Ansgar Schlautmann/Associate Director Arthur D. Little

Für mich gibt es keine Abgrenzung zwischen Buzzwords wie IoT, AI oder Digitalisierung, sie sind ein Synonym für das Enablen, wenn es darum geht Menschen einen Mehrwert zu bieten, sagt Ansgar Schlautmann, Associate Director bei Arthur D. Little. Wir erleben gerade, dass es einen gewissen Konvergenzeffekt innerhalb der Industrien gibt. Eine Voraussetzung dafür, dass das ganze Ecosystem in Zukunft funktioniert ist, dass nicht mehr in vertikalen Industrien gedacht werden kann und eine Transformation vom klassischen One Purpose Produkt in ein Servicefeld stattfinden muss. Diese Veränderung, nämlich dass ein Kunde nicht mehr vom Hersteller kauft, sondern ein Service nutzt, wird das ganze System grundlegend verändern.

Welche Industrien werden aufgrund neuer Anwendungsmöglichkeiten mittels IoT in der nächsten fünf bis zehn Jahren die größten Veränderungen erfahren?

Ansgar Schlautmann: Ich glaube IoT ist wieder nur ein Buzzword so wie Digitalisierung. Meiner Meinung nach sprechen wir über Technologien, die irgendwann erfunden wurden und jetzt Marktreife haben. In vielerlei Hinsicht geht es aber gar nicht um Technologie, denn am Ende des Tages wird Technologie auf welche Art auch immer vorhanden sein. Technologie steht leider meistens im Vordergrund, ist aber de facto nur Enabler zu einer grundlegenden Veränderung. Wenn ich den Bogen weiter spanne als IoT, also reine Konnektivität zwischen Dingen, dann sehe ich die Logik dahin gehend, dass eine Transformation vom klassischen One Purpose Produkt in ein Servicefeld stattfinden muss. Das hat vielerlei Implikationen. Der Fokus beispielsweise eines Automobilherstellers ist das Auto. In Zukunft wird das Auto sicherlich weiterhin Bestandteil des Portfolios sein, aber darüber hinaus müssen die Hersteller gewisse Services zur Verfügung stellen, die sie vielleicht nicht alle besitzen, die aber Teil eines Ecosystems sein werden. Das wird bedingen, dass sie sich öffnen und dass das differenzierende Kriterium eines Fahrzeuges – bisher das Aussehen bzw. Design – nicht mehr das Wichtigste in der Kaufentscheidung ist – wenn überhaupt noch gekauft wird.

Diese fundamentale Veränderung wird durch alle Industrien gehen. Die Banken zum Beispiel, die sich jetzt noch gar nicht im IoT Umfeld befinden, werden sich mit dem Gedankenwandel –  warum muss ich denn von einer Bank Geld leihen, warum kann ich das nicht von Privaten machen? – auseinandersetzen müssen. Diese Veränderung, nämlich dass ein Kunde nicht mehr vom Hersteller kauft, sondern ein Service nutzt, wird das ganze System grundlegend verändern.

Wie weit spielt hier das Thema Artificial Intelligence hinein?

Ansgar Schlautmann: Artificial Intelligence ist ein Bestandteil, der benötigt wird, um ein werthaltiges Service anzubieten. Ein Service das dumm ist, wird weniger Akzeptanz erfahren, als eines das eine Vorhersage treffen kann. Das kann natürlich soweit gehen, dass Artificial Intelligence einmal Arbeitsplätze vernichtet. Gerade gab es eine Diskussion über das Gesundheitssystem und die ärtzliche Diagnose. Wenn eine ausgereifte artificial intelligence Maschine verfügbar ist, werden weder Ärzte, noch Piloten, noch Autofahrer etc. benötigt, all diese Berufe sind auch menschlos durchführbar. Ich glaube aber nicht, dass dieses Stadium so schnell erreicht wird, weil der Menschenersatz mit Haftung, Gewährleistung und Gesetzesnovellen in vielen Bereichen in Zusammenhang steht.

Artificial Intelligence macht ja nicht nur Voraussagen, sondern ist auch selbstlernend, das ist eines der Hauptthemen. Welche Industrien können davon am meisten profitieren?

Ansgar Schlautmann: Ich würde im Moment, genauso wie im IoT Umfeld, nicht auf spezielle Industrien fokussieren. Wir erleben gerade, dass es einen gewissen Konvergenzeffekt innerhalb  der Industrien gibt. Eine Voraussetzung dafür, dass das ganze Ecosystem in Zukunft funktioniert ist, dass eben nicht mehr in vertikalen Industrien gedacht werden kann. Ein Haus zum Beispiel ist eine Ansammlung von ganz unterschiedlichen industriellen Produkten und von ganz unterschiedlichen Industrien. Seien es die Geräte, die miteinander und der Aussenwelt kommunizieren, oder auch das Auto das anzeigt, dass ich jetzt nach Hause komme. Diese  Grenzen werden in Zukunft aufgebrochen und Artificial Intelligence per se ist auch ein Enabler, in allen Lebensbereichen, die nicht vertikal sind sondern schon immer horizontal waren, die Produkte oder Anwendungen verbessern oder eben auch Voraussagen treffen kann. Ich denke, es wird hier keine Vorreiterindustrie geben, sondern es wird in allen Feldern passieren.

