Mag. Bernd Peter/Betreiber mycar.net

TF: Welchen Stellenwert werden mit erneuerbarer Energie (Strom, Wasserstoff) betriebene Autos mittelfristig einnehmen?

Alternative und vor allem ökologisch nachhaltige Formen der Energiegewinnung (Solarenergie, Windenergie) haben den Nachteil, dass sie anders als Speicherkraftwerke (Wasserkraft) oder konventionelle Kraftwerke (Kohle, Gas, Atom) die Energie nicht dann liefern, wenn sie gebraucht wird. Die überschüssige Energie wird von Speicherkraftwerken gespeichert in dem das Wasser in einen Stausee gepumpt wird, wenn der Strom sehr billig an der Strombörse gehandelt wird. Sobald sich der Strompreis erhöht wird das Wasser aus dem Stausee wieder in Strom umgewandelt und verkauft. Ein Vorgehen, das vor allem in Deutschland auf Kritik stößt, da dort aufgrund geographischen Gegebenheiten nur sehr wenige Stauseen möglich sind.

Dieses Jahrzehnte alte Modell wird sich ändern, wenn es gelingt Energie in größeren Mengen zu speichern. Der Dreh- und Angelpunkt ist die effiziente und schnelle Speicherung großer Mengen Energie mit vertretbarem Aufwand. Ein Ansatz dazu liefern derzeit Konzerne wie Toyota. 2015 wird der weltgrößte Autohersteller laut eigenen Angaben mit dem ersten serientauglichen Wasserstoffauto in einer nennenswerten Stückzahl auf den Markt kommen. Bisher wurden Wasserstoffautos nur in Kleinstserien produziert. Ist Toyota mit diesem Konzept erfolgreich, dann wird dies die Autoindustrie und die Energiewirtschaft revolutionieren.

Der Wirkungsgrad eines gut konstruierten Autos mit einem Verbrennungsmotor liegt bei 30%. Das liegt daran, dass viel Energie beim Getriebe, im Verbrennungsmotor, etc. verloren geht. Ein Auto das mit Strom betrieben wird, hat in der Regel kein Getriebe und es müssen keine Kolben auf und ab bewegt werden. Der Elektromotor ist viel robuster als ein Verbrennungsmotor und liefert eine konstante Leistung, während der Verbrennungsmotor die Kurbelwelle erst in eine bestimmte Umdrehungszahl versetzen muss, bevor das Fahrzeug seine volle Leistung abrufen kann.

Die zahlreichen technischen Probleme scheint Toyota gelöst zu haben. Dazu gehört vor allem die Lagerung des Wasserstoffs, die hohen Kosten der Brennstoffzellen und die erhöhten Gefahren bei einem Unfall, um nur einige zu nennen. Beim ersten Wasserstoffauto von BMW – dem Hydrogen 7 – konnte man beispielsweise regelrecht zusehen wie der Tankinhalt verdampfte. Nach 9 Tagen Standzeit lösten sich bereits 50% des Tankinhalts auf. Für einen Massenmarkt unbrauchbar.

TF: Gibt es tatsächlich massentaugliche Szenarien in diesem Bereich innerhalb der nächsten 10 Jahre?

Speziell beim Wasserstoff gibt es zwei Probleme:

1. Die effiziente Speicherung

2. Der Transport

Nicht nur die Speicherung, vor allem die Verteilung des Wasserstoffs war bisher der Hauptgrund warum sich dieses Medium bis jetzt noch nicht durchgesetzt hat. Das klassische Henne-Ei Problem wurde bis jetzt noch nicht gelöst. Soll man zuerst Milliarden in die Infrastruktur investieren und Wasserstofftankstellen bauen, ohne dass es eine entsprechende Anzahl von Fahrzeugen gibt? Oder soll man zuerst Wasserstoffautos produzieren, die man nirgendwo tanken kann und die deswegen nicht gekauft werden? Wenn Toyota 2015 tatsächlich mit mehreren 100.000 Fahrzeugen auf den Markt kommt, dann kann man davon ausgehen, dass der Konzern das Infrastrukturproblem gelöst hat. Dass Ende 2012 die erste Wasserstofftankstelle in Österreich eröffnet wurde, wird hierzu kaum beitragen. Auch die Ankündigung des deutschen Bundesministerium für Verkehr, Bau-  und Stadtentwicklung die Anzahl der Wasserstofftankstellen von 14 auf bis zu 50 Tankstellen im Jahr 2015 zu erhöhen, kann nur ein erster Schritt sein.

