Gerald Hanisch,
Gründer und Geschäftsführer RUBBLE MASTER

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Mit der Idee kleine, leistbare Maschinen zu bauen um es auch Gemeinden zu ermöglichen Bauschuttrecycling vorort zu betreiben, erdachte Gerald Hanisch, Gründer und Geschäftsführer von Rubblemaster eine komplette Geschäftssparte neu. Maßgeblich für den Erfolg in der Umsetzung war der Ansatz, Kulturentwicklung von der Stunde Null zu betreiben. Manifestiert wurde die Kultur, des etwas anderen Unternehmens in einem state-of-the-art Gebäude, in dem der Production-Flow, das Herzstück des Unternehmens, von allen Seiten einsichtig ist. So wird nicht nur eine hohe Identifikation mit dem Produkt sondern auch Verständnis und Respekt für die verschiedenen Abteilungen geschaffen.

Gerald Hanisch, Gründer und Geschäftsführer Rubblemaster HmH GmbH, spricht am 15./16 Mai am Corporate Culture Jam in der Ankerbrotfabrik in Wien.

Bauschuttrecycling hatte zum Zeitpunkt der Firmengründung von Rubblemaster die Bauwirtschaft noch nicht durchdrungen.

Gerald Hanisch: Das stimmt. Als ich das Unternehmen 1991 gegründete, gab es weder den Markt für mein Produkt noch das Produkt als solches. Eigentlich musste ich zwei Dinge entwickeln. Eine Vision des Marktes: Wie könnte Recycling vor Ort mit sehr kompakten Maschinen, die sich jeder kaufen kann, aussehen. Ähnlich dem Volkswagen-Modell. Vor Volkswagen gab es für den Durchschnittsbürger kein Auto, doch mit Volkswagen dann sehr wohl. Bevor es unsere Maschinen gab, konnte niemand mit Maschinen vor Ort Baustoffrecycling betreiben. Mit unseren Maschinen dann eigentlich jeder Baumeister. Das ist auch unser Erfolgsmodell. Wir haben die Maschinen in die Breite gestreut. Früher gab es nur ein zentrales System, dorthin lieferte man und dann wurde abgearbeitet. Zusätzlich war 1991 die Aufgeschlossenheit gegenüber Recycling noch nicht sehr hoch. Wir konnten einiges im Beton-, und Asphalt -bereich zur Aufklärung und zum Recycling beitragen.

Sie mussten zeitgleich mit der Erstellung Ihrer Maschinen den Markt auch aufbereiten. Wie ist Ihnen das gelungen?

Gerald Hanisch: Die Bauführer beispielsweise lehnten Recycling anfänglich noch ab. Dann gab es ein Schlüsselerlebnis: Mitte der 90er Jahre war ein sehr regnerischer Sommer und die Baustellen waren nicht befahrbar, da alles im Schlamm versank. Da brachten wir Recyclingmaterial hin, gebrochenen Beton, der sich sehr gut kompaktieren ließ, und plötzlich waren die Baustellen befahrbar. Das hat ein bisschen die Augen geöffnet für die Möglichkeiten, die dieses Material bietet.

Nachträglich hat sich das Aufbereiten des eigenen Marktes als nützlich erwiesen, denn wir mussten von anfang an eine breitere Sicht entwickeln. Wir verkaufen unsere Maschinen am internationalen Markt mit einer 97% Exportquote.

Wir verkaufen die Marke und ein Businessmodell, das ist mehr als eine Maschine.

Wir müssen viele Aspekte, wie Finanzierung und legistische Widerstände, mitberücksichtigen. Oft sind wir in den Basisstrukturen von Gemeinden und Kommunen beratend tätig. Dieser Aspekt und die Tatsache, dass wir ein internationales Unternehmen sind, reflektiert unsere Kultur.

Wie hat sich Ihre Kultur herausgebildet?

Gerald Hanisch: In der Pionierphase mit den technischen Widerständen und den Marktwiderständen zu kämpfen war sehr hart. In dieser Phase wurde der innere Kern stark entwickelt. Mit dem Wachstum kam die Frage: Wie können wir diesen Spirit auf eine größere Gruppe übertragen? Wir fingen an, uns mit dem Kulturthema zu beschäftigen, denn in einem kleinen Kern kann man leicht Kultur leben, man kann auf ein Bier gehen, man kann gemeinsame Aktivitäten planen, aber wie transformiert man das in die Wachstumszyklen?

Was waren Ihre Learnings?

Gerald Hanisch: Als Gründer merkte ich, wie stark es auf mich persönlich ankam kulturbildend zu sein. Wir fingen an, an unseren Prinzipien zu arbeiten, das ist bei uns ein on-going Process, den gibt es nach wie vor, und ein Leitbild zu erstellen.

Wir erstellten eine klare Vision der Positionierung des Unternehmens und wie wir miteinander arbeiten wollen. Das nicht nur nieder zu schreiben sondern es tatsächlich zu leben, war für uns wesentlich.