In dem Fokus, der im Moment wahrzunehmen ist, wirkt es so, als wäre IoT eine große Welle und im nächsten Schritt wird AI integriert – nach dem Motto: zuerst wird alles vernetzt und dann wird es auch noch lernen.

Ansgar Schlautmann: AI gibt es ja auch nicht erst seit gestern. Die Frage war – was machen wir damit? Als wir vor fünfzehn Jahren M2M (machine to machine) gestartet haben, war Cloud  beispielsweise noch kein Thema. Für mich gibt es keine Abgrenzung zwischen diesen Buzzwords, sie sind für mich ein Synonym für das Enablen, wenn es darum geht Menschen einen Mehrwert zu bieten. Ich glaube, das Primat des Mehrwerts ist das Entscheidende. Ob ich eine Analytics Engine miteinbaue oder nicht, muss im Prinzip immer dem Primat des Mehrwertes folgen. Wir werde keinen schematischen Evolutionsstufen wie IOT 1, IOT 2 folgen, es wird sich einfach immer mehr miteinander verbinden.

Der Mehrwert kommt auch zu einem bestimmten Preis. Security und Datenschutz wären da die Hauptthemen. Welche Punkte haben aus Deiner Sicht den höchsten Stellenwert?

Ansgar Schlautmann: Der Sicherheitsaspekt ist überall wichtig, ein grundsätzliches Bedürfnis nach Schutz ist dem Individuum oder der Enterprise sehr wichtig. Hier sind immer zwei Seiten zu betrachten – zu einem das Schutzthema für das Individuum, das ist sehr persönlich, zum anderen die Effizienz, das ist das Unternehmensthema.

Wenn wir nun etwas weiter in die Zukunft schauen und davon ausgehen, dass sich aufgrund der neuen Technologien Anwendungsgebiete ändern, die Art der Arbeit wird sich verändern und Unternehmen werden sich von vertikaler Ausrichtung und Produktproduktion in horizontale Ausrichtung und Serviceanbieter drehen – wie kann die Unternehmenslandschaft in zehn Jahren aussehen?

Ansgar Schlautmann: Es wird einige Unternehmen geben, die sich gemäß dem Primat des Marktes, sehr stark in Nischen zurückziehen werden und innerhalb der Wertschöpfungskette als ein Modul agieren. Sie werden offen sein müssen als Spezialisten im Gesamtpaket, haben aber nicht die Kraft diesen Aggregationslayer selbst zu spielen. BMW oder Audi haben beispielsweise angekündigt, dass sie in 2025 50% ihres Umsatzes durch Services machen werden. Das finde ich relativ ambitiös, aber man muss darauf achten, dass diese Autos dann nicht mehr geschlossene System sind, sondern offen um mit der Infrastruktur, mit den Städten oder mit der Strasse zu kommunizieren. Das heißt, diese Unternehmen werden sich wesentlich breiter aufstellen müssen, sie werden sich wahrscheinlich genauso wie die Telekomindustrie die Frage stellen müssen: muss ich asset heavy bleiben – muss ich tatsächlich noch etwas produzieren? Es wird wahrscheinlich eine Art von Delayering geben, wo  das produzierendes Gewerbe beispielsweise nur Shopfloor ist, das die Assets  besitzt, die man aber anders managen muss. Und zwei, drei Level darüber gibt es ein Servicelayer, wo diese Dinge miteinander verbunden werden. Wer diesen Layer besitzen wird, ist eine schwierige Frage, aber ich glaube schon, dass es dort nicht nur in den jeweiligen Verticals zu Konsolidierungen kommen wird, sondern eben auch auf horizontaler Art und Weise.

Wo siehst Du hier die Mobilfunkbetreiber?

Ansgar Schlautmann: Wenn Sie sich geschickt anstellen, besetzen sie genau diesen Produktlayer und haben sich als eine Art Generalunternehmer positioniert, weil sie im Prinzip Daten sammeln, aggregieren und auch aufbereiten können und weil sie wissen, wie unterschiedlich Geschäftsmodelle, respektive Provisionierungsmodelle aussehen können. Das kann z.B. ein Automobilhersteller nicht, der verkauft ein Auto entweder in Bar oder per Kredit. Das sind die beiden einzigen Provisionierungsmodelle bei einem Auto. Ein Energieunternehmen verkauft Energie, aber auch nur auf auf einer monatlichen Basis und nicht in Realtime zum Beispiel. Daher haben die Telcos durchaus die Möglichkeit, sich zu positionieren. So haben wir zum Beispiel in Dubai das Konzept für DU erstellt. DU tritt quasi als General Contractor für die Smartcity in Dubai auf – on behalf of the City – aber eben mit diesem Produktenablingmodel, das damit den Mehrwert stiften, vertreiben und provisionieren kann. Ob jetzt Automobilhersteller sich dahin entwickeln können – da würde ich momentan noch ein Fragezeichen machen.

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About:
Ansgar Schlautmann, Associate Director at Arthur D. Little’s TIME practice in Frankfurt. He is responsible for the global competence center “Innovative Business Designs” which supports companies to adopt & profit from emerging technologies and business models. He previously worked for large international telcos as well as media & internet players. He is currently in charge of the growing IoT ecosystem and has completed several projects ranging from Smart Homes to Connected Cars to Industry 4.0 and Smart Cities.