Architektenteam Andreas Claus Schnetzer und Gregor Pils

2008 entworfen für eine Ausschreibung ist das vom Architektenteam Andreas Claus Schnetzer und Gregor Pils entworfene Palettenhaus schon weit gereist. Mehrfach preisgekrönt als Beispiel für die Umsetzung von Nachhaltigkeit und Niedrigenergie wurde es bei der Biennale in Venedig und im Museumsquartier in Wien ausgestellt. 2009 stand es in Linz im Kulturhauptstadtjahr, es reiste nach Brüssel um beim Overshoot Day Vorbild für Ressourceneinsparung zu sein und findet nun in der Blauen Lagune als begehbares Kunstobjekt die nächste Station. Die Idee der Nachhaltigkeit und optimalen Raumnutzung erweiternd präsentiert das Architektenteam das nächste Konzept. Fryraum heißt das Haus, das sich an die Lebensphasen seiner Bewohner anpasst. Das Design ist responsive und kann dadurch die Bedürfnisse von Singles, Paaren, mehrköpfigen Familien, rüstigen Pensionisten sowie die des hohen Alters in Einklang bringen. Die Kombination von Serienfertigung mit Einzelgestaltungsmöglichkeiten schafft den schmalen Grad der Leistbarkeit mit den Ansprüchen der Gesellschaft an Individualisierung zu vereinen.

 

©Blaue Lagune / Thomas Maria Laimgruber, 2017

 

Warum habt Ihr ein Haus aus Paletten gebaut?

Andreas Claus Schnetzer: Anstoß war die internationale Ausschreibung des französischen Cité de la Architécture Wettbewerbs. Ziel war es ein Gebäude zu entwickeln, das an unterschiedlichsten Standorten kostengünstig und temporär errichtet werden kann. Unsere Idee war, bestehende Materialien zu verwenden, das war damals die Palette. Wir haben der Palette, die weltweit verfügbar ist, wieder eine Funktion als Baumaterial geben.

 ©Blaue Lagune / Thomas Maria Laimgruber, 2017

Diese Ausschreibung habt Ihr auch gleich gewonnen und das Palettenhaus wurde patentiert..

Andreas Claus Schnetzer: Ja, und dadurch haben wir auch die Möglichkeit bekommen, das Gebäude zu realisieren und bei der Architekturbiennale in Venedig 2008 auszustellen. Danach wurde das Palettenhaus zur 15 Jahresfeier des Architekturzentrums im Museumsquartier in Wien aufgestellt. Dann tourte es nach Linz zur Kulturhauptstadt 2009 um gleich weiter nach nach Brüssel zum vom European Economic and Social Committee ins Leben gerufenen “Global Overshoot Day 2009” zu reisen. Dieser Tag markiert den Zeitpunkt im Jahr an dem die Menschen die Ressourcen, die die Erde reproduzieren kann, verbraucht haben. Das war damals der 25. September, ab da betreiben wir Raubbau an unserem Planeten. Dann wurde das Palettenhaus einige Jahre eingelagert. Jetzt hatten wir die Möglichkeit es in der Blauen Lagune als begehbares Kunstobjekt zu errichten. Es wird nicht verkauft sondern ist ein Statement und soll zeigen, dass es möglich ist ressourcenschonend zu wohnen.

©Blaue Lagune / Thomas Maria Laimgruber, 2017

In der Blauen Lagune, die eigens dafür eine Zone für „Architektur und Innovation“ kreierte, steht auch Euer nächstest Projekt, das LISI Haus ein Plusenergie-Atrium-Haus “LISI – Living Inspired by Sustainable Innovation”. Mit diesem Haus wurdet Ihr 2013 beim Solar Decathlon in Californien Weltmeister.

Gregor Pils:  Der Solar Decathlon ist der anspruchsvollste universitäre Wettbewerb im Bereich des nachhaltigen Bauens und wird vom US Department of Energy veranstaltet, um die Anwendung von Solar-technologien in Gebäuden zu fördern. Wir waren, gemeinsam mit Tschechien, die einzigen europäischen Teams und haben 2013 den Solar Decathlon gewonnen. Caus und ich durften ein interdisziplinäres Team aus unterschiedlichsten Fachbereichen leiten und waren  für das Projektmanagement und die Gesamtkoordination  von 70 Studenten/innen und 102 Partnerfirmen zuständig.

Aus dem Konzept des Palettenhauses und dem Erfahungen des LISI – Hauses habt Ihr Euer nächstes Projekt entwickelt – diesmal ohne Paletten.

Andreas Claus Schnetzer: Paletten gibt es in unserem Lebensphasenhaus, Fryraum, nicht. Die Grundideen des Palettenhauses, wie zum Beispiel die intelligente Raumaufteilung – die Gangfläche wird als Wohnraum genutzt, sowie die zentrale Technikeinheit, in der die gesamte Haustechnik integriert ist, haben wir für unser neues System übernommen, erweitert und optimiert.

©Bokeh Design Studio

Was kann man sich unter Lebensphasenhaus vorstellen?

