Dr. Marion Herger
Gründer Enterprise Garage

Mario Herger lebt seit 14 Jahren im Silicon Valley, Californien und ist Gründer des Consulting Unternehmens Enterprise Garage. Er ist ist promovierter Chemiker an der TU Wien, studierte an der WU Handelswissenschaften, und war sowohl Global Head of Gamification als auch Senior Innovation Strategist bei SAP Labs in Palo Alto. In seinem Buch ‘Das Silicon Valley Mindset’ beschreibt er die lösungsorientierte Herangehensweise der Start-Ups und welche Learnings Europa mitnehmen kann.

Interview von Julia Weinzettl

Was unterscheidet das Silicon Valley Mindset von der europäischen Denke?

Mario Herger: Ich lebe seit 14 Jahren im Silicon Valley – ich bin einerseits Europäer – Wiener, aber auch Amerikaner und kann auf diese Weise immer wieder erleben wie unterschiedlich dieser Mindset ist. Damit meine ich jetzt nicht, dass Leute die im Silicon Valley wohnen, genetisch anders sind. Es leben ja auch viele Europäer dort, sechzigtausend Deutsche, vierzehnhundert Österreicher und ca. fünftausend Schweizer, beispielsweise. Aus dem Silicon Valley kommen viele Innovationen, die starken Einfluss auf die Weltwirtschaft haben. Ganze Industrien werden durch technologische Neuhheiten und Business Modell Innovationen bedroht –  die Automobilindustrie von Tesla und selbstfahrenden Fahrzeugen, UBER und Airbnb sind plötzlich Konkurrenten von Taxiunternehmen und der Hotelindustrie und das sind nur ein paar Beispiele. Viele Technologien, die wir verwenden kommen aus dem Silicon Valley. Das Android Betriebssystem in unseren Handys, stammt zum Beispiel von Google, wir haben iPhones, die von Apple produziert werden. Das sind neue Unternehmen, die großen Einfluss auf die Gesellschaft, Industrie, die Gesetzgebung und die Art, wie wir miteinander umgehen, haben.

Die Frage ist: Warum schaffen wir das in Europa nicht? Warum haben wir kein Google oder Facebook, das so erfolgreich ist? Wieso gibt es im Silicon Valley so viele Start-Ups, die innerhalb von wenigen Jahren mit einer Milliarde Dollar bewertet werden?
In Europa gibt es fast keine dieser milliardenschweren Unicorns, in Asien aber beispielsweise schon. Das hat nichts mit der Gegend zu tun, nicht mit der Luft, nicht mit dem Wasser, das die Leute klüger macht, sondern es ist die Art, wie wir uns verhalten, wie wir unser Business sehen und wie wir uns mit Innovation auseinandersetzen.

Im europäischen Ansatz werden Ideen oft schon im Keim erstickt – mit der Aussage: das funktioniert sicher nicht – anstatt sich damit auseinanderzusetzen.
Wenn beispielsweise 2006 in Europa ein junger Mann einen Investor um eine Millionen Euro gebeten hätte, mit der Aussage: ‘Ich habe eine Plattform, auf der sich Leute mit 140 Zeilen austauschen können.’, hätte man hier vermutlich ‘Wer braucht sowas?’ – gefragt.
Im Silicon Valley hat man anders reagiert: „Klingt interessant, erzähl mir mehr!“, war die Aufforderung. Der junge Mann (Jack Dorsey) faszinierte die Leute, holte sich mehrere Investoren, und heute ist Twitter ein Unternehmen, welches jährlich 665 Millionen Dollar umsetzt.
Das wäre nicht möglich, wenn man im Silicon Valley nicht die Freiheit hätte, über Ideen zu sprechen mit der Gewissheit, dass grundsätzlich die Bereitschaft vorhanden ist sich mit einer Idee zu auseinanderzusetzen, ohne sie sofort abzuschmettern.

Mit Deinem Unternehmen Enterprise Garage schlagst Du eine Brücke zwischen beiden Welten

Mario Herger: Wir organisieren neben Workshops und Events sowie der Beratung für Unternehmen auch sogenannte Silicon Valley Inspirationstouren. Das Programm umfasst Besuche neben den üblichen Besuchen bei Facebook oder Google, Termine mit Start-Up Gründern und Venture Capitalists, sowie die Teilnahme an Workshops und Networking Events. Ziel ist es Unternehmen so viel wie möglich von dem Spirit mitzugeben, um diese Ansätze dann auch zuhause unternehmensintern umsetzen zu können.

Wenn Du aus Deinem Arbeitsbereich in die Zukunft schaust, welche Entwicklungen kommen im Technologiebereich und Unternehmensbereich auf uns zu?

