Selma Prodanovic/CEO Brainswork,
Co-Founder AAIA, IncrediblEurope, Autorin


TF: Was hat Dich 2005 zur Gründung von Brainswork bewogen?

Ich habe nur 2 Jahre in einem großen Unternehmen mit corporate Strukturen gearbeitet. Für mich ist der Inbegriff der Corporate Road der Gedanke, dass es, wenn im Büro eine Glühbirne kaputt geht, 28 Tage dauern kann bis der Bestellweg von neuen Glühbirnen durchgeführt ist.

Ich habe daher immer in kleinen Unternehmen gearbeitet und sie aufgebaut bis ein Netzwerk von Partnern entstanden ist. So ist mir auch schnell klar geworden, dass es nicht notwendig ist eine klassische Struktur im Unternehmen zu haben. Es ist möglich und besser mit vielen Partnern zusammenzuarbeiten – das ist der Gedanke von Brainswork. Wir haben ein kleines Büro in Wien und arbeiten mit mittlerweile über 130 Partnern weltweit zusammen. Wenn alle diese Partner an einem Projekt arbeiten, dann sind das 600 Personen Das ist eine Arbeitskraft, die auch ein riesen Job machen kann.

TF: Was sind die größten Veränderungen, die in den nächsten 5 bis 10 Jahren im Arbeitsleben auf uns zukommen?

Wir können einen Trend zur Selbstverwirklichung beobachten der dazu führt, dass viele kleinere Unternehmen entstehen.

Ich habe selbst ein EPU und den grössten Teil der Zeit verbringe ich in einem EPU ähnlichen Zustand. Ich finde es aber eine Zumutung, dass ein EPU zu sein bedeutet, dass eine einzelne Person alles machen muss. Ich muss gleichzeitig Stratege sein, Umsetzer, Verkäufer und Buchhalter, aber auch mein Klopapier bestellen.
Es ist unmöglich alle diese Funktionen in eine Person zu haben. Das bedeutet, dass die Qualität leidet. Entweder kann ich meinen Job nicht mehr machen oder ich kann nicht genug akquirieren oder ich kann nicht alles verwalten. Und ich kann keine zusätzlichen Angebote wie Seminare oder Weiterbildung annehmen. Es besteht ein enormer Druck auf EPUs.
Daher ist die Entwicklung hin zu einer Struktur, in der Lose Networks gebildet werden und Leistungen getauscht werden, auch eine ganz natürliche. Der Buchhalter braucht zur Akquise eine Webseite – die Webagentur benötigt einen Buchhalter. Diese Entwicklung ist schon vorhanden, wird sich aber aus der Notwendigkeit noch verstärken. So wird es EPU ermöglicht, sich auf ihren eigentlichen Geschäftsbereich zu konzentrieren. Ein weiterer Trend ist Sharing, das ebenfalls zum Teil unserer Gesellschaft geworden ist. Die Erkenntnis, dass es nicht notwenig ist alles selbst zu erwerben, sondern aus Kostengründen, aber auch im Sinne der Nachhaltigkeit, zu teilen.

TF: Was sind die größten Chancen in der veränderten Arbeitswelt für uns?

Ich glaube, dass es noch nie so gut gewesen ist. Wir haben noch nie so viel Auswahl und noch nie so viele Möglichkeit gehabt. Die Akzeptanz in der Gesellschaft für völlig neue Jobs und völlig neue Wege ist gestiegen. Wir können unsere Arbeit wirklich nach unserem Können und Vorlieben wählen. Dadurch ändert sich auch die Qualität der Arbeit. Mit der Freude an der Arbeit haben wir auch eine ganz andere Perspektive, wenn man bedenkt, das durch die veränderten Bedingungen, auch das Pensionsalter immer weiter nach hinten rückt.

TF: Was ist die größte Herausforderung der wir uns stellen müssen?

Den Selbstverwirklichungsdrang in Kombination mit den technischen Möglichkeiten und Social Media sehe ich als Herausforderung. Auf der einen Seite ist der Anspruch an Arbeit als Mittel zur Selbstverwirklichung eine wirklich positive Entwicklung. Dieses in die Realität umzusetzen ist für manche allerdings ein schwieriger Weg. Der Druck es zu schaffen seine Arbeit zu lieben und erfolgreich zu sein ist gross, denn wir sind nur von Erfolgsgeschichten umgeben.

Zum Beispiel der Verkauf von einem Unternehmen wie Instagram ist einerseits eine schöne Geschichte, es zeigt, was alles möglich ist. Andererseits erhöht sich die Erwartung an viele junge Startups im IT- Bereich. Sie müssen wie Instagram sein, denn alles andere ist kein Erfolg. Durch die Kommunikationskanäle, die wir heute haben, vergleichen wir uns ständig mit der ganzen Welt.

Heute, wie ich auf Facebook gegangen bin, habe ich mich gefragt, ob alle diese Menschen wirklich so großartig sind und nur so großartige Sachen erleben? Denn die Postings, die man z.B. auf Facebook sieht, sind einfach tolle Geschichten. Wir hören von Freunden und Bekannten, die um die Welt reisen, sehen Fotos von den schönsten Plätzen, Leute erleben nur wunderbare Sachen und sind extrem erfolgreich.

Doch diese Postings zeigen ja nur einen bestimmten Ausschnitt des Lebens, natürlich sind nicht alle ständig glücklich, erfolgreich und Globetrotter. Diese realitätsfremde Selbstdarstellung setzt vor allem Teenager unter extremen Druck. Und ich frage mich, wie wir der jungen Generationen Selbstvertrauen geben werden. Die Fähigkeit vermitteln auch zu sagen: Ich bin genug und das ist okay was ich mache.

TF: Was ist Deine Vision?

Ich stelle mir die Welt wirklich irgendwann so vor, dass wir alle vernetzt sind. Ich meine hier nicht ‚Facebook vernetzt’ sondern im Sinne der „six degrees of separation“. Es wäre schön, wenn wir verstehen, dass wir Teil dieses Systems sind und begreifen, dass wenn etwas z. B. Süd-Korea geschieht, es uns auch hier direkt betrifft. Wenn wir durch dieses Verständnis unsere Anliegen auch gemeinsam vorantreiben können, ob das der Klimawandel ist, die Art wie wir leben oder die Art wie oder was wir essen. Veränderung geht nur gemeinsam. Ich kenne so viele tolle Leute die spannende Job machen, aber es sind einzelne Personen oder kleine Gruppen. Meine Lebensaufgabe besteht darin „to connect the connectors“. Personen, die bedeutsame Dinge tun und einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft leisten, zu unterstützen und so miteinander zu vernetzen, dass sie die Kraft bekommen, die sie auch verdienen.

www.brainswork.at
www.aaia.at
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