Anneliese Breitner/ Geschäftsführerin Breitner Consulting,
Autorin von ‘Being Social’

 

TF: Wie hat sich Deine berufliche Laufbahn entwickelt und wie sehr hat sich aus Deiner Sicht die Arbeitswelt verändert?

An meinem ersten Büroarbeitsplatz als Praktikantin hatte ich eine elektrische Schreibmaschine. PC’s waren damals noch ein Statussymbol. Wenn ich das mit heute vergleiche, hat sich aus meiner Sicht schon sehr viel getan.
Wirklich spannend war es für mich, die  „dot.com Phase“ mitzuerleben, weil ich zu der Zeit, mit ein paar Studienkollegen, schon daran gearbeitet habe, Plattformen zu entwickeln. Unsere Idee war, verschiedene Medien zusammenziehen, um auf einem Blick eine Nachrichtenübersicht zu generieren. Wir sind damals im Jahr 2000 eingestiegen und mit dem letzten Schaum, der letzten Welle auch wirklich schön gestrandet, weil der Markt kurz danach eingebrochen ist.

TF: Ein großes Thema, an dem Du arbeitest und das für Unternehmen noch relativ kompliziert ist, ist das Thema der Anerkennung für Wissensbeiträge. Was können Deiner Meinung nach Unternehmen tun, um Mitarbeiter anzuerkennen, die kollaborativ zusammenarbeiten und so zusätzliches Wissen aus dem Social-Media-Bereich einbringen.

Ich habe mich darauf spezialisiert, Unternehmen dabei zu begleiten, wie sie ihre internen sozialen Netzwerktools als Kulturwerkzeuge einsetzen können. So können Möglichkeiten geschaffen werden, wie mit Wissensarbeit im Unternehmen umgegangen wird.
Wissensmanagement über Wissensmanagementtools hat in der Vergangenheit oftmals darunter gelitten, dass die soziale Anerkennung sowie die Anerkennung vom Unternehmen gefehlt haben. Bisher war es immer ein lästiges „ad-on“ für viele und lief unter: „das muss ich auch noch machen“. Die sozialen Netzwerke verstärken schwache Verbindungen in Beziehungen. Damit bringen sie heute gerade in der internen Öffentlichkeit eines Unternehmens das Wissen zur Zirkulation. Mitarbeiter können dadurch besser miterleben, wie jemand anderer mit ihrem Input umgeht. Das heißt, wenn ich heute eine Studie poste und sage „Habe ich gerade gelesen, finde ich total spannend“ und jemand anderer sagt „Das ist genau der Missing Link für mein Projekt. Vielen Dank dafür“ – Dann habe ich dafür gesorgt, dass Wissen zu zirkulieren beginnen kann. Gleichzeitig zahlt der Kollege durch seine soziale Anerkennung, auf mein emotionales Konto ein. Davon brauchen wir mehr im Unternehmen.

Eine Transformation kann dann erreicht werden, wenn das kollektive Vertrauen innerhalb des Unternehmens dahingehend gestärkt wird. Was ist es wert, wenn auf das emotionale Konto von Mitarbeitern mit „Likes“ und „Dankeschöns“ eingezahlt wird? Kommt vom Unternehmen ein großes „Dankeschön“? Trägt es zu seiner Karriere oder zu seiner Entwicklung im Unternehmen bei? Trägt es dazu bei, dass er als interner Multiplikator, Know-How-Träger wahrgenommen wird und von der Unternehmenscommunity sozial anerkannt wird? Wie kann das Unternehmen dieses Engagement anerkennen und dem Mitarbeiter das Gefühl geben: „Du engagierst dich für uns und das ist uns etwas wert!“

TF: Wie kann so ein Wert ausschauen, abgesehen vom Status? Du hast in Deiner Arbeit einige Beispiele, wie man diese Wertigkeit umsetzen könnte.