Mario Herger: Ich denke was auf uns zukommt, ist die Singularität. Gordon Moore, Gründer von Intel, hat vor mehreren Jahrzehnten postuliert, dass bei Computerchips wir alle 18 bis 24 Monate eine Verdopplung der Prozessorengeschwindigkeit sehen. Der Sprung beginnt von eins auf zwei und von zwei auf vier – mitterweile sind wir bei einer Milliarde auf zwei Milliarden etc. Die Geschwindigkeit beschleunigt sich, früher hatten wir Jahre Zeit um eine Innovation wachsen zu sehen. Heute sind das Monate. Das Haustelefon benötigte 75 Jahre bis es hundert Millionen Anwender gab.. Von den ersten Handys wurden innerhalb von 16 Jahren hundert Millionen Anwender erreicht. Die Smartphone App WhatsApp benötigte etwas weniger als ein Jahr für das gleiche Unterfangen. Wir haben eine Beschleunigung der Innovation.
Das hat nichts damit zu tun, ob große Unternehmen bestehen bleiben, sondern, dass Unternehmen schneller wachsen können.
Menschen verstehen lineares Wachstum, aber was nun passiert, ist exponentielles Wachstum und dafür sind wir nicht geeignet. Wenn wir sagen: „Selbstfahrende Fahrzeuge werden in 20 Jahren da sein.“ – ist das schon falsch. Bereits heute fahren alleine 50 Google-Fahrzeuge in Mountain View herum, die von Mitarbeitern bedient werden. In den nächsten zwei Jahren werden wir dann die ersten Tests mit Testkunden sehen, und in fünf Jahren sind die Autos bei den Kunden. Gerade in dieser Woche haben wir vom AlphaGO Computer gehört, der Lee Sedol, den weltbesten Go Spieler, um Längen geschlagen hat. Der Computer war dominierend. Er hat Spielzüge gemacht, die ein Mensch nie gemacht hat. Wir sind soweit, dass wir von Maschinen lernen können und wir nicht mehr verstehen, wie die Maschine dazu kommt. Man kann es mit dem Menschen und dem Affen vergleichen. Wenn Menschen einen Affen unterrichten, dann kommt er auch auf ein höheres Niveau. Bisher haben Menschen, Menschen unterrichtet, jetzt bringt aber ein Computer einem Menschen etwas bei. Wir generieren in wenigen Monaten mehr Daten, als in der bisherigen Menschheitsgeschichte, und in ein paar Monaten sind es wieder mehr, das ist exponentielles Wachstum. Wenn wir nicht beginnen zu agieren, statt zu reagieren sind wir zu langsam.

Das klingt nach großen Veränderungen. Welche Jobs wird es geben, die heute keinen Namen haben?

Mario Herger: Als die Computer kamen hat man gesagt: „Eines Tages verlieren wir alle unsere Jobs!“ – das war nicht der Fall, es entstanden neue Berufsgruppen. Wir haben technologische Innovationen und diese müssen von Personen programmiert werden. Ganz neue Berufszweige sind im Kommen. Fachpersonal, das Roboter programmiert, wartet und instand hält zum Beispiel. Es ändern sich nicht nur die Jobs, sondern die Art wie wir arbeiten. Unser ganzes System ist darauf ausgelegt, dass wir in die Schule gehen und ein Bildungssystem haben, das uns auf die Arbeitswelt in einem Unternehmen vorbereitet. Jetzt gibt es immer weniger dieser Jobs.Die Leute, die in nicht typischen Berufsverhältnissen stehen, werden immer mehr. UBER Fahrer beispielsweise sind nicht angestellt, sie sind Einzelunternehmer. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Zahl der EPUs wieder, die die Wirtschaftskammer darlegt. Man sieht einen fundamentalen Wechsel in der Arbeitswelt. Das Bildungssystem sollte uns auch auf diesen Wechsel vorbereiten. Ich habe vor 17 Jahren bei bei SAP begonnen, vor sechs Jahren habe ich als Gamificiation Designer gearbeitet: keine Schule bereitet dich auf sowas vor, sowas gab es damals nicht. Einen Socialmedia Manager gab es zu meiner Schulzeit auch noch nicht. Das sind Berufsgruppen, die mit der Zeit entstehen und es werden weitere folgen.

Was ist Dein Calling?

Mario Herger: Ich sehe mein Calling als jemand, der seine Wurzeln in Österreich hat, aber jetzt auch Amerikaner ist und der beide Welten kennt. Wir können von beiden Seiten lernen und unsere Stärken miteinander verbinden. Jeder braucht den jeweils anderen. Wir brauchen die Amerikaner – die Amerikaner brauchen uns. Das soll kein Gegeneinander sein, sondern ein Miteinander.

www.enterprisegarage.io
http://dassiliconvalleymindset.com

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