Andreas Gnesda, Autor ‘Next World of Working’
und CEO teamgnesda Real Estate & Consulting GmbH

Wenn Unternehmen in ein neues Büro ziehen oder die Büroeinrichtung umgestalten wollen, bezeichnen sie das als neue Arbeitswelt. In Wirklichkeit wollen sie ausnahmslos immer veränderte Kultur sichtbar machen, sagt Andreas Gnesda, Autor ‘Next World of Working’ und CEO teamgnesda Real Estate & Consulting GmbH.
Dieser Wunsch wird mit Tischen und Räumen, mit Desksharing und Pflanzen artikuliert, weil wir in Bildern empfinden. Die neue Arbeitsumgebung ist aber nur der Rahmen in dem Unternehmenskultur stattfindet, denn Kultur ist kollektiv gelebte Werte. Wenn man an der Unternehmenskultur arbeiten will, muss man sich zuerst mit Werten und Menschen beschäftigen, sonst wird die Veränderung nicht funktionieren. Der Raum ist eine sehr plakative Manifestation von Kultur.

Interview von Julia Weinzettl

Andreas Gnesda spricht am 26.4. 2018, am Blaha Visionstag, Korneuburg.

Viele Personen verstehen unter neuer Arbeitswelt ‘Home office’ oder Desksharing. Was ist ihr Zugang?

Andreas Gnesda: Arbeiten von überall aufgrund der technischen Möglichkeiten ist ein Ansatz, der hier hinein spielt. Der Wunsch nach einer neuen Art des Arbeitens stammt ursprünglich aus der Sehnsucht nach Neugestaltung. Diese Sehnsucht hat immer etwas mit Sinnfindung und der Verwirklichung durch ein anderes Leben zu tun.
‘Next World of Working’ handelt von einer Welt, die Menschen ermöglicht – in den Worten Viktor Frankls ‘Die Gelegenheit des Lebens wahrzunehmen’. Und zwar auf eine bessere Art als bisher.

Ich komme durch meinen Beruf häufig in große Unternehmen. Die Menschen, die ich dort oft sehe und spüre, sind unfokussiert dahin vegetierende Individuen, bei denen vielleicht sogar die Bezeichnung Lebewesen fraglich geworden ist.
Sie haben keine Orientierung, keinen Fokus, keine Ausrichtung und machen Dienst nach Vorschrift. Sie arbeiten ausschließlich um Geld zu verdienen – finanzielle Absicherung ist ein wichtiger Aspekt, keine Frage – es ist aber kein Feuer und keine Begeisterung zu spüren.

Ich glaube, dass viele Menschen durch Organisationen kaputt gemacht wurden.

In jedem Menschen steckt das Bedürfnis der Verwirklichung. Viele große Organisationen ersticken diese Verwirklichung mit Prozessen und Regeln.
Das heißt dann Burnout  – mit dem Nebenaspekt, dass die Betroffenen nie ‘geburned’ haben.
Das ist eine Vergeudung von Humankapital. Für mich gibt es eine andere Arbeitswelt.

Wie sieht Ihre Arbeitswelt aus?

Andreas Gnesda: Ich bin überzeugt davon, dass es in jedem Beruf möglich ist, Teile seiner Berufung umzusetzen. Mein persönliches Anliegen ist, dass Menschen die Augen aufmachen, entdecken, was zu ihrer Berufung gehört und diese Erkenntnis in ihrem Job anwenden.
Ich weiß, dass das nicht immer ganz einfach ist und dass man es sich nicht immer aussuchen kann, aber entscheiden kann das doch nur jeder für sich selbst.
Daher hat mich auch die Ausrichtung des Blaha Visionstages inspiriert.
Eine Vision ist eine sehr starke Zukunftsvorstellung von etwas, das eine hohe Emotionalität auslöst.

Winston Churchill sagte: ‘Die Vision ist der Stern an den ich meinen Karren binde.’

das drückt es sehr schön aus.

Die Veränderungsprojekte, mit denen wir uns im Unternehmen beschäftigen, haben zwei große magnetische Pole.
Der eine Pol ist die Orientierung. Die Mission, die Anziehungskraft und Sehnsucht ausübt.
Sie ist immer emotional und kann gespürt werden.
Der andere Pol sind unsere Wurzeln, die Kraft und Energie geben.
Diese Wurzeln sind die Werte, die in uns angelegt sind.
Diese zwei Pole erzeugen ein Spannungsfeld, das ist die Bahn, auf der Veränderung stattfindet.

Ich denke es wäre wichtig, dass jeder Mensch in gewisser Weise eine Lebensvision hat.

Eine eigene Lebensvision zu haben ist für viele Personen nicht einfach.