Über öffentliche soziale Netzwerke, wie Twitter, Linkedin, Facebook  & Co haben wir soziale Funktionen gelernt. Wir suchen z.B. über Hashtags nach Themen, das heißt Hashtags sind die Möglichkeiten Themen und Beiträge zu gruppieren. Wir haben über Facebook gelernt zu „liken“. Es ist viel leichter etwas zu „liken“, als Kritik auszuüben. Bei Kritik muss ich mir schon etwas überlegen und schreiben. Das ist eine größere Barriere. Das heißt, jedes soziale Netzwerk hat ein bis zwei besondere Funktionen, die als Kulturwerkzeug benutzt werden können. Das ist der erste Schritt. Wir brauchen innerhalb der Community ein Verständnis über die Nutzung dieser Funktionen. Der zweite Schritt ist, dass man diese Nutzung zählen können muss, da ist die IT gefragt. Daneben braucht es Regeln für interne die Zusammenarbeit, die man am besten so entwickelt, indem man Offline und Online Aktivitäten schafft, die aufeinander aufbauen. Für die Verankerung braucht es die Integration in die Personalprozesse. Die Mitarbeiter brauchen die Sicherheit, dass ihr Online-Verhalten bei der nächsten Karriereentscheidung berücksichtigt wird. In Zukunft werden wir innerhalb der Wissensarbeiter dadurch eine bessere Möglichkeit vorfinden, natürliche Talente herauszukristallisieren und zu definieren. Weiters können wir besser verstehen, wie in einer Organisation Themen bearbeitet und auch Probleme gelöst werden. Das sind die Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen werden. Es braucht hier ebenso einen Rahmen im Hinblick auf arbeitsrechtliche Grundlagen im Hinblick auf Betriebsvereinbarungen etc.. Da werden die Personalisten gefordert sein. Das sind Entwicklungsschritte, die wir noch vielerorts vor uns haben, damit wir Kollaboration auch leben können.

TF: Gibt es aus Deiner Sicht eine Lösung oder sind es Individuallösungen, die Du empfiehlst, wenn Du mit Unternehmen zusammenarbeitest? Gibt es eine grundsätzliche Empfehlung?

Kulturell ist die größte Herausforderung einfach die, dass die Mehrheit der Generationen, die heute im Arbeitsleben sind mit dem Glaubenssatz „Wissen ist Macht“ aufgewachsen sind und das heißt, dass ich umso mächtiger bin, je mehr ich mein Wissen zurückhalte. Das ist eine alte Denke, aber solange ein Unternehmen Mitarbeiter stärker dafür belohnt, dass sie Wissensträger sind und ihr Wissen rückhalten dürfen, solange wird Kollaboration schwer funktionieren. Denn richtig mächtig in einem kollaborativen Umfeld ist derjenige, der Wissen hat, das er teilen kann. Je besser ich in der Lage bin mein Wissen zu teilen, desto mehr Follower ich auf sozialen Netzwerken habe, desto interessanter bin ich für andere. Je mehr Wissen ich auch bereit bin zu teilen und zur Verfügung zu stellen, desto mehr werde ich auch zum Dreh und Angelpunkt innerhalb des Unternehmens. Wenn ich dieses Verhalten stärker belohne, wird sich die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter auch dorthin verschieben jemand zu sein, der zu teilen hat. Im Moment habe ich die Aufmerksamkeit noch häufig in der Denke – ich habe Wissen und das verkaufe ich teuer. Aber ich beobachte einen grundlegenden Wandel, der mit Kollaboration einhergeht.

TF: Ist das eine Grundempfehlung, die Du zur in der Veränderung der Unternehmenskultur geben würdest?

Ja. Eine grundlegende Empfehlung für Unternehmen in der Transformation ist, ein gut abgestimmtes Set an Offline- und Online-Maßnahmen aufzusetzen, die einander gegenseitig stützen.  Soziale Netzwerke unternehmensintern als Kulturwerkzeug einzusetzen, bedeutet auch geeignete Rituale zu entwickeln, das ist tatsächlich dasjenige wodurch sich attraktive Arbeitgeber voneinander unterscheiden werden. Stichwort Employer Branding: Hier gilt es klar herauszuarbeiten, was ist denn der neue Rahmen und wie schaut das „Business as usual“ 2018 bei uns aus? … und wie wollen wir dorthin?

TF: Was sind Deiner Meinung nach, die größten Veränderungen, die in den nächsten 10 Jahren im Arbeitsleben auf uns zukommen?

