Mag. Reinhard Birke, CEO Upstream GmbH

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Den Ausbau und die Verwaltung der digitalen Infrastruktur hat sich Upstream – next level mobility GmbH, ein 2016 gegründetes Tochterunternehmen der Wiener Stadtwerke, auf die Fahnen geheftet. Der öffentliche Zugang soll nicht nur sichergestellt sein, Partnerunternehmen können in Zukunft alle Services der öffentliche zugänglichen Verkehre über Schnittstellen in ihr eigenes Angebot aufnehmen und dieses auf einfache Art und Weise mit Mobilität verknüpfen. Sie erhalten so den Zugang zu Information und Services von Taxis, Mietautos, Öffis, Carsharing Anbietern und allen anderen Mobilitätsbetreibern – anstatt mit allen einzeln verhandeln zu müssen. Taskfarm bat die beiden Geschäftsführer, Reinhard Birke und Klaus Bamberger zum Doppelinterview.

Welche Services bietet Upstream heute an?

Reinhard Birke: Wir arbeiten daran alle öffentlich zugänglichen Verkehre, das ist heute der klassische ÖPNV mit Bus, Bim und U-Bahn mit den anderen alternativen Angeboten, wie Mietauto, Carsharing und Parkgaragen zu verbinden und das Service über einen zentralen Zugangskanal buchbar zu machen. Man kann sich informieren, reservieren, registrieren und abrechnen. Das bedeutet, dass wir alles was zur Nutzung der gesamten Mobilitätsangebote der Stadt benötigt wird, über eine Plattform allen B2B Partnern für deren Geschäftsmodelle über Schnittstellen zugänglich machen.

Wie geht Ihr hier vor?

Reinhard Birke: Dafür verknüpfen wir die Information der Verkehrsbetriebe und anderer Quellen um es der Wirtschaft oder privaten Organisationen zu ermöglichen, eigene Applikationen oder Geschäftsmodelle auf diese Infrastruktur aufzusetzen, wodurch sie letztlich auch den Endbenutzern zugänglich gemacht werden. Unseren Kunden – und wir sind nur im B2B Bereich tätig – bieten wir an, eigene Applikationen und eigene Geschäftsmodelle zu erstellen. Über eine Schnittstelle erhalten sie den Zugang zu Information und Services von Taxis, Mietautos, Öffis, Carsharing Anbietern und allen anderen Mobilitätsbetreibern – anstatt mit allen einzeln verhandeln zu müssen. Wir bieten eine digitale Vernetzungsinfrastruktur über alle Anbieter hinweg an. 
Strategisch wollen wir als Dienstleister nicht irgendwann hinter den Dachmarken Google und Apple verschwinden, wenn diese in der Zukunft generell digitalen Zugang zu Infrastruktur als Service anbieten, sondern die Infrastruktur für die Mobilität in Wien sicherstellen.

Was bedeutet Mobilität als Service?

Reinhard Birke: Mobilität als Service ist die Verknüpfung von on-demand-Mobilität. Das bedeutet weg vom individuellen Autobesitz hin zu einem durchgängigen, flexiblen, dynamischen Verkehrssystem, bei dem autonome Autos Hand in Hand mit dem öffentlichen Verkehr mit Bussystemen, mit Sharing Systemen und privaten Verkehren kombiniert werden. Diese Dinge miteinander in Kombination zu setzen und hier einen digitalen Layer zu schaffen, der nicht nur marktwirtschaftlich orientiert ist, sondern auch im Sinne einer Versorgungssicherheit agiert, ist unsere Aufgabe.

Private und öffentliche Anbieter sollen so miteinander verfliessen?

Mag. Klaus Bamberger, CEO Upstream GmbH

Klaus Bamberger: Der entscheidende Schritt, den Wien jetzt mit Upstream gegangen ist, ist das Trennen von Infrastruktur und dem Frontend, der App und das Bereitstellen der digitalen Infrastruktur auch für Dritte. Der übliche Weg wäre eine App mit dem dazugehörigen Backend als Verkehrsunternehmen zu erstellen und danach zu versuchen, dort auch Partner zu integrieren und die User Experience für den Kunden zu optimieren. Der besondere Schritt den Wien gemacht hat und der auch auf internationales Interesse stösst, ist eben die Herauslösung des Backends und das Verfügbarmachen der Infrastruktur für alle. Damit ergeben sich mindestens zwei sehr positive Effekte: einerseits die Sicherstellung, dass genau diese durchaus auch kritische digitale Infrastruktur in der eigenen Hand behalten wird und andererseits, dass eine solche Infrastruktur auch als Multiplikator fungieren kann und dadurch viel schneller und volkswirtschaftlich gesehen kosteneffizienter, neuen Lösungen generiert werden.

Wenn ich eine Partnerschaft vereinbare, kann ich die Daten nützen, die Sie zur Verfügung stellen.

Reinhard Birke: Es sind eigentlich schon Services, die wir zur Verfügung stellen.

Welche Services sind das beispielsweise?

Reinhard Birke: Zum Beispiel die Reservierung an sich. Es gibt die Daten, wo sich ein Taxi örtlich befindet, das wäre die Datenebene, wir bereiten diese Daten aber bereits auf und stellen als Service über eine Schnittstelle diese Information und darüber hinaus auch die  Reservierung und Abrechnung zur Verfügung. Diese Funktionalität können B2B Kunden dann in ihr eigenes Service integrieren. Solche Services stellen wir für alle Mobilitätsformen, die angeboten sind, in Form von Schnittstellen zur Disposition. Ich kann mir Zugtickets, Zugänge zur Parkgarage, Mietautos etc. bestellen und abrechnen. Ich bekomme also nicht nur Daten, sondern Funktionalitäten: nämlich alle Funktionalitäten, die der öffentlich zugängliche Verkehr bietet. Diese können individuell gestaltet oder mit einer eigenen Anwendung oder in einem eigenen Geschäftsmodell verknüpft werden.