Andreas Gnesda: Das stimmt. Es fängt damit an, dass jeder Mensch sich selbst kennt.
Dazu muss man sich mit sich selbst beschäftigten um Werte zu entdecken, die als Grundlage dienen können Selbstwert zu entwickeln und Vertrauen zu sich selbst zu gewinnen.

Der Begriff, der das beschreibt, ist Selbstbewusstsein.
Alle drei Begriffe, Selbstwert, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein fangen beim ‘Selbst’ an, nicht im außen und nicht in der Wirkung auf andere.

Wir verwechseln Status und Anerkennung, die wir in der Gesellschaft bekommen wollen, oft mit Selbstbestätigung. Wenn aber die Grundkenntnis des Selbst nicht stimmig ist, laufen wir sehr angestrengt Dingen hinterher, die wir in Wirklichkeit nur in uns selbst entdecken können.
Wenn die Kenntnis des Selbst aber gegeben ist, können wir in uns selber ruhen und aus unserer eigenen Kraft heraus arbeiten.

Die Lebensvision als Grundstein für die Arbeit?

Andreas Gnesda: Genau. Der nächste Schritt ist die Umlegung der persönlichen Vision in eine Arbeitsvision. Was kann ich von meiner persönlichen Vision in meinem Job umsetzen?
Ein weiterer Schritt, den nur manche gehen, ist, diese Arbeitsvision zu einer Unternehmensvision zu entwickeln.
Nach dem Motto ‘Ich gründe ein Unternehmen, denn ich glaube so stark an meine Idee, dass ich daraus etwas größeres machen möchte und andere Menschen für diese Vision gewinne’.

Arbeit ist so ein großer Teil unseres Lebens, dass man ihn nicht ausblenden kann.
Zu sagen mein Leben fängt nach der Arbeit am Abend an oder in der Pension, das ist keine Orientierung.

Die Büroräumlichkeiten, die Sie schaffen, werden anhand der Kulturanalyse und der Frage, wohin sich das Unternehmen entwickeln will, konzipiert?

Andreas Gnesda: Wenn Unternehmen von uns ein neues Büro haben wollen, dann bezeichnen sie das als Arbeitswelt. Wenn man nachfragt, was sie für ein Bild haben, kommen Tische, Möbel, Farben und Formen. In Wirklichkeit wollen sie mit der neuen Arbeitswelt ausnahmslos immer veränderte Kultur sichtbar machen. Das wird mit Tischen und Räumen, mit Desksharing und Pflanzen artikuliert.
Daher ist es in unserem Beruf wichtig ein gutes Gefühl dafür zu haben, was wichtig ist, aber nicht zum Ausdruck kommt oder was es vielleicht schon gibt, aber noch nicht sichtbar ist.

Kultur kann sich aber nur von innen heraus entwickeln.
Werte, die in Prospekten aufgemalt werden, sind kraftlos.

Die Leistung ihres Unternehmens spannt einen breiten Bogen, um den Raum zu gestalten muss man die Werte kennenlernen.

Andreas Gnesda: Die Entwicklung meines Unternehmens kam aus der räumlich funktionalen, ästhetischen Richtung und wird mit Hilfe von Design und Architektur konzeptionell entwickelt.
Wir arbeiten immer mit einer starken Partizipation der Mitarbeiter, denn nur so kann etwas Neues entstehen.
Seit vier Jahren beschäftigen wir uns auch aktiv mit Kulturentwicklung. Dadurch hat unsere Arbeit eine weitere Dimension bekommen.
Jetzt erschließen wir gerade die nächste Dimension und beschäftigen uns mit Menschen individuell. Ergründen Werte, ihre Ausrichtung und was Menschen wichtig ist. Dieses vertiefte Wissen hilft uns, wenn auf der kulturellen Ebene Veränderung gefragt ist.
Aber das Neue entsteht immer im Unternehmen, es ist nicht etwas das wir dem Unternehmen geben, das funktioniert nicht.
Unsere Aufgabe kann ausschließlich sein den Rahmen zur Verfügung zu stellen und zu intervenieren, damit sich Kultur entwickeln kann. Wir erzeugen einen Impuls, damit man den Blick auf die richtigen Dinge wendet und damit etwas verändert.

Wie erzeugen Sie diesen Impuls?

Andreas Gnesda: Wenn man Unternehmenskultur neu gestalten will, muss man sich zuerst mit Werten und Menschen beschäftigen. Diese Werte hängen eng mit dem Menschenbild des Entscheiders zusammen. Welchen Stellenwert haben diese Menschen in seinem Arbeitskontext. Wenn man als Unternehmer weiss, was den Mitarbeitern wichtig ist und was ihre Ziele sind bzw. ihnen hilft, ihre Ziele herauszufinden und sie dann in diesem Kontext im Unternehmen einsetzt, dann werden sie einen wesentlichen Beitrag zum Ganzen leisten.
Sie werden commited und begeistert sein, zusammenarbeiten und zusammenhalten, Innovationen generieren, aus dem Gemeinsamen entsteht mehr. Das Gemeinsame gibt Leben und schafft Kultur.