Höhere Eigenverantwortung unabhängig von Funktion und Arbeitsrahmen. Wenn man die Entwicklungen, die sich abzeichnen, ein bisschen weiterspielt, dann sieht man, dass der Aufbau von Communities immer wichtiger wird. Das heißt die Struktur innerhalb eines Unternehmens wird wahrscheinlich an Wichtigkeit verlieren, das Organigramm an sich, weil man mehr über cloud-computing zusammenarbeitet. Themenorientierung wird wichtiger werden als hierarchische Orientierung im Unternehmen. Zusammenarbeit zwischen Externen und Internen wird ebenfalls verschwimmen. Das ist sicher eine sehr große Herausforderung, weil es Zuständigkeiten, Rollen, Funktion, Aufgabenbereiche in Frage stellt. Die Routinearbeit wird durch die projektorientierte Arbeitsweise im Unternehmen abgelöst werden. Hier eine Balance zu finden, das ist ein großes Paket.

Das zweite große Paket ist die Vielzahl an Wahlmöglichkeiten, über die jeder von uns heute verfügt. Das heißt, wir wollen die Arbeitsgeräte, PC oder mobile Endgeräte wählen, die wir benutzen möchten. Diese Selbstbestimmtheit, die wir im Privatleben schätzen, führt in Unternehmen zu wirklichen Herausforderungen – was ermöglicht man, welchen Rahmen stellt man her? Und wie schützt man unternehmenskritische Daten?

Der dritte Punkt ist die grosse Datenmengen über die wir verfügen und dass es immer schwieriger wird, aus Daten wichtige Informationen herauszufiltern, weil man so viele Daten hat. Hier müssen wir lernen mit dieser Datenvielfalt umgehen zu können.

Im Kleinen glaube ich, wird Orientierung und ein neues Gefühl von Sicherheit immer wichtiger. Das heißt, wenn man heute in einem Unternehmen beginnt, dann ist man sozusagen über das Firmenlogo, über die Marke des Unternehmens automatisch in einem Netzwerk, in einem Firmennetzwerk. Aufgrund seiner Funktion ist man einem Team zugeordnet. Struktur im Allgemeinen gibt Sicherheit. Verändert sich die Struktur verändert sich auch unser Sicherheitsgefühl.

TF: Welche Chancen ergeben sich dadurch, dass sich die Arbeitswelt ändert? Was sind die Hauptchancen, die Du siehst?

Die Chance, die ich sehe ist, dass über soziale Netzwerke sehr schnell eine sehr hohe Reichweite erzielt werden kann. Ich erreiche meine Kunden/Mitarbeiter direkt und zu 100%, während über Medien immer höhere Streuverluste hinzunehmen sind. Das zweite Ziel ist: die Kunden wollen immer stärker in das Produkt. Das heißt jeder von uns möchte sozusagen seine Individualität auch bekommen. Sei es jetzt, ob man Facebook Kampagnen hat oder eine Tschisi-Eis zurückbekommt, bis dahin, dass man Verpackungen mitdesignen darf oder seinen eigenen Burger kreieren kann. Das sind Aspekte, die klar darstellen, dass die Grenzen zwischen Kunden und Lieferanten, zwischen Produzenten und Konsumenten immer mehr verschwimmen. Das sind Chancen, weil sie neue Geschäftsbereiche auftun, aber auch starke Risiken, weil sich bestehende Wertschöpfungsprozesse in Unternehmen dadurch verschieben.

TF: Ist das Thema Selbstbestimmung eine Herausforderung, die auf uns zukommt? Mehr Selbstbestimmung bedeutet eigentlich auch mehr Eigenverantwortung – wie sehr ist das Deiner Meinung nach gewollt?

Lifestyle wird Workstyle und damit hat der Einzelne mehr Selbstbestimmung. Das bedeutet einen größeren Schritt an Eigenverantwortung. Dadurch ergibt sich aber auch die Situation, dass durch mehr Selbstbestimmung auch die Fähigkeit sich anpassen zu können zurückgeht. Bei Jugendlichen kann man mittlerweile erkennen, dass sie Schwierigkeiten haben, sich einem Unternehmensgefüge anzupassen. Das beginnt damit, dass Unsicherheit darüber besteht, wie benehme ich mich richtig? Was löst es aus, wenn ich zu spät komme? Oder was ist, wenn ich heute gar nicht erscheine? Oder, wenn mir nichts wichtig ist? Je mehr wir elektronisch arbeiten, je mehr wir unsere Gedankenwelt verschriftlichen und bewusst schreiben, was wir ja müssen, wenn wir in sozialen Netzwerken unterwegs sind, desto mehr entwickeln wir einen anderen Umgang mit Sprache. Das direkte Gespür für die Emotionen, die entstehen, wenn man sich gegenüber sitzt, wenn man jetzt vielleicht in einem Konflikt gerät oder wenn man auch den Launen eines anderen ausgesetzt ist, das geht tendenziell zurück, man verlernt es sozusagen. Damit umzugehen, ruft bei Jugendlichen oft totale Unsicherheiten hervor und führt oftmals so zu einer Haltung: „Aber nicht mit mir! Das brauche ich mir nicht gefallen lassen “. Das ist glaube ich, früher anders gewesen, wo wir mehr auf den persönlichen Kontakt angewiesen waren als heute.

