Rudolf Greger, Design-Thinking-Experte,
Service- und Produktdesigner

Gutes Design, im ästhetischen Sinn sowie im Sinn der Benutzerfreundlichkeit und Anwendungsfreude ist ein bedeutender Faktor im Erfolg eines Unternehmens. Designgesinnung, das Wissen um die Wichtigkeit der Gestaltung von Produkten und Prozessen, ist ein maßgebendes Attribut für Unternehmer um Design und dadurch Unternehmenserfolg zu ermöglichen und voranzutreiben. Designgesinnung kann gelernt, entwickelt und ausgebaut werden, sagt Rudolf Greger, Design-Thinking-Experte sowie Service- und Produktdesigner. Er beschreibt in seinen Büchern ‘6 sätze über design’ die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Anwendung von Design.

Interview von Julia Weinzettl

Rudolf Greger spricht am 26.4. 2018, am Blaha Visionstag, Korneuburg.

Sie sagen Design ist Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen Erfolg. Haben Sie dafür ein Beispiel?

Rudolf Greger: Diese Idee entwickelte ich, als ich darüber nachdachte, warum Apple so erfolgreich ist. Kurz vor der Jahrtausendwende waren sie knapp vor dem Bankrott, dann kam der iMac heraus und in Folge hatte sich das Business gut entwickelt bzw. erstmal stabilisiert. Steve Jobs hatte damals die Designer im Unternehmen gesteuert, allen voran den Chefdesigner und jetzigen CDO Johnathan Ive.
Wie tat er das? Er hatte seine eigene Vorstellung davon wie die Produkte aussehen müssen. Aber eigentlich war Steve Jobs kein Designer. Er hatte zwar ein Verständnis dafür, aber tatsächlich selbst designen konnte er vermutlich nicht. Wie könnte man das bezeichnen was er machte? Ich suchte nach einem passenden Begriff und kam auf Designgesinnung.

Menschen, die designinteressiert sind, sind Menschen mit Designgesinnung.

Ihnen steht der Sinn nach Design, alle Handlungen orientieren sich an einem Gestaltungswillen, der aber nicht nur die Oberfläche betrifft, sondern sich auch auf das Erlebnis und das Wohlfühlen der Benutzer bezieht. Dieser Gedanke zog sich durch die gesamte Produktwahrnehmung vom Betreten und Verlassen des Shops bis zum Auspacken der Geräte und der Benutzung. In Steve Jobs Biografie wird beschrieben, wie er mit den Interface- Designern besprach, warum sich ein Strich auf einem Bildschirmfenster befände. Die Grafiker meinten, er würde cool aussehen, aber Jobs Meinung war, er würde nur für zehn Minuten cool aussehen, wenn man aber acht Stunden am Tag darauf schauen müsste, dann würde man ärgerlich. Es ging ihm nicht bloß um Ästhetik. Es ging auch darum, wie sich ein Mensch fühlt, der damit arbeiten muss und die Frage, wie man die Abeit besonders angenehm machen könnte.

Mit Designgesinnung kommt auch der Wunsch nach Usability,

das Gerät muss sauber gestaltet sein, die Bedienung muss gestaltet sein, die Verpackung muss gestaltet sein, das Auspacken muss gestaltet sein, das Verkaufsgespräch muss gestaltet sein usw. Alle Dinge müssen ineinander greifen, so wie man es als Designer sieht.
Nämlich: kann ich gut bedienen und habe Freude dabei.
Natürlich muß es technisch gut funktionieren und kaufmännisch Sinn machen.

Callas Blutzuckermeßgerät/Medtrust

Sie haben sechs Sätze, die jeweils ein eigener Band sind, über Design geschrieben:

6. Unternehmer brauchen Designgesinnung.

5. Designen muss zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein.

4. Designen ist Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen Erfolg.
3. Designen verbessert das Leben der Menschen.

2. Designen verändert eine bestehende ungünstige Situation derart, dass sie einem ideal nahe
kommt.

1. Designen ist mehr als bloßes Formgeben, designen haucht dem Produkt Seele ein.

Sie geben eine Anleitung und Erklärung über die Notwendigkeit von Design für den Unternehmenserfolg.
 Vor welchem Hintergrund haben Sie diese ‘Sechs Sätze über Design’ definiert?