Es gab hier auch Niederlagen und Leute, die uns verlassen haben, aber auch Leute, die dazugekommen sind. Wir haben uns eine sehr eigenständige Unternehmenskultur erarbeitet, immer wieder mit der Behauptung, dass wir ein bisschen anders sind. Maschinen kann man zum Beispiel auch einen halben Meter über dem Boden fliegen lassen, bildhaft, um sie als “sexy Produkt” erscheinen zu lassen. Wir legen viel Wert auf Marketing und sehr viel Wert auf Produktdesign.
Und es war uns als Unternehmen wichtig, einen Integrationsprozess zu schaffen und tatsächlich hinter dem Produkt zu stehen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Gerald Hanisch: Wir schufen ein neues state-of-art Gebäude in Linz. In diesem Gebäude ist es möglich, von jeder Position in der Administration auf den Productionflow zu schauen. Man darf auch stolz sein auf das, was man da tut. Man darf miterleben, was die da unten im Productionflow tun. Umgekehrt sehen die Personen im Productionflow, dass da oben in der Administration gearbeitet wird und dass Interesse an der Produktion besteht. Es gibt eine informelle Art der Kommunikation über die Prozesse hinaus, die wir natürlich gestalten und verbessern mussten.

Haben Sie diese Kultur und Prozessgestaltung firmenintern vorgenommen?

Gerald Hanisch: Wir befassten uns fast von der Stunde Null weg mit Organisationsentwicklung. Wir holten uns dazu immer Dritte hinein, keine Berater, sondern Moderatoren, und versuchten, die Organisation immer auf dem letzten Stand zu halten. Es gibt nichts schlimmeres, als wenn man immer hinterher hechelt und das Gefühl hat, es sind alle überfordert. Das gab es natürlich auch, daher schauen wir umso mehr darauf ein bisschen ‘on top of it’ zu sein.

Auch für Kultur gibt es bestimmende Faktoren, die durchaus mit Organisation zu tun haben, wie die Klarheit und Nachvollziehbarkeit der Organisation.

Das gilt auch für Prozesse. Normalerweise führt man Prozesse ein, die dann im Unternehmen festgeschrieben werden. Das endet oft damit, dass keiner so richtig weiß, was sein Beitrag ist. Wir visualisierten daher, in Zusammenarbeit mit der TU Wien, mittels eines Tools, unsere Prozesse. Plötzlich standen die Mitarbeiter mit der Erkenntnis ‘Aha, das bin ja ich’ davor. Diese Maßnahme schuf einen hohen Integrationsgrad.

Das sind Prozess- und Organisations -getriebene Faktoren, wie gehen sie mit rein kulturellen Themen um?

Gerald Hanisch: Kultur ist uns sehr wichtig. Es muss daher Leute geben, die Kultur verantworten. Ich, als Gründer, trage diese Verantwortung sicherlich, aber es muss mehrere Leute geben.
Vor circa 15 Jahren stellte ich mir die Frage: ‘muss das immer noch ich sein, der Kultur lebt und vorgibt? –  Nein, es muss eine breitere Basis sein, denn wir leben gemeinsam Kultur. Kultur wird nicht nur von einem vorgelebt und die anderen machen ihn nach. Daher beziehen wir für diese kulturbestimmenden Faktoren unsere Mitarbeiter ein, inklusive der Lehrlinge. Die gehen zum Beispiel mit uns auf Lehrlingsmessen, da die Lehrlinge dort das Unternehmen vertreten. Natürlich begleitet von den Lehrlingsbetreuern, die über die Strukturen und Strategie Auskunft geben können, aber die Lehrlinge holen Bewerber ins Boot indem sie authentisch erzählen, dass es ihnen bei uns gefällt und sie stolz auf ihre Arbeit sind. Sie zeigen ein hohes Maß an Professionalität und Integration.

Was ist für Sie der wichtigste Faktor in der Kulturbildung?

Gerald Hanisch: Die Nachvollziehbarkeit.

Das Vorleben und die Ziele müssen schlüssig sein, genauso wie die Einsicht in diese Ziele.

Wir haben einen kooperativen Führungsstil, sehr flache Hierarchien, die Mitarbeiter können partizipieren. Wir konnten kürzlich beim Übernahmeprozess einer irischen Firma die Kulturunterschiede deutlich spüren. Die Mitarbeiter zur Partizipation aufzufordern ist eine Sache, aber man kann es nicht nur behaupten, sondern man muss es auch immer wieder vorleben und vorzeigen.

Wir versuchen uns über das eigene Unternehmensgeschehen hinaus kulturbildend zu engagieren. Es gibt Partizipitationsmöglichkeiten im Sport oder in sozialen Bestrebungen, wie Flüchtlingshilfe. Wir versuchen, möglichst breit aufgestellt zu sein und vieles im Unternehmen zum Thema zu machen.
Aber auch ganz konkret die Arbeitsumstände der einzelnen Mitarbeiter sind wichtig. Wir haben beispielsweise eine große Rate an Frauen, die nach der Karenz in unser Unternehmen eingestiegen sind oder die bereits bei uns waren, Kinder bekamen und wieder einstiegen.