Ich könnte also als Startup zum Beispiel mir einen Anwendungsbereich in Form einer Geschäftsidee überlegen und dann sozusagen bei Ihnen in der Schnittstellenliste nachschauen, ob es hier Möglichkeiten einer sinnvollen Verknüpfung gibt?

Reinhard Birke: Genau.

Wo finde ich diese Liste?

Reinhard Birke: Im Moment gibt es die Liste noch nicht öffentlich zugänglich, am besten man wendet sich direkt an uns.

Wie kann eine Partnerschaft mit Upstream aussehen, welche Kriterien gibt es um Partner zu werden?

Klaus Bamberger: Wir unterscheiden prinzipiell zwischen Mobilitätspartnern und Businesskunden. Mobilitätspartner sind die Anbieter von Mobilitätsleistungen, die mit unserer Plattform verknüpft sind. Da gibt es zu uns vereinbarte Schnittstellen und Funktionen, die abgebildet sind. Hier übernehmen wir die Inhalte, die die Partner anbieten können und wollen. Natürlich denken wir gemeinsam auch immer Richtung Endkunde – was ist das, was der Kunde wirklich will und braucht? Aber in erster Linie sind wir die Bündelstelle für sämtliche Möglichkeiten. Auf der anderen Seite und unmittelbar mit uns zusammenhängend, sind unsere Business Kunden, das können beispielsweise die Graz Linien sein, die Wiener Linien, aber auch Unternehmen aus der Privatwirtschaft.

Reinhard Birke: In punkto Kriterien, die Sie angesprochen haben, haben wir derzeit nichts vorgesehen. Man muss sich nicht speziell zertifizieren um bei uns als Kunde auf die Services zugreifen zu können. Prinzipiell steht die Plattform jedem Unternehmen, egal welcher Größe, offen. Natürlich haben wir AGBs und ein Preismodell, bei dem wir versuchen, kostendeckend für uns, den Betrieb sicherzustellen.

Zehn Jahre in der Zukunft, wie könnte das Modell aussehen oder sich weiterentwickeln?

Klaus Bamberger: Es gibt hier mehrere Stränge. Einerseits die Frage: Was kann Upstream unmittelbar zur Mobilitätswirkung beitragen? Hier bin ich fest davon überzeugt, dass wir einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, wie man mit den Ressourcen der Stadt – Energie – Raum – Zeit – intelligenter umgeht. Auf der strategischen Seite ist es hoffentlich auch in zehn Jahren so, dass eine digitale Infrastruktur ein echtes Asset für die Stadt und die Gestaltungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand ist.

Reinhard Birke: Mein Wunsch, vielleicht nicht in zehn Jahren sondern in zwanzig wäre, dass mit diesen Technologien und der Digitalisierung disruptive Geschäftsmodelle umgesetzt werden. Von autonomen Autos, Blockchain Technologie und digitalen Zugangskanälen geht ja per se keine Gefahr aus. Wovon aber letztlich eine Gefahr ausgehen kann ist, dass sie zu einem gesellschaftlichen Ungleichgewicht im Sinne marktwirtschaftlicher Dynamik beitragen. Dass Verkehr marktwirtschaftlich dominiert werden könnte. Dass wir in eine Zukunft gehen, in der shared economy bedeutet, dass der, der mehr zahlt einen höheren Share an der Economy erhält und damit auch an der Mobilität. 
Ich hoffe, dass Upstream als öffentlich-rechtliche, digitale Infrastruktur uns die Türe offen hält, dass wir Mobilität unabhängig vom Einkommen weiterhin verfügbar und zugänglich halten können. Mobilitätssicherheit in der Stadt soll keine Frage von Reichtum sein.

http://www.upstream-mobility.at/

About:
Reinhard Birke is CEO of the Upstream – next level GmbH (a subsidiary of Vienna City Lines for digital mobility services) since March 2016.After several consulting years as Manager within Accenture’s Travel and Transportation department, he joined Vienna Utility Services as Unit Lead for the department of multimodal travelling and innovation in 2013. He worked on several large scale IT transformation projects in the airline industry before joining a think tank group for urban future mobility trends. Based on this role he lead some prototype projects in the area of multimodal travelling in Austria.
He holds a masters degree in Project Management & IT

Klaus Bamberger ist seit Mai 2016 Geschäftsführer von Upstream next level mobility GmbH – eine Tochter der Wiener Linien im Bereich digitale  Mobilitätsservices. Darüber hinaus leitet er seit Oktober 2014 die Abteilung „Angebot  und Mobilität“ bei den Wiener Linien und ist dabei für die Planung erforderlicher Kapazitäten des Öffentlichen Verkehrs und für die Umsetzung kooperativer Projekte im Bereich multimodaler Mobilität verantwortlich. Zuvor war er stv. Leiter der Abteilung Strategie, Organisation und Managementsysteme und setzte dabei verschiedene strategische Projekte für die Wiener Linien um. Er hat an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Sheffield Hallam University studiert und als Mag. (Handelswissenschaften) abgeschlossen.