Prof. Dr. Alin Albu-Schäffer, Alin Albu-Schäffer, Leiter des Lehrstuhl für Sensorbasierte Robotersysteme und intelligente Assistenzsysteme TUM, Direktor des Instituts für Robotik und Mechatronik des DLR

 

,Das Thema Mensch-Roboterinteraktion in der Produktion hat einen Durchbruch erreicht, sagt Prof. Dr. Alin Albu-Schäffer, Direktor des Instituts Robotik und Mechatronik am DLR und Leiter des Lehrstuhl für Sensorbasierte Robotersysteme und intelligente Assistenzsysteme, TUM. Das heißt konkret, dass gewisse Tätigkeiten nicht mehr entweder von Menschen oder Maschinen durchgeführt werden, sondern von einem Team aus Robotern und Menschen. Wir sind an einem Punkt angelangt bei dem die technische Machbarkeit nicht mehr der einzige relevante Faktor ist, ethische Aspekte werden vor allem in den Bereichen autonomes Fahren oder Assistenzsysteme in der Altenpflege miteinbezogen.

 

 

Wie wird sich unser Alltag durch neue autonome Systeme verändern? – ein Blick in die Ereignisse der nächsten zehn Jahre

Prof. Alin Albu-Schäffer: Wir sehen jetzt schon, dass in Fabriken, vor allem im Produktionsbereich, große Veränderungen passieren. Es werden immer mehr autonome Systeme und Roboter, die mit Menschen interagieren, eingesetzt. Dieser Trend hat sich in den letzten drei bis vier Jahren herausgebildet, wir forschen allerdings schon seit zwanzig Jahren in diesem Bereich. Es sind daher relativ lange Entwicklungszyklen, die diesem Prozess vorangehen, aber jetzt hat das Thema Mensch-Roboterinteraktion in der Produktion tatsächlich einen Durchbruch erreicht. Das heißt, dass – konkret zum Beispiel in der Automobilproduktion – die Getriebeherstellung nicht mehr entweder von Menschen oder Maschinen durchgeführt wird, sondern von einem Team aus Robotern und Menschen und dass die Materialzuführung über autonome Systeme stattfindet. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren intensivieren.

Wie wirkt sich die Automatisierung auf andere Bereiche aus?

Prof. Alin Albu-Schäffer: Im persönlichen Bereich konnte man einige Produkte wahrnehmen wie Staubsauger- und Rasenmäher-Roboter beispielsweise. Der nächste große Schritt wird ist das autonome Fahren, ob das jetzt als Robotik bezeichnet wird oder nicht. Alle großen Automobilhersteller haben Pläne in den nächsten zehn Jahren fast vollständigen autonom fahrende Autos zu entwickeln. Die Entwicklung wird in Form eines Stufenplans verlaufen. Es wird zunehmend viele Assistenzfunktionen geben, aber alle Hersteller haben das Ziel bis 2025 autonom zu fahren. Für den Alltag bedeutet das, dass man sich am Abend im Restaurant vom autonomen Taxi abholen lassen kann.

Ein großes Thema, an dem wir zurzeit intensiv arbeiten und gerade ein zweites großes Projekt in Bayern starten, ist Assistenzrobotik im Alter. Wir haben in Deutschland ein demografisches Problem: Die jahrgangsstarken Jahrgänge gehen in zehn bis fünfzehn Jahren in Rente, die nächste Generation ist deutlich kleiner – mit einem ein Unterschied von einer halben Million Menschen pro Jahrgang. Es gibt etliche Pflegegipfel in denen darüber diskutiert wird, wie man mit der Pflege in den nächsten zwei Jahrzehnten umgeht. Ganz klar ist, wenn man Leuten helfen kann ein oder zwei Jahre länger zuhause zu bleiben und mehr Selbstständigkeit mit Hilfe von Assistenzsystemen zu behalten, wäre das ein großer Zugewinn. Dieses Thema wird natürlich auch aus unterschiedlichen ethischen Aspekten diskutiert. Interessant ist aber, wenn man betroffene Personen fragt, sagen alle: ‘Wenn ich einen Roboter hätte, der mir hilft einfache Dinge zu bewerkstelligen, wie Sachen vom Boden aufzuheben oder die Küche zu putzen, dann würde mir das sehr helfen.’ Im Pflegealltag haben ältere Menschen oft nur ein paar Stunden am Tag Unterstützung und sind sonst auf sich selbst angewiesen. Ob dieses Thema einen breiten Durchbruch in zehn Jahren erreichen wird ist noch unklar, ich glaube aber fest daran, dass künftig Haushaltroboter eingesetzt werden, die einem beim Putzen und Aufräumen helfen werden, aber auch in medizinischen Notfällen eingreifen können. Auch diese Entwicklung wird schrittweise vorangehen.

