Prof. Nikolaus Franke/Vorstand des Instituts für Entrepreneurship und Innovation, WU Wien
TF: Welche Trends sehen Sie im Innovationsbereich mittelfristig auf uns zukommen?
Wir stecken mitten in einer umfassenden Veränderung. Das Internet und die anderen IKT-Medien führen zu einer Vernetztheit und Möglichkeiten des Austauschs von Informationen, die man nur als revolutionär bezeichnen kann. Die Auswirkungen sind mit der Erfindung des Buchdrucks vergleichbar. Wir wissen, was das damals ausgelöst hat: Aufklärung, Humanismus, Renaissance, Säkularisierung, den Beginn der Neuzeit, einen immensen kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung. Ähnlich fundamentale Auswirkungen hat auch das Internet. Und das gilt auch für den Bereich der Innovation. Früher war das die Domäne der Unternehmen. Heute kann jeder User, der eine Idee hat, mit drei Mausklicks weltweit nach Partnern suchen und sich so die ihm fehlenden Fähigkeiten aneignen. Innovation findet künftig verstärkt vernetzt und außerhalb der klassischen Unternehmensgrenzen statt. Man nennt diesen Megatrend auch „Open Innovation“.
TF: Wie binden Sie diese Trends in Ihre Tätigkeit an der WU ein?
Wir erforschen seit mehr als zehn Jahren die Möglichkeiten, die das Internet im Bereich Open Innovation bietet. Das sind Techniken wie Lead User Analysen, Crowdsourcing und Toolkits for User Innovation. Dabei kooperieren wir eng mit den anderen Forschungszentren weltweit. Nächste Woche fliege ich beispielsweise nach New York, Boston und San Franscisco, um den Kollegen dort von einem wichtigen Forschungsprojekt zu berichten, das wir gemacht haben. Aber natürlich beeinflusst das Thema auch unsere Aktivitäten im Rahmen der akademischen Lehre. Hier kooperieren wir auch eng mit der Praxis.
TF: Wie viele Unternehmen arbeiten mit dem Institut pro Semester zusammen – welche Projekte werden umgesetzt?
Wir machen jedes Semester zwischen 20 und 35 Projekte. Dabei arbeiten Studierendenteams mit einem bestimmten Partner zusammen und lösen gemeinsam mit diesem ein Problem aus dem Bereich Entrepreneurship und Innovation. Das kann die Erstellung eines Businessplans sein, eine neue Innovationsstrategie, ein neues Geschäftsmodell, eine neuartige Idee für die Vermarktung einer bestehenden Technologie oder auch ein Social Entrepreneurship Projekt. Die gemeinsame Klammer ist, dass es sich um ein innovatives, offenes Problem handeln muss, bei dem unsere Studierenden ihr theoretisches Wissen einsetzen und vertiefen können. Ich sage immer: wer schwimmen lernen will, der muss irgendwann ins Wasser, und wer Entrepreneurship und Innovation lernen will, der wird es nicht nur aus einem Buch lernen. Tatsächlich ist der Nutzen aus solchen Projekten auch beidseitig. Die Studierenden vertiefen nicht nur ihr Wissen, sie erweitern auch ihr Netzwerk und trainieren Skills wie Projektmanagement, Teamfähigkeit, Präsentieren und den Umgang mit Unklarheit. Die Projektpartner auf der anderen Seite sind begeistert vom unkonventionellen Ideen, dem Engagement und den wertvollen Ergebnissen aus den Projekten. Umgesetzt wird fast alles. Es ist also wirklich eine Win-Win-Situation.
TF: Wie viele Spin-Offs bzw. Arbeitsplätze hat das Innovationsinstitut in den letzten Jahren geschaffen?
Viele. Wobei, wir haben sie natürlich nicht selbst geschaffen, das muss man deutlich sagen. Geschaffen haben sie die Studierenden! Wir haben nur Bedingungen hergestellt, die die unternehmerischen Fähigkeiten, die Kreativität und Energie der Studierenden sinnvoll kanalisieren. Vor zwei Jahren haben wir zu den Wirkungen eine Analyse gemacht. Zwar konnten wir leider bei weitem nicht alle Absolventen aufspüren, die gehen ja oft in’s Ausland, aber trotzdem konnten wir über 150 Unternehmensgründungen identifizieren mit weit mehr als tausend Arbeitsplätzen, die entstanden sind.
TF: Was sind die größten Chancen, die im Bereich Entrepreneurship auf uns zukommen?
