Mag.a Doris Pulker-Rohrhofer
Geschäftsführerin / Managing Director COO Wiener Hafen, GmbH & Co KG
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Logistik bekommt einen anderen Stellenwert, nicht zuletzt durch den Onlinehandel, der extreme Auswirkungen auf den Paketverkehr verzeichnet. Vermehrtes Verkehrsaufkommen bedeutet mehr Stau und auch verstärkte Umweltbelastung. Durch die Ökologisierung wird der Verkehr wieder verstärkt auf die Bahn und auch auf die Binnenwasserstraße verlagert, sagt Mag.a Doris Pulker-Rohrhofer, Geschäftsführerin Wiener Hafen. Die weitere Zukunft bringt auch strukturelle Veränderungen wie dynamische Mehrfachnutzung der Infrastruktur, autonomes Zuliefern und die Entstehung von Dark Stores – Lagerhallen, aus denen über das Physical Internet bestellt und geliefert wird.
Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde Doris Pulker-Rohrhofer von Helmut Blocher, Geschäftsführer Succus Gmbh, auf das Interview eingeladen. Sie spricht am 16./17 Oktober 2019 am Austrian Innovation Forum.
Der Online Handel stellt die Logistik vor neue Herausforderungen, wie geht der Wiener Hafen damit um?
Doris Pulker-Rohrhofer: Eine unserer Aufgabe als Hafen ist die Versorgung der Stadt mit Logistikdienstleistungen. Der extrem zunehmende Online-Handel, der durch die Digitalisierung ausgelöst wurde, hat Auswirkungen auf den Paketverkehr. Wir haben im Jahr 62 Millionen Paketlieferungen in Wien, Tendenz steigend. Der Konsument ist einerseits Verursacher, er möchte das Paket schnell und pünktlich geliefert bekommen. Andererseits ist er Leidtragender, denn niemand möchte, dass Verkehr vor der Haustüre stattfindet. Das ist natürlich ein Dilemma und eine große Herausforderung. Der Hafen Wien hat eine neue Logistikdienstleistung namens „Hubert“ entwickelt, die die Bündelung von Paketzustellung zu B2B-Empfängern in der Wiener Innenstadt ermöglicht.
Wir haben außerdem am Hafen Wien gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur ein Logistig-Lab thinkport VIENNA gegründet. Dort haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Logistik in der Stadt zu verbessern. Wir wollen gemeinsam mit Partnern güterlogistische Innovationen entwickeln, testen und umsetzen.
Wie sehen Sie die nächsten Entwicklungsschritte?
Doris Pulker-Rohrhofer: Ich denke, dass die Städte zunehmend über Regulierungsmaßnahmen nachdenken werden müssen. Das beinhaltet auch Einschränkungen des Verkehrs. In anderen europäischen Städten, wie London oder in italienischen Städten, werden solche Maßnahmen bereits wirkungsvoll umgesetzt. Großes Verkehrsaufkommen bedeutet ja nicht nur Stau, sondern auch Umweltbelastung.
Hier sehe ich eine große Chance für die Logistik, wenn es beispielsweise um neue Antriebe geht. Ich bin nicht sicher, ob die Elektromobilität wirklich die langfristige Lösung für die Zukunft sein wird.
Elektro-Antriebe haben derzeit auf der Langstrecke noch geringe Chancen, weil die Batterien noch nicht so lange halten. Die gesamte CO2-Bilanz, die Herstellung und Entsorgung der Batterien, ist noch fraglich, ebenso wie die Zurverfügungstellung von Ladestellen. Hier muss die Infrastruktur komplett neu gedacht werden. Dennoch gibt es viele vielversprechende Entwicklungen.
Weiters wird der Bereich autonomes Fahren auch in der Logistik interessant. In Deutschland wird gerade der schrittweise Übergang zum autonomen Fahren (Platooning) getestet. Das bedeutet, mehrere LKW fahren mit einem engen Abstand hintereinander, aber nur im ersten LKW sitzt ein Fahrer. Ansätze wie dieser werden künftig eine große Rolle spielen.
Durch die Ökologisierung wird der Verkehr wieder verstärkt auf die Bahn und auch auf die Binnenwasserstraße verlagert. Hier an der Donau ist das für uns natürlich relevant. Derzeit kommen etwa zehn Prozent unserer Waren über den Wasserweg in den Wiener Hafen. Im Vorjahr schlugen wir an die 970.000 Tonnen Rohstoffe, vor allem Mineralöl, Dünger, Kohle, Getreide und Baumaterialien, um. Heuer haben wir ein Wachstum von 14 %.
Im Vergleich zum LKW Verkehr können Güter umweltfreundlich über große Strecken transportiert werden. Schiene und Wasser haben Vorteile in der Langstrecke über weite Distanzen, in der Kurzstrecke, der Zustellung zu einzelnen Empfängern, ist der LKW derjenige, der das besser kann. Die Kombination ermöglicht umweltfreundlichere Verkehre.
Im kombinierten Verkehr werden vor allem Container und Sattelauflieger vom Zug auf den LKW umgeschlagen. Wir planen hier bei uns im Hafen Wien, auch den Umstieg von nicht-kranbaren Sattelaufliegern.
Wie funktioniert das?
Doris Pulker-Rohrhofer: Ein Großteil der Sattelauflieger ist nicht „kranbar“.