Ein dritter Bereich, in dem Roboter jetzt schon vermehrt eingesetzt werden, ist die Medizin oder Medizintechnik. In der Chirurgie werden heute schon Roboter, die von Chirurgen ferngesteuert werden, erfolgreich eingesetzt. Dieser Anwendungsbereich wird sich deutlich verstärken. Im Krankenhausbereich arbeitet man an mobilen Robotern und autonomer Zulieferung von Essen.

Das sind die Hauptbereiche von denen ich denke, dass sie den größten Einfluss in den nächsten Jahren haben werden. Wobei Robotik im Haushaltsbereich vermutlich als letztes am Massenmarkt den Durchbruch erleben wird, da hier der Preisdruck sehr gross ist. Für einen Preis von zum Beispiel 20.000 Euro wird im Haushalt schon sehr viel von einem Roboter erwartet. Ein Chirurgieroboter hingegen kann eine Million Euro kosten, wenn er tatsächlich effizient ist und Leben rettet.

Gibt es Pläne in der Altenpflege die Anschaffung von Robotern zu subventionieren?

Prof. Alin Albu-Schäffer: Ich denke, dass derzeit wir für ältere Personen Assistenzsysteme entwerfen, die sie tatsächlich unterstützen. Wenn der Mehrwert gegeben ist, dann werden vermutlich auch Modelle entstehen, bei denen die Krankenkasse oder Pflegekassen subventionieren. Der Hauptkritikpunkt ist ein Ethischer. Man argumentiert, dass die Leute verwahrlosen, wenn sie nur mehr mit Maschinen interagieren. Ich glaube aber, dass genau das ist ja nicht der Fall ist. Es geht darum im Alltag für die einfachsten Handhabungen Unterstützung zu bekommen.  Man muss hier klar unterscheiden, ein Roboter ist natürlich kein Ersatz für die menschliche Interaktion, aber er ist in seinen Assistenzfunktionalitäten sehr hilfreich.

Es geht nicht mehr nur darum was technisch möglich ist, sondern die ethischen Aspekte sind zu einem wichtigen Entscheidungsfaktor geworden. Ist die Beachtung von ethischen Fragen ein Thema, dass Sie in ihre wissenschaftliche Arbeit miteinbeziehen?

Dr. Alin Albu-Schäffer: In den letzten fünf Jahren haben wir uns intensiv an den unterschiedlichsten Workshops und Symposien beteiligt, die die ethischen Aspekte in Betracht ziehen. Ich bin jedes Jahr bei drei bis fünf Veranstaltungen an denen Soziologen, Juristen und Personen aus der Pflege teilnehmen. Diese Veranstaltungen finde ich sehr wichtig, denn es ist ganz klar, dass solche Entscheidungen in einem öffentlichen Diskurs herausgearbeitet werden müssen, um zu definieren wo die Grenzen und ethischen Linien liegen.

Eine oft diskutierte ethische Frage, beispielsweise im Bezug auf autonomes Fahren, wäre: Soll ein selbstfahrendes Auto – wenn es in einer engen Straße keinen Ausweg gibt – in ein Kind, einen Radfahrer oder in eine Mauer fahren und dadurch das Leben der Insassen gefährden?