Haben Sie konkrete Beispiele wie Sie an das Thema herangehen?

Gerald Hanisch: Wir überlegten zuerst was Wiedereinsteigerinnen brauchen. Das sind sehr flexible Arbeitszeitmodelle und eine Back-up-Struktur, wenn die Kinder krank sind, denn dieser Fall tritt so sicher ein wie das Amen im Gebet. Wir treten hier mit mit Verständnis und Wertschätzung entgegen.Wir starteten zum Beispiel einen Call mit dem Titel: ‘Wir brauchen euch!’ Und wendeten uns an Frauen aus dem direkten Umfeld, die ganz kurze Arbeitswege haben.

Ein weiteres konkretes Beispiel sind unsere Lehrlingsprogramme. Wir wurden dafür als bester Lehrlingsbetrieb in Oberösterreich im mittelständischen Bereich ausgezeichnet. Wir entsenden die Lehrlinge zum Beispiel nach dem zweiten Lehrjahr in fremde Länder. Wir geben unseren Lehrlingen Lehrlingsprojekte. Sie können sich Projekte, die mehr oder weniger unternehmensnah sind, aussuchen und selber verantworten und managen. Dazu bilden wir sie in Projektmanagement und Präsentationstechniken aus. Zusätzlich bieten wir im Haus Englisch und Spanisch Kurse an. Wir wollen unsere Mitarbeiter bei der Persönlichkeitsentwicklung aber auch bei der Entwicklung von Social Skills und fachlichen Skills unterstützen.

Vielfalt und Wertschätzung klingt da sehr stark durch. Welche Maßnahmen planen Sie um diesen Erfolg so weiter führen zu können beispielsweise im Bereich der Digitalisierung?

Gerald Hanisch: Mein Credo dazu ist:

Einer Digitalisierungsinitiative muss immer Organisationsentwicklungs- und Prozessentwicklungsinitiative vorangehen und teilweise eine Kulturinitiative.

Wo will man sich positionieren? Wenn diese Frage geklärt ist, dann sollte man über Digitalisierung nachdenken und nicht umgekehrt. Denn sonst geschieht das, was schon Helmut Qualtinger so gut beschrieb: ‘Ich weiß zwar nicht wo ich hin will, aber dafür bin ich schneller dort.’ – So stellen sich für mich die Digitalisierungs- und Industrie 4.0 Schlagwörter gerade dar. Ich denke, wenn man nicht vorher seine Hausaufgaben gemacht hat und weiss, wie die eigene Organisation aussieht, Klarheit über die eigene Positionierung hat, weiss wie die Märkte sich verhalten und wie man diese mittels Kommunikationsstrategie bearbeitet, braucht man mit der Digitalisierung gar nicht anfangen.

Wie sieht es mit den vielbefürchteten Jobverlusten aus?

Gerald Hanisch: Die Digitalisierung wird leider immer mit Angst besetzt. In unserem Unternehmen sehen wir, dass selbst in niedrig qualifizierten Bereichen mehr Jobs nachgefragt werden und neue entstehen. Für mich ist das beste Beispiel, dass ich persönlich, jenseits dieser Digitalisierungswelle, verzweifelt in Wien einen guten Handwerker suche, der eine Heizung ein bisschen warten kann und da spreche ich nicht über high-tech. Warum kann man nicht einmal über diese Berufe nachdenken? Wir haben eher das Problem der Mitarbeiterknappheit und arbeiten daher als strategische Maßnahme seit zwölf Jahren mit Bildungsinstituten zusammen. Wir betreiben Employer Branding und Marketing um gute Mitarbeiter zu bekommen. Im Großraum Oberösterreich werden momentan 3.000 qualifizierte Arbeitskräfte nachgefragt, die nicht besetzt werden können.

Welche Jobs werden Sie in Zukunft benötigen, die heute noch keinen Namen haben?

Gerald Hanisch: Wir brauchen Schnittstellen zur Markttechnik zum Beispiel, Brückenbauer, Moderatoren. Aber wir brauchen nach wie vor Mechatroniker, Maschinenbauer, Elektrotechniker, you name it. Wir kämpfen um jeden Konstrukteur. Wirklich. Wenn wir nicht lernen, auch überregional zu denken, werden wir in Österreich ein riesiges Standortproblem bekommen. Die Themen werden in Wien beispielsweise ganz anders gehandhabt als in Oberösterreich. Eine gemeinsame Strategie regional übergreifend zu entwickeln ist wichtig um nicht am Thema vorbei zu steuern.

www.rubblemaster.com

About:
Gerald Hanisch ist Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens RUBBLE MASTER, das sich auf die Entwicklung, Vermarktung und den Service von mobilen Brechanlagen in der Kompaktklasse spezialisiert hat, und diese in mehr als 100 Ländern auf allen Kontinenten vertreibt. Hanisch ist überdies Mitglied des Beirates Global Sales & Marketing der FH OÖ Studienbetriebs GmbH, Mitglied des UNESCO City Linz Advisory Boards und Beirat des Umwelttechnik-Clusters sowie seit 2017 Präsident des OÖ Kunstvereins.