Rudolf Greger: Ich war sechs Jahre lang Vorstand von Design Austria (der ehemalige Berufsverband, jetzt Wissenszentrum und Interessenvertretung für Design). Als Vorstand und Sprecher des Vorstands muss man für die Mitglieder den Markt aufbereiten. Also auch Designbewusstsein in der österreichischen Unternehmerschaft fördern. Da haben sich gewisse Sätze herausgebildet, die ich immer wieder verwendete, nach über dreissig jähriger Beschäftigung mit Design.

2014 diskutierte und philosophierte ich mit dem Philosophen Eugen-Maria Schulak über Design und Philosophie und wir verknüpften diese Felder. Insbesonders sehe ich Verknüpfungspunkte der Design Disziplin, so wie ich sie sehe, mit der österreichischen Schule der Nationalökonomie. Sie konzentriert sich auf den Einzelnen und ist um das Individuum bemüht. Es geht nicht um ‘den Markt’ sondern um ‘den Kunden’. Ich fand hier gute Ansätze, die mir bei der Arbeit halfen und Erkenntnisse brachten.
Eugen-Maria Schulak hat mich angeregt und angeleitet die sechs Sätze zu finden und auszuformulieren. Die wurden definiert und die Begriffe klar gestellt. Und im Nu waren im August 100 Seiten Manuskript (ein Rohtext) da. Um die Inhalte leichter beherrschbar zu machen, splittete ich sie in 6 Bände auf, von denen drei bereits erschienen sind.

Warum liest man sie von hinten nach vorne?

Rudolf Greger: Ich begann mit dem ersten Satz, hier gibt es viel Erklärungsbedarf über die Begrifflichkeiten. Beim sechsten Satz war viel bereits erklärt und dieses Kapitel war daher recht dünn. Parallel dazu beschäftigte ich mich immer wieder – sehr oberflächlich – mit Wittgensteins Traktatus Philosophicus (ich las ihn nie vollständig und verstand ihn weit nicht). Der späte Wittgenstein war da interessanter mit seinen Sprachspielen. In den 90er Jahren benutzte ich diese Sprachspiele als Vehikel um Corporate Design Programme zu spezifizieren. Damals (und auch noch heute) legte man Corporate Design mit Regeln vergleichbar mit Gesetzestexten fest. So nutzte ich Wittgenstein, aber eben nur so lose wie man das als Designer braucht.
Später holte ich mir den Traktatus nochmal und fing von hinten an zu lesen.
Er endet mit: ‘Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.’
Wenn man einen Satz davor liest, erklärt Wittgenstein, wie er dazu kommt, der Satz davor erklärt diesen usw. Ich habe ihn wieder nicht zu Ende (oder zum Anfang) gelesen, aber es scheint so, wenn man den Traktatus von hinten nach vorne liest, wären die Erklärungen leichter zu verstehen, als wenn man vorne anfängt und sehr formalistisch erklärt bekommt wie logische Zusammenhänge sind: ‘Die Welt ist alles, was der Fall ist.’
Ich überdachte meine sechs Sätze und kam zu dem Schluß, dass es genau so wäre.

Man könnte sie besser von hinten nach vorne lesen.

Rudolf Greger: Ich hatte das Gefühl, dass es verständlicher ist sie (die 6 sätze) so zu lesen. Wir ‘Nicht-Philosophen’ fangen lieber mit dem Konkreten an, schälen den äußersten Teil der Zwiebelschale ab und sehen zum Schluß den Keim, das Abstrakte. Wenn man es vom ersten Satz liest muss man sich erst vom Abstrakten zum Konkreten durchkämpfen.

Mir geht es im Design darum Dinge gut benutzen zu können.

Wenn ich es verkehrt angehe und sage ‘lieber Herr Unternehmer sie müssen eine Gesinnung entwickeln, dann können sie den Nutzen aus dieser Dienstleistung ziehen.’, dann kann man das sofort nutzen, es geht schon los.
Wenn es noch Fragen gibt kann der Leser zum nächsten Band greifen, der die Erklärung herleitet, bei weiteren Fragen zum nächsten, usw. So muss man nicht zwangsweise 300 Seiten Text lesen, sondern nur 80 und hat schon Anknüpfungspunkte für konkrete Handlungen.

