Prof. Madara Ogot
Acting Deputy Vice-Chancellor Research, Production and Extension
Director, Research and Extension University of Nairobi

Ein Technologiesprung gepaart mit zukunftsträchtigen Regierungsentscheidungen und Förderungen schufen in Afrika, im speziellen in Kenia, eine Brutstätte für technische und Businessmodell Innovation. Durch das Vorantreiben der Mobilfunktpenetration, die aktive Bereitstellung einer ausreichend schnellen Datenverbindung, gekoppelt mit dem Ermöglichen des Konzepts von Mobile Money, entwickeln sich in Afrika Business Opportunities und neue Anwendungen von denen das überadministrierte Europa nur träumen kann. Prof. Madara Ogot Acting Deputy Vice-Chancellor Research, University of Nairobi im Interview.

Interview von Julia Weinzettl

Prof. Madara Ogot spricht am 11.Okt. 2018 am Austrian Innovation Forum in Wien.

Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde Prof. Madara Ogot von Helmut Blocher auf das Interview eingeladen.

 

Woher kommt die rasante Entwicklung in Afrika?

 

Prof. Madara Ogot: In Afrika gab es einen Technologiesprung. Aus Kostengründen wurde in Afrika niemals flächendeckend Kupferdraht für Telefonleitungen verlegt. Mit dem Aufkommen des Handys übersprang die technologische Entwicklung einfach diesen Schritt und fing gleich an, Menschen mittels Mobilfunk zu vernetzen. Die meisten Personen in Afrika hatten niemals ein Festnetz.

Als die Mobiltelefone kamen und weithin angenommen wurden, bemühte sich die Regierung, eine signifikante Verbreitung der Mobiltelefone im ganzen Land zu fördern und auch dafür zu sorgen, dass eine ausreichende Verbindungsgeschwindigkeit nicht nur für Sprache, sondern auch für Daten gewährleistet ist.

2007 kam es zu einem weiteren Game Changer in Kenia. Mobile Money, Aufladen von Kleinstbeträgen auf das Handy, ermöglichte es plötzlich, dass auch Menschen ohne Bankkonto nicht nur mittels Handy bezahlen sondern auch landesweit Geldbeträge an Privatpersonen verschicken konnten. Die meisten Kenianer, wie die meisten Afrikaner, waren aufgrund ihres niedrigen Einkommens nicht in der Lage, ein Bankkonto zu eröffnen. Nicht nur hatten sie zu wenig Geld, sie mussten das Geld, das sie hatten, auch fast so schnell ausgeben, wie sie es verdient hatten.

Das Aufkommen von Mobile Money ermöglichte es gewöhnlichen Leuten, über größere Distanzen an der Wirtschaft teilzunehmen.


Bill Hogan, Chicago Tribune 2011

Wie können sich Personen mit so niedrigem Einkommen ein Handy und Mobiltelefonie leisten?

Prof. Madara Ogot: In Kenia zahlen die meisten Leute für ihre Telefondienstleistungen im voraus, indem sie Prepaidkarten an kleinen Ständen kaufen. Auf diese Weise kann man auch mit kleinen, überschaubaren Beträgen Mobiltelefonie nützen. Viele Menschen in den Städten riefen ihre Verwandten in ländlichen Gebieten an. Das lag daran, dass das Einkommen in der Stadt höher war als auf dem Land. Deshalb schickten sie auch Telefongutschriften in den ländlichen Raum. So erhöhten sie die Anzahl der Anrufe von der Stadt aufs Land und das Versenden der Gutschriften erhöhte auch die Anzahl der Anrufe im ländlichen Gebiet selbst.

Daraus entstand das Konzept des Mobile Money?

Prof. Madara Ogot: Mit dem Aufkommen von Mobile Money hat das Handy eine zusätzliche und mittlerweile sehr wichtige Funktion übernommen. Auch Kleinstbeträge, wie eine Banane am Markt, können damit bezahlt werden. Mit der Idee des Versendens von Gutschriften über das Handy begann ein Konzept aus dem sich eine ganze Wertschöpfungskette entwickelt hat. Es wurde extrem einfach, Geld durch das Land zu verschicken. So begannen die Leute ihre Telefone auch als Bankkonto oder mobile Geldbörse – wenn auch nur für kleine Summen – zu benutzen, indem sie Geld von Telefon zu Telefon überwiesen. In Kenia akzeptiert inzwischen praktisch jedes Unternehmen die Zahlung mit mobilem Geld. Diese Nutzung ist mit der Nutzung von Kreditkarten in Europa zu vergleichen.

Die Menschen wurde immer kreativer in der Nutzung dieses Systems, es entstanden verschiedenste Anwendungen.

Aufgrund von Mobile Money und den Daten, die dadurch generiert werden, ergibt sich ein Shift im Wirtschaftssystem, Banken kooperieren mit Mobilfunkbetreibern.

Prof. Madara Ogot: Mobilfunkbetreiber verfügen plötzlich auch über die Daten des Zahlungsverhaltens ihrer Nutzer. Menschen ohne Chance auf ein Bankkonto erhalten plötzlich einen Credit Score, da man einen Überblick über ihre Zahlungsmöglichkeiten und Zahlungsmoral aufgrund der Verwendung von Mobile Money erhält. Microcredite werden an Menschen vergeben, die noch nie eine Bank betreten haben (und vielleicht auch nie betreten werden). Die Banken erkennen jetzt nicht nur, dass ihnen ein Markt entgangen ist, sondern sehen auch im Hinblick auf künftige Entwicklungen die Notwendigkeit mit den Mobilfunkbetreibern zu kooperieren.

Aus diesem Konzept entstanden noch ganz andere Anwendungen, haben Sie dafür ein Beispiel?

Prof. Madara Ogot: Ein weiterer möglicher Technologiesprung ist die Verbreitung von Solarpanels. Mittels kleiner Kredite können Personen am Land, die bisher ohne Strom lebten, nun durch das eigene Panel Strom durch Sonnenenergie gewinnen. Der Mix aus der schnellen Datenverbindung gepaart mit den Zahlungsmöglichkeiten und Daten von Mobile Money eröffnet mannigfaltige Nutzungsmöglichkeiten ebenfalls im Gesundheits-, im Versicherungs- und im Landwirtschaftsbereich. Es kam auch zu einer Eindämmung der Korruption. Mittelsmänner, die die Landwirte typischerweise in der Empfehlung zum Anbau von Saatgut und Pflanzen sowie bei Empfehlungen für Düngemittel betrogen hatten, vielen durch diesen anderen Business Modelle weg.

About:
Prof. Madara Ogot ist die Ag. Stellvertretender Vizekanzler für Forschung und Entwicklung an der Universität Nairobi. Er war Mitglied des Teams, das den 10-jährigen Masterplan für Wissenschafts- und Technologieparks in Kenia entwickelt hat, und leitet das Team für die laufende Entwicklung des Innovationsparks auf einem 30 Hektar großen Gelände an der Universität.