arthur D. Little hat das Innovationsverhalten von 100 Unternehmen in einer Studie erhoben. ‘Früher wurde hauptsächlich in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen innoviert’, sagt Bela Virag, Partner bei Arthur D. Little Austria, ‘mittlerweile wird Innovation oft outgesourced und muss daher gemanaged werden.’ Unternehmen holen sich Innovation meist außerhalb des Unternehmens. Beliebte Methoden sind Innovationscontests sowie die Zusammenarbeit mit Accelerators beim Scouting von  Startups, die Lösungen in sehr spezifischen Business Kontexten bringen. Innovation-Integration ist für viele ein Stolperstein, hier versucht man Entities mit entkoppelten Governance Strukturen an den festgelegten Prozessen der Konzerne vorbeizuführen. Allgemein gibt es in der Organisationsentwicklung Tendenzen kleinteiligere Units mit vermehrter Eigenverantwortung und Entscheidungsgewalt zu bilden.

Bela Virag spricht am 11.Okt. 2018 am Austrian Innovation Forum in Wien.

Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde Bela Virag von Helmut Blocher auf das Interview eingeladen.

Sie haben in einer Studie das Innovationsverhalten von über 100 Unternehmen erhoben. Was waren die Key Findings?

Bela Virag: Früher haben Unternehmen tatsächlich selbst innoviert. Das findet heute zwar auch noch in Research und Development Abteilungen statt, aber inhouse Innovation ist im Schwinden. In Wahrheit wird Innovation heute nicht mehr gemacht, sondern gemanaged. Das Innovationsmanagement bedient sich einer breiten Palette an Methoden, einerseits kommen sie aus dem Marketing, dem Produktmanagement oder der Kreativität, andererseits gibt es viele Werkzeuge, die ihren Ursprung in der Innovationsforschung haben. Für Unternehmen bedeutet dieses Management mittlerweile, dass Innovation außerhalb des eigenen Perimeter stattfindet. Es werden häufig Partner gesucht, die in einem Kontext innovieren, der einen sinnhaften Vorteil für das Unternehmen bietet.

Diese Partner werden je nach Technologiereifegrad, Themenreifegrad und unterschiedlicher strategischer Bedeutung ausgewählt. Hier gibt es eine Bandbreite an Methoden, vor allem  bedienen sich Unternehmen derzeit verschiedener Kollaborationsmodelle mit Startups, die über Accelerators gescoutet werden.

Die Suche nach Innovation ist deutlich spezifischer geworden, es wird nicht mehr ‘auf der grünen Wiese innoviert’, sondern in vordefinierten Business Kontexten. Ein Beispiel: Coca Cola fand heraus, dass weniger verkauft wird, wenn im Supermarkt die Flaschen nicht nachgeschlichtet werden und daher weiter hinten stehen. Obwohl Coca Cola ein großer Konzern ist, können sie nicht alle Supermärkte dazu motivieren, permanent nachzuschlichten.

Daraus ergibt sich ein Businessproblem, es wird weniger verkauft.  An diesem Punkt wurde nach einer Innovation gesucht und das Thema in einem Innovationscontest  ausgeschrieben. Der Gewinner war eine App, registrierte Benutzer konnten in Supermärkten die Colaflaschen nach vorne sortieren. Der Beweis erfolgt mittels vorher/nachher Foto, das in der App upgeloaded wurde. Für diese kleine Tätigkeit wurde ein auch kleiner Betrag ausbezahlt. Coca Cola fand diese Idee auch für andere Unternehmen interessant und beteiligte sich an dem Startup um einen zusätzlichen Revenue Stream zu generieren.

Was sind die größten Herausforderungen denen sich Unternehmen heute im Innovationsprozess stellen müssen?

Bela Virag: Conflicting objectives ist die größte Hürde des Innovationsmanagements. Es wird mit unterschiedlichen Playern zusammengearbeitet, die meistens unterschiedliche Ziele verfolgen. Business Kontexte werden definiert zu denen man eine Problemlösung sucht. Das Scouting ist mittlerweile aufgrund der Detailanforderungen sehr spezifisch, funktioniert aber dennoch in den meisten Fällen gut.