Prof. Alin Albu-Schäffer: Ein ethischen Dilemma ist dadurch definiert, dass es keine zufreidenstellende Lösung hat. Das Dilemma zu konstruieren und sich dann den Kopf zu zerbrechen, wie man es löst ist eine interessante Übung, aber in der Praxis wird es tatsächlich ganz anders sein. Es wird erstmal darauf ankommen, ob man nachweisen kann, dass autonome Fahrzeuge die Unfallrate um einen Faktor Zehn oder mehr verringern können. Wenn das der Fall ist, werden sich autonome Fahrzeuge durchsetzen. In Deutschland sterben nach wie vor über 3.000 Personen pro Jahr im Straßenverkehr, wenn man diese Zahl auf 300 reduziert, wird man immer noch 300 tödliche Unfälle haben. Vielleicht wird dann ein Unfall pro Jahr so ein Dilemma sein. Natürlich muss man sich der ethischen Fragen annehmen, weil man, im Gegensatz zum impulsiven Verhalten des Menschen, bei einem Fahrzeug in voraus so eine Entscheidung einprogrammieren muss. Aber die Unfälle werden vermutlich nach wie vor nicht vorwiegend wegen Dilemmatafällen entstehen, sondern weil vielleicht doch hin und wieder die Technik versagt. Die viel wahrscheinlicheren Ursachen für Unfälle sind, dass die Technik nicht immer 100% funktioniert.

Welche Jobs werden in Zukunft in der Robotik benötigt, die heute noch keinen Namen haben?

Prof. Alin Albu-Schäffer: Die Robotik ist ein Schmelztiegel und höchst interdisziplinär. In unseren Teams sind die klassischen Ingenieursdisziplinen wie Maschinenbau und Elektrotechnik vertreten ebenso wie Informatiker und Biomediziner. Wir beschäftigen zusätzlich Psychologen und Designer. Designer im Sinne der äußeren Gestaltung des Roboters sowie auch Interaktions- und Prozessdesigner. Die Anforderungen sind extrem breit gefächert, denn man will ja eine Maschine bauen, die bestimmte Fähigkeiten des Menschen nachbildet. Das spannende an der Robotik ist, dass wir primär versuchen den Menschen zu verstehen und dieses Verständnis anhand technischer Systeme verifizieren. Wir forschen daher ebenfalls an den Schnittstellen zum menschlichen Körper, an den Funktionalitäten der Muskelströmen und leiten Daten aus den Nerven und dem Gehirn ab, um zum Beispiel Prothesen direkt anzuschließen. Da verschwindet manchmal auch die Grenze zwischen den technischen Systemen und der Biologie.

http://www.robotic.de/Alin.Albu_Schaeffer
https://www.professoren.tum.de/albu-schaeffer-alin
www.alpbach.org

About:
Prof. Albu-Schäffers (*1968) Forschungsgebiet ist der Bereich der Konzeption, sensorbasierten Programmierung, Steuerung und Regelung komplexer Robotersysteme für Manipulation und Lokomotion. Insbesondere entwickelt er Roboter und Algorithmen für die direkte, sichere und intuitive Interaktion mit Menschen und unbekannten Umgebungen. Dabei spielt die Rückkopplung vielseitiger Sensorinformationen in ultraleichten, nachgiebigen, dem Menschen nachempfun­denen Roboterkonzepten eine zentrale Rolle. Vorwiegendes Anwendungsgebiet ist die robotische Assistenz von der Raumfahrt über die industrielle Produktion, Medizin und Health-Care bis hin zu persönlichen Assistenzsystemen.

Prof. Alin Albu-Schäffer studierte Elektrotechnik an der TU Timisoara, Rumänien, und promo­vierte 2002 an der TUM. Seit 1995 ist er im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) tätig, wo er zuletzt seit 2009 die Abteilung Mechatronische Komponenten und Systeme leitete. Prof. Albu-Schäffer wurde 2012 zum Professor an der Fakultät für Informatik und gleichzeitig zum Direktor des Instituts für Robotik und Mechatronik des DLR berufen. Er ist derzeit an der TUM zwecks der Institutsleitung am DLR beurlaubt. Trotzdem ist er im reduzierten Umfang an der TUM in der Lehre tätig und leitet hier eine kleine Robotik-Forschungsgruppe.