Wahrscheinlicher ist ein neues Konzept, das die Autoindustrie revolutionieren wird. Frei nach dem Motto: „Wenn der Kunde nicht zur Tankstelle kommt, dann kommt die Tankstelle zum Kunden“ arbeitet man bei Toyota offenbar daran die Batterie völlig durch den Wasserstofftank zu ersetzen und diesen wie die Batterie des Tesla an der Steckdose aufzuladen. Konkret wird das Auto an die Steckdose angeschlossen und der Wagen wandelt beispielsweise Wasser über Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff um und füllt somit den Wasserstofftank selbst auf. Der Kunde tankt „nur“ Wasser.

Dies hätte mehrere Vorteile:

– Die teure und schwere Batterie ist nicht mehr notwendig.

– In absehbarer Zukunft kann der Kunde auch an Wasserstofftankstellen tanken, da die Verbreitung der Autos auch die Anzahl der Wasserstofftankstellen fördert.

– Das tanken von Wasserstoff geht deutlich schneller von statten als das Aufladen einer herkömmlichen Batterie. Selbst an den Superchargern von Tesla dauert eine 80%ige Aufladung eines leeren Akkus mindestens 30 min.

TF: Welche Veränderungen werden auf in der Arbeitswelt auf uns zu kommen, wenn sich alternative Energien in der Automobilindustrie durchsetzen?

In der Autoindustrie wird die Verwendung von alternativen Energieträgern ähnlich revolutionär sein wie die der Computer für die Schreibmaschine. So werden derzeit elementare Bestandteile eines PKWs wie ein Verbrennungsmotor oder das Getriebe nicht mehr notwendig sein. Allein die milliardenschwere Industrie für Motoröle wird sich langfristig auf herbe Umsatzverluste einstellen müssen. Auf der anderen Seite werden Arbeitsplätze entstehen (z.B. in der Brennstoffzellen Industrie). Auch die Autowerkstätten werden sich umstellen müssen. Mit Strom lassen sich Autos bauen, die nahezu wartungsfrei sind.

TF: Welches sind die grössten Chancen, die sich uns bieten?

Den Ansatz, den wir bei Toyota vermuten, könnte ein völlig neues Business erschaffen, welches uns vom Erdölzeitalter ins Wasserstoffzeitalter leitet. Wasserstoff und Strom könnten zu Waren werden, die von jedem Haushalt gespeichert und gehandelt werden können. Verbunden damit ist ein Wirtschaftsaufschwung, der alles ändert was wir kennen. Der CO2 Ausstoß kann signifikant gesenkt werden. Tankstellen könnten zukünftig den Wasserstoff selbst produzieren und verkaufen oder den Wasserstoff wieder zu Strom umwandeln, wenn die Strompreise hoch sind. Anstatt weniger großer Speicherkraftwerke würden diese Funktion nun von den Tankstellen wahrgenommen werden.

TF: Welches sind die größten Herausforderungen?

Die größte Herausforderung besteht in der Lösung des Henne Ei Problems. Baut man zuerst die Tankstellen oder die Autos? Die zentrale Frage lautet wie man eine „neue“ Technologie massenmarktfähig macht. Apple hat mit dem iPhone den Handymarkt über Nacht revolutioniert. Vielleicht gelingt Toyota mit dem Wasserstoffauto dasselbe Kunststück.

TF: Hast Du eine Vision?

Mein Vision ist, dass Dinosaurier Technologien wie Speicherkraftwerke der Vergangenheit angehören und sich die Infrastruktur zur Speicherung des Stroms den Zyklen der Natur anpasst. Wenn Brennstoffzellen, Wasserstofftanks und die Erzeugung von Wasserstoff so billig sind, dass jedes Eigenheim seine eigene kleine Wasserstoffstation betreiben kann, dann könnte man den gesamten Strom, der beispielsweise von Windrädern während eines Sturms produziert wird,  in Wasserstoff umwandeln und in den Eigenheimen speichern bzw. diese könnten den überschüssigen Strom zu billigsten Konditionen kaufen (ähnlich wie die Speicherkraftwerke). Sobald der Bedarf und somit der Preis an Strom wieder steigt, können die Eigenheime den Wasserstoff über die Brennstoffzellen wieder in Strom umwandeln und ins Netz einspeisen. Der Strom würde ähnlich stark gehandelt werden wie die Google Adwords Keywords heute. Alternativ können die Haushalte natürlich ihren eigenen Strombedarf decken oder ihr Auto mit Wasserstoff tanken. Vor allem für die Tankstellenbetreiber könnte dies ein neues lukratives Geschäftsmodell werden (Speicherung und Verkauf von Wasserstoff an Endkunden oder Strom an der Börse).

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