TF: Welches Thema beschreibst Du in Deinem Buch ‚Being Social’?

Ich habe mich im Rahmen einer wissenschaftlichen Tätigkeit damit auseinandergesetzt, welchen Einfluss elektronische Medien auf die Unternehmenskultur nehmen können. Die zentrale Frage, die mich beschäftigte war, was macht Kern der Unternehmenskultur aus? … und auf der anderen Seite, Wie viel Einfluss kann elektronische Kommunikation darauf nehmen. Letztlich kann man es sehr einfach herunterbrechen: „Kultur ist Kommunikation.“  Wenn sich die Kommunikation verändert, dann verändert sich auch die Kultur dahinter.
Nachdem ich 2011 promoviert hatte wollte ich wissen, wie der Markt in Österreich aussieht und wie wir mit diesem Thema umgehen? Je mehr ich mich mit der Außenkommunikation von sozialen Netzwerken auseinandersetze, desto mehr stelle ich fest, dass die Grenzen verschwimmen. Und wenn die Grenzen verschwimmen, verschwimmen sie nicht nur innerhalb der Außenkommunikation, sondern sie verschwimmen auch zwischen der Innen-und Außenkommunikation.

Das war der Anlass eine österreichweite Studie zu machen. Es ist gelungen, Ende 2011 hierfür 150 Entscheidungsträger aus österreichischen großen Unternehmen zu finden, die sich an der Studie beteiligt haben und ihre Einschätzung abgegeben haben. Im Rahmen dieser Studie haben wir festgestellt, dass jedes vierte Unternehmen in Österreich den Außenauftritt strategisch plant, den Innenauftritt aber kaum. Eine weitere Erkenntnis war, dass sich 80% der Entscheidungsträger als kompetent im Umgang mit sozialen Netzwerken eingeschätzt haben. Ich glaube, dass das damals ein Wunschdenken war. Ich glaube, dass wir vor sehr viel höheren kommunikativen Herausforderungen stehen und dass es viele Personen gibt, die sich dem nicht  gewachsen fühlen. Ich glaube auch, dass dieses Ergebnis heute anders wäre. Die dritte große Aussage aus der Studie war, dass wir uns mit Krisenkommunikation oder Umgang mit Konflikten über Onlinemedien damals noch sehr wenig auseinandergesetzt haben. Das hat mich veranlasst, ein Buchteam zusammenzustellen, das aus verschiedenen Perspektiven arbeitet, weil das Thema einfach verschiedene Perspektiven erfordert.
Die drei Aspekte: die Studie, Erkenntnisse aus der Dissertation und Best-Case-Partner aus Österreich sind in das Buch eingeflossen. Darüber hinaus haben uns für ein sehr auffälliges Design entschieden, das einfach diese veränderten Werte und Werte-Sprache auch versinnbildlichen soll.

TF: Gibt es ein Follow-Up? Arbeitet Ihr an einer weiteren Studie oder an einem zweiten Teil?

Es wird ein Follow-Up geben. Das ist im Moment im Kopf und teilweise auf der ‚Serviette’. Das nächste Thema wird aus heutiger Sicht noch mehr auf die Kultur der Zusammenarbeit eingehen.

TF: Hast du ein Statement?

 “Kultur ist Kommunikation. Social schafft Transparenz. Eingesetzte Sprache und Symbole bringen damit eine neue emotionale Bedeutung mit sich. Das ist eine Chance, diese als Kulturwerkzeuge zu nutzen.”


Mag. Anneliese Breitner, PhD, AnneBreitner Consulting

http://www.beingsocial.at/buch/