Das Wesentliche ist allerdings diese Innovation nachher in den Regelbetrieb zu integrieren. Das ist ein richtiges Problem, da es vom Design dem organisatorischen Grundprinzip widerspricht. Klassische Hürden sind das ‘not invented here’ Prinzip und der Widerstand der eigenen Mitarbeiter. Die größte Schwierigkeit in der Innovation-Integration ist aber prozessual. Wenn ein Konzern ein Startup unter einen klassischen Rahmenvertrag nimmt, ist das Startup platt. Es hat keine Chance. Die Strukturen, Herangehensweisen, vor allem aber die Prozesse sind zu unterschiedlich. Es fängt eigentlich schon damit an, dass die Einkaufsabteilung die Leistung der guten Ordnung halber ausschreiben will, auch wenn gerade ein Wettbewerb stattgefunden hat. Ähnliche Konflikte gibt es in der Rechtsabteilung. Noch schwieriger wird die Integration in die oft behäbigen, von legacy belasteten IT Managementsysteme. Alleine die User Authentification und die zugehörigen Abrechnungen können unglaubliche Aufwände darstellen, damit sich ein Unternehmen öffnet.
Das junge, kleine Unternehmen, das kreative Ideen hat und möglicherweise schon ein stabiles Business ist, und der Konzern sprechen nicht die gleiche Sprache.
Um diese Hürde zu überwinden versucht man Unternehmen Vehikel gegenüberzustellen, die tatsächlich eine ein bisschen entkoppelte Governance Struktur haben, um nicht den zentralen Einkaufsprozess zu durchlaufen oder durch die zentrale Rechtsabteilung zu gehen, sondern mit dem Partner am Markt unternehmerischer agieren zu können. Es gibt immer noch ausreichend Fragestellungen, aber es ist zumindest ein beherzter Ansatz, die Integration zu verbessern.
Ein Beispiel dafür wäre BeeOne GmbH, die digitale Innovation Unit der Erste Group. BeeOne hat das online Banking ‘George’ entwickelt. Innerhalb des Konzerns wäre ‘George’ wahrscheinlich nie umgesetzt worden, dazu wurde ein eigenes Vehikel benötigt, das eine eigene Governance hat und freigestellt ist.

Man könnte jetzt sagen so etwas ist ein Spielzeug, oftmals ist es das auch, wie man aber bei ‘George’ sieht, kann das Spielzeug auch recht interessant werden.

Innovationsmanagement treibt in diesem Sinne auch Organisationsentwicklung voran. Zehn Jahre in die Zukunft geblickt, was kann man erwarten?

Bela Virag: Es gibt drei Metatrends. Die interne Unternehmenszusammenarbeit wird sich ändern. Gerade im Zeitraum von zehn Jahren wird das deutlich sichtbar. Unternehmen, die heute noch klassische, hierarchische Strukturen haben, werden auf kollaborative Modelle umsteigen. Unternehmen, in denen heute schon kollaborative Modelle herrschen, werden noch kleinteiliger werden und agiler zusammenarbeiten. Der zweite Metatrend ist Ressourcenschonung oder auch eine 360 Grad Wirtschaft, also cradle-to-cradle Produktion. Dieser Gedanke wird bei vielen Ländern auf dieser Erde sicherlich breiter Fuß fassen als es heute der Fall ist. In Österreich sind wir jetzt schon vorne dabei und es ist abzusehen, dass der ökologische Grundgedanke noch stärker wird. Ein dritter Metatrend ist die Affinität mit digitalen Kollaborationsmethoden zu arbeiten. Das gilt nicht nur für die jüngere Generation, sondern auch für die Ältere, die sich deutlich weiterentwickelt.

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Bela Virag ist Partner bei Arthur D. Little Austria im Bereich TIME (Telekommunikation, Information, Media, Electronics). Er ist seit über 19 Jahren in der Telekommunikationsbranche, sowohl in der Beratung als auch in Management Positionen innerhalb der Branche, tätig. Bei ADL fokussiert er sich auf Telekommunikation global B2B (core B2B, ICT services, cloud, managed services, go-2-market, etc.) und Marketing-Themen (customer experience).
Bela Virag hält einen MBA mit Fokus auf Strategieentwicklung, Internationales Marketing und Finance.