Das heißt Sie haben im Sinne des Designs auch Ihre Theorie benutzerfreundlich gestaltet.

Rudolf Greger: Ja, so ist es gedacht. Ich finde, wenn jemand eine halbe Stunde etwas fürs Geschäft liest, dann soll er auch etwas wissen, das sich im Idealfall anwenden lässt. D.h. ich muss die Information verdichten und prägnant darstellen, aber gleichzeitig soll sie verständlich sein, das ist mein Streben.

So lernen Manager, die nicht einmal annähernd Designer sind, d als Enabler zu agieren. Sie müssen weiters die richtigen Umsetzer heranholen.

Rudolf Greger: Der CEO muss interessiert sein, das bedeutet er braucht Designgesinnung. Er muss die Personen zusammen bringen und er muss sie auch aktiv unterstützen.
Das ist das wo ich einen großen Unterschied sehe.

Ich hatte dazu ein AHA – Erlebnis: Ich wollte einmal für Reisebüros als Servicedesigner ein besseres Service entwickeln und suchte Kontakt zum CEO einer bestimmten Reisebürokette. Ein Kollege sagte mir damals, ‘das offene Ohr dafür wirst du nicht bekommen, denn dafür hat er seinen Leute.’ 
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen – der CEO im allgemeinen beschäftigt sich mit seinem Zahlenwerk und mit der Unternehmensstrategie im Gehobenen und aus. Und für alles andere hat er ‘seine Leute’.
Steve Jobs hingegen beschäftigte sich mit dem Kundenbedürfnis und für alles andere hatte er ‘seine Leute’. Er kümmerte sich nur darum, dass seine Geräte gut bedienbar waren, das operative Kleinzeug hatte er angerissen, aber jemand anderem übergeben.

Die Schlußfolgerung: der Geschäftsführer muß sich mit seinem Produkt bestens auskennen, er muss Teil des Produkts sein.

Die Message der sechs Sätze geht an ihre Kunden und an junge Designer. Durch lesen, verstehen, befolgen, stellt sich Erfolg ein.

Rudolf Greger: Dann wird Unternehmenserfolg höchstwahrscheinlich eintreten. Höchstwahrscheinlich weil man natürlich unternehmerisches Geschick und Managementfähigkeiten braucht. Eine Verknüpfung der sechs Sätze mit den fünf Prinzipien von Effectuation ist eine erfolgversprechende Kombination. Es gibt viele Beispiele erfolgreicher Unternehmen wie Tesla, Virgin oder auch Ikea, die die Effectuation-Prinzipien berücksichtigen und denen man Designgesinnung unterstellen kann.

www.blaha.co.at

www.designthinktank.at
www.gp.co.at
www.rudolfgreger.at

Bücher: 6 sätze über design


About:

Rudolf T. A. Greger (www.rudolfgreger.at) ist Design-Thinking-Experte aus Erfahrung. Seit 30 Jahren (1987) beschäftigt er sich damit, durch Design das Leben der Menschen zu verbessern, 1992 mitbegründete er GP designpartners (gp.co.at), seit 2008 ist Servicedesign das zentrale Thema in seinem Wirken. Heute zählt Rudolf Greger aufgrund seines Wissens- und Erfahrungshintergrundes zu Österreichs Kompetenzführern für Servicedesign, wobei er Servicedesign breit definiert (als »Business Design«): es geht um die ganzheitliche Unternehmensgestaltung, beginnend beim Geschäftsmodell über das Produkt (das Nutzenversprechen) bis zur tatsächlichen Nutzung (Erlebnis). Seit 2012 veranstaltet Greger jährlich den vienna-servicedesignjam, eine Veranstaltung, in der den Teilnehmern Design-Thinking erlebbar gemacht wird. Um die Denkweise der Designer noch besser nutzbar zu machen, gründete er 2014 den »Design-Thinking-Tank« (designthinkingtank.at). Rudolf Greger berät Unternehmer, schreibt Bücher, hält Vorträge und veranstaltet Designjams, eine besondere Form von Workshops, um Unternehmern und Interessierten klar zu machen, dass Design zentraler Bestandteil jeder Unternehmensstrategie sein muss, wenn ein Unternehmen langfristig erfolgreich sein will.