Wir wollen die Infrastruktur zu einem System zur Verfügung stellen, das es ermöglicht, diese nicht-kranbaren Sattelauflieger trotzdem umzuschlagen. An unserem Terminal 2 soll die Fläche so hergerichtet werden, dass der Zug manipuliert werden kann. Es gibt ein innovatives System, bei dem der Waggon um 90 Grad gedreht wird. Das Zugfahrzeug selbst stellt den Auflieger auf den Waggon.
Welche Mengen verladen Sie durchschnittlich pro Jahr?
Doris Pulker-Rohrhofer: Im Vorjahr verluden wir 350.000 TEU. TEU bedeutet Twenty Feet Equivalent Unit und ist die Größe eines Containers.
Wir rechnen damit, dass wir heuer, 2019, um die 400.000 TEU umschlagen werden.
Wie wird Logistik in 10 Jahren aussehen?
Doris Pulker-Rohrhofer: Ich glaube, dass sich die Städte durch den Online-Handel verändern werden. Früher wurde alles zur Post geliefert und von dort verteilt. In allen neu gebauten Wohnanlagen werden Paket Räume entstehen. Dort wird es (vielleicht sogar gekühlte) Schließfächer geben, wo Pakete übergeben werden.
Heute arbeitet jeder Paketdienstleister für sich. Es werden neue Formen der Kooperation zwischen dem Handel und der Logistik entstehen müssen, um die Herausforderung der Paketlieferungen zu bewältigen.Im thinkport VIENNA spielt die Kooperation aller Player in der Logistik eine wichtige Rolle. Wir bringen in unserem Logistik-Lab alle zusammen, die an Logistik interessiert sind. Dazu gehört auch eine dynamischere Nutzung der Infrastruktur im Sinne der Digitalisierung.
Wir stellen beispielsweise gerade einem Projekt unser Areal als Testgebiet zur Verfügung, das virtuelle Ladezonen testet. Bestimmte Abschnitte auf einer Straße können virtuell gebucht werden. Ein Abschnitt auf der Straße ist zum Beispiel im Zeitraum 8 bis 10 Uhr eine Ladezone. Zu einer anderen Zeit vielleicht ein Parkplatz für private Pkw oder ein Abstellplatz für ein Handwerker Auto, das Werkzeug oder Material ausladen muss. Dynamische, Mehrfachnutzung von Infrastruktur ist effizient.
Die Logistik wird zukünftig gewisse Aufgaben, die der Handel heute hat, übernehmen. Ein Beispiel ist das Physical Internet, das Internet der Logistik. In der Digitalisierung arbeiten wir daran, dass alle Dinge miteinander kommunizieren. Ein Zukunftsbild ist z. B. der Kühlschrank, der selbstständig Milch nachbestellen kann. Die Vision, die dahinter steckt, sind sogenannte Dark Stores. Anstelle von Geschäften wird die Ware von autonom fahrenden Fahrzeugen aus Lagern abgeholt. Sie liefert sich quasi selbst aus, sie kommt vom Lager direkt ins Fahrzeug und wird von dort zugestellt.
Diese komplett neue Logistikkette könnte Schritt für Schritt gewisse Elemente des Handels ersetzen, wie zum Beispiel Supermärkte oder Einkaufszentren. Wenn man alles im Internet bestellt, braucht man irgendwann kein Einkaufscenter mehr. Das heißt, das Einkaufscenter wird andere Funktionen übernehmen, es wird vielleicht eine Erlebniswelt werden oder ein Entertainment Center. Da wird es erforderlich sein, sich jetzt schon Konzepte zu überlegen um auch zukünftig mitspielen zu können.
Ich denke, in zehn Jahren wird sich auch die derzeitige „Null-Euro-Mentalität“, die wir bezüglich Zustellung haben, verändern. Der Wert wird sich wandeln müssen, weil ja eine Leistung dahinter steckt.
Welche Jobs werden wir in Zukunft benötigen, die heute noch keinen Namen haben?
Doris Pulker-Rohrhofer: Derzeit werden in der Logistik beispielsweise Disponenten benötigt. Das sind die Personen, die die Logistikkette organisieren. Die Auswahl mit welcher Spedition ich zusammenarbeite, hängt mit Leistung, Erfahrung und Vertrauen zusammen. Wenn aber Dinge miteinander im Physical Internet kommunizieren, wird Effizienz der wichtigste Punkt. Der effizienteste Anbieter oder das Fahrzeug, das gerade noch Laderaum zur Verfügung hat und auf der Route vorbeikommt, wird gesucht.
Trotz dieser Entwicklungen geht es in Zukunft um die menschlichen Qualitäten in der Logistik.
hafenwien.com
thinkportvienna.at
damenlogistikclub.com
About:
Doris Pulker-Rohrhofer ist Geschäftsführerin der Wiener Hafen Management GmbH und hat die organisatorische, strategische und wirtschaftliche Verantwortung für die Bereiche Hafenbetrieb, Massen- und Schwergut, Lagerlogistik, Autoterminal, Technik, Verkauf, Recht und Business Development. Sie ist Aufsichtsratsvorsitzende der WienCont GmbH, Österreichs größtem Containerterminal. Gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur hat sie das Logistik-Lab thinkport VIENNA ins Leben gerufen. Zudem ist sie Vorstand des DamenLogistikClub und setzt sich hier verstärkt für die Förderung von Frauen in der Logistikbranche ein.