Der Raum ist die Übersetzung von Kultur.

Wie ist ihre Vorgangsweise um die Kultur in Raum zu übersetzen? Verwenden Sie bestimmte Techniken?

Andreas Gnesda: Wir wenden verschiedene Techniken und Tools an, wie beispielsweise ‘Eigenland’, das ist ein systemisches, auf Gamification basierendes Tool, das wir seit Jahren einsetzen. Zur Messung von kultureller Entropie verwenden wir ‘Cultural Transformation’, ein Tool, das vor 25 Jahren von John Barret entwickelt wurde. Es enthält von über 6.000 Unternehmen Messungen. Aufgrund der großen Datensätze ist es möglich Branchen und verschiedene Unternehmenstypen zu vergleichen. Barret beschäftigt sich mit einem spannenden Modell, das den Weg von ‘Current Values’ zu ‘Desired Values’ behandelt. Er hat dazu ein wirklich aussagekräftiges Auswertungstool entwickelt.
Trotz aller Anwendungen ist aber klar:

Veränderung kann man nicht kaufen.

Was man von uns kaufen kann ist Bewusstsein zu entwickeln und die Impulse zur Veränderung zu geben. Die Qualität unserer Arbeit ist Veränderung auszulösen.
Wir mussten das auch lernen. Wir haben viele Projekte gemacht, bei denen es für einen Berater leicht war auf der Bühne Menschen zu begeistern und mitzunehmen, aber das Entscheidende ist,, wenn der Berater weg ist – was bleibt dann übrig?
Wenn keine Veränderung ausgelöst wurde, dann hat die Beratung überhaupt keinen Sinn gehabt.

Welche Jobs wird es in der Zukunft geben, die heute noch keinen Namen haben?

Andreas Gnesda: Es gibt nicht die Jobs, es gibt die Menschen. Ich glaube, es ist weitaus wichtiger sich mit den Menschen zu umgeben, mit denen man gerne arbeitet.
‘Hire for attitude – train for skills’. Ich finde es sinnvoller Menschen mit der richtigen Haltung zu beschäftigen, die etwas können, das bei uns irgendwie einen Beitrag leistet, den Rest können sie lernen. Deswegen ist es auch egal, ob wir wissen welche Jobs es in der Zukunft gibt, die kommen sowieso auf uns zu. Wenn die richtigen Menschen zusammenkommen, dann wird die Umsetzung funktionieren. Dann werden neue Leistungen entstehen und neue Produkte. Im Zuge der Digitalisierung sagt man, jeder zweite Job geht verloren, an dieses Ausmaß glaube ich nicht. Ich glaube aber mit Sicherheit daran, dass es andere Jobs geben wird. Diese Entwicklung hat auch die Geschichte so belegt. Freuen wir uns doch auf die.

Was ist Ihre Vision?

Andreas Gnesda: Meine ganz persönliche Vision ist es, Impuls und Inspiration für eine sinnvolle und ich sage es jetzt im Business Kontext ‘wertschätzende’ – gemeint ist eine ‘liebevolle’ – Arbeitswelt zu sein. Es macht mir selbst Spaß und Freude und ich glaube, dass es vielen anderen auch sehr viel geben könnte.
Leute macht etwas aus euch! Schaut nicht die ganze Zeit Serien oder dröhnt euch zu –  es ist euch viel gegeben – do something!

www.blaha.co.at

austria.teamgnesda.com

Next World of Working


About:
Andreas Gnesda, geboren 1966 in Wien, verheiratet, Vater von drei Kindern. Begeisterter Unternehmer, seit 1985 im Bereich Office Consulting tätig. Mehr als fünfhundert Projekte im In- und Ausland mit seinem Unternehmen teamgnesda unterstreichen sein Anliegen: die Schaffung von Arbeitswelten, die Menschen und Organisationen erfolgreich machen! (beispielsweise Erste Campus, Bank Austria Campus, Wirtschaftsuniversität Wien, ÖBB, Verbund, HP, Parlament, Post, OMV, Gerichtszentrum Wien, Raiffeisenbank, etc.). Seine Erfahrungen gibt er seit vielen Jahren weiter als Lektor an Universitäten, Fachhochschulen, als Key-Note-Botschafter und als Trainer. Seit 2014 ist Andreas Gnesda Präsident des Österreichischen Gewerbevereins (ÖGV), der ältesten Unternehmervereinigung Österreichs, gegründet 1839, und setzt sich dort für Unternehmertum ein.

Lebensmotto

Es macht mir große Freude, mit Kunden und Kollegen sehr gut zusammen zu arbeiten und zu sehen, dass man im Positiven geholfen und die Wege in die richtigen Bahnen gelenkt hat.