Die ganz große Chance ist, dass wir beginnen, das riesige Potenzial an Entrepreneurship in Österreich zu heben. Es wäre so leicht, so viel mehr zu erreichen. Es ist ja alles da. Kreative Leute, tolle Technologien, Infrastruktur, wirtschaftliche Kompetenz … Nur die Verbindung kommt noch zu kurz. Wir stehen da wir ein hungriger Mensch vor einem Berg Mehl, Wasser und Eiern. Getrennt schmeckt das nicht, nur wenn man es auf die richtige Weise zusammenfügt. Nudeln machen glücklich, Mehl allein ist verdammt staubig. Übertragen auf die Situation in Österreich bedeutet das: wir müssen technologische Kompetenz, Kreativität und betriebswirtschaftliches Know-how besser verbinden. Wir müssen die Universitäten besser vernetzen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie auch mit andern Bildungsinstitutionen kooperieren. Wir brauchen eine breitflächige Förderung von Entrepreneurship und Innovation als ein Kernziel der Bildung vom Kindergarten über die Schulen, die Universitäten bis hin zum Postgradualen Bereich.
TF: Was sind die größten Herausforderungen?
Dasselbe. Es ist nicht leicht, die Dinge zu ändern. Nach wie vor sind die Investitionen in Bildung viel zu klein, vor allem in die Herausbildung unternehmerischen Denkens. Die Politik bewegt sich nun mal langsam und öffentliche Mittel sind in Zeiten von Hypo-Alpe-Adria-Gräbern, teurem Föderalismus und teurer Frühpensionierungen nun mal knapp. Wir haben trotzdem mit der Gründung des Entrepreneurship Center Networks vor kurzem einen ersten wichtigen Schritt gesetzt. Damit verbinden wir die Universitäten in Wien und bündeln die Kräfte. Das sorgt für mehr Bewusstsein für Entrepreneurship, mehr Interdisziplinarität und mehr Kooperation zwischen den Institutionen. Aber klar, da geht natürlich noch viel mehr!
TF: Wie sollte Awareness für Entrepreneurship geschaffen werden?
Wichtig ist, dass man das ganze nicht mystifiziert. Entrepreneure sind keine Übermenschen und keine Wunderwuzzis, sondern einfach Menschen, die initiativ, flexibel und kreativ sind und die Dinge dann auch aktiv umsetzen – wenn nötig gegen Widerstände. Diese Eigenschaften sind natürlich nicht nur für Unternehmensgründungen wichtig. Im Grunde ist Entrepreneurship eine Basisfähigkeit, an der man im 21. Jahrhundert kaum mehr vorbeikommt, wenn man erfolgreich sein will. Pointiert kann man sagen: musste man für eine Karriere Englisch und Computer können, so ist es heute die Fähigkeit, unternehmerisch zu denken und zu handeln. Das braucht man auch in einem anspruchsvollen Angestelltenjob, in der Verwaltung, in der Politik … einfach überall dort, wo wir es mit Veränderungen zu tun haben und wo Malen-nach-Zahlen einfach nicht mehr ausreicht.
TF: Social Innovation – ist das wirklich ein Trend oder nur ein Strohfeuer?
Nein, das ist ein ganz wichtiger Trend! Es ist ganz wichtig, dass wir die unternehmerische Energie auch auf diesen Bereich lenken. Natürlich gibt es auch bei uns noch viele Missstände und Probleme, Armut, Bildungsmängel, Krankheiten, Umweltprobleme etc. Um sie zu bewältigen oder doch zumindest zu reduzieren ist genau dieser „Entrepreneurial Mindset“ nötig. Wir haben vor einigen Jahren darauf reagiert und den Social Impact Award in’s Leben gerufen. Das ist ein studentischer Wettbewerb zum Thema Social Entrepreneurship. Der ist sehr schnell sehr groß geworden, mit vielen hindert Teilnehmern, begleitenden Seminaren und vielen Partnern in Praxis und anderen Ländern. Und warum? Weil das ein wichtiges Thema ist und die Studierenden sich dafür begeistern.
TF: Haben Sie eine persönliche Vision?
Eigentlich nicht. Die Welt ändert sich so schnell, da sind Visionen schnell so veraltet wie ein Science Fiction Film aus dem Jahre 1975. Aber wenn Sie so fragen: ich würde es großartig finden, wenn Österreich sich auf seine unternehmerischen Wurzeln besinnen würde, wie vor hundert Jahren, als es Vordenker des Entrepreneurship wie Schumpeter und Peter Drucker hervorgebracht hat.
www.e-and-i.org
www.wu.ac.at/entrep
www.userinnovation.at
www.tu-wu-innovation.at