Andreas Claus Schnetzer: Um den Ansprüchen unserer Zeit gerecht zu werden haben wir Serienfertigung mit Individualisierung kombiniert. Dadurch schaffen wir leistbaren, individuellen Wohnraum. Das Gebäude kann in der Größe variabel sein. Es kann mitwachsen, zum Beispiel, wenn ein Paar Kinder bekommt. Wenn die Kinder später ausziehen, kann das Gebäude wieder getrennt werden. Dadurch entstehen zwei Wohneinheiten, die vermietet werden oder auch beispielsweise an ein Kind weitergegeben werden können.

Das heisst beim Hausbau muss das Leben noch nicht durchgeplant sein.

Gregor Pils: Ganz genau, denn ich will mich bei bei der Entscheidung ein Haus zu bauen eigentlich noch nicht entscheiden wieviel Kinder ich bekomme möchte. Es gibt unterschiedliche Lebensphasen, die wir durchleben und das Gebäude sollte darauf reagieren können. Der Mensch steht im Mittelpunkt und kann alle Entscheidungen treffen, angefangen von dem Material der Fassade – Holz, Platten, etc. bis zu den Innenmaterialien, die ökologisch nachhaltig, wie Holz oder Lehm sein können. Individualität ist in allen Bereichen gegeben. Es ist ebenfalls möglich eine Photovoltaikanlage zu integrieren, den Strom selbst zu produzieren, Energie zu speichern und irgendwann auch ein Elektroauto damit zu speisen. Wenn der Bedarf da ist, kann das Gebäude autark sein. Keine dieser Entscheidungen müssen aber beim Kauf getätigt werden, sondern das Gebäude kann jeweils zum Eintritt in die nächste Lebensphase angepasst und erweitert werden. Die möglichen Erweiterungen sind initial allerdings schon vorgesehen. Es gibt verschiedene Varianten wie ein Bungalow, ein zweistöckiges Einfamilienhaus bis hin zur Verdichtung, d.h. man kann vom System her ein Doppelhaus machen, ein Reihenhaus und auch eine Wohnhausanlage. Es ist ein System, das so angelegt ist, dass es auf die individuellen Bedürfnisse eingehen kann.

©Bokeh Design Studio

Woher kommt die Idee?

Gregor Pils: Wir haben überlegt, was eigentlich das optimale Gebäude ist. Wie würden wir für uns selber bauen? Das Leben ändert sich bei jedem je nach Lebensphase immer wieder, meistens wird allerdings die Wohnsituation nicht angepasst, weil das nicht vorgesehen war. Oft sind die Kinder aus dem Haus und trotzdem wird weiterhin im kleinen Wohnzimmer gelebt, während beispielsweise der erste Stock leer steht. In einem klassischen Haus hat man keine Veränderungsfähigkeit. Für uns war Individualisierung nicht nur bei der Errichtung sondern auch im Betrieb wichtig.

Was sind eure Inspirationsquellen oder Vorbilder?

Gregor Pils: Inspirationsquelle ist immer der Bedarf der Bevölkerung. Das klassische Einfamilienhaus ist für viele einfach nicht mehr leistbar. Daher haben wir andere Systeme gefunden wie die Serienfertigung in Kombination mit Individualisierung. Zusätzlich haben wir alle Gangflächen weggelassen und so Raum gewonnen. Das Gebäude ist in der Grundfläche reduziert, Räume sind um den Haustechnikkern angeordnet. So entsteht ein Gebäude für zwei Personen auf beispielsweise 66m2, ein Gebäude für drei Personen auf 78m2 oder ein Gebäude für eine vierköpfige Familie auf 109 m2. Dabei wurde nicht bei großzügigen Wohnbereichen eingespart sondern einfach die Gangflächen weggelassen. In einem klassischen Einfamilienhaus lebt die Familie meist auf  ca.150 bis 160m2. Mit dieser Kostenreduktion ist es möglich qualitativ hochwertigere Materialien verwenden, die sich auch positiv auf die Wohngesundheit auswirken.

Das Fryraumkonzept ist zusätzlich modular erweiterbar

Andreas Claus Schnetzer: Das Gebäude kann mitwachsen. Es ist möglich zuerst eine kleinen Einheit von 109 m2 zu bauen. Zu einem späteren Zeitpunkt können zwei Zimmer dazugenommen werden, dann wächst das Gebäude und ist dann 135m2 oder grösser. Der Rohbau steht in ein paar Tagen. Die zentrale Technikeinheit, in der die gesamte Haustechnik integriert ist, wird in einem Stück auf die Baustelle geliefert. Dadurch kombinieren wir die ganzen Gewerke, d.h. die Installateursarbeiten und Elektrik werden vorinstalliert und mitgeliefert. Je nach Familienzusammensetzung und Beziehungskonstellation ist das System jederzeit wandelbar und kann sich an jede vorstellbare zukünftige Lebenssituation anpassen.

www.fryraum.com

About:
Während ihres Studiums entwickelten Andreas Claus Schnetzer und Gregor Pils ein Passivhaus aus gebrauchten Europaletten. Für dieses erhielten sie neben dem europäischen GAUDI-Preis und einer Auszeichnung beim Energy Globe 2010 noch weitere internationale Preise. Zu sehen war das Palettenhaus unter anderem bei der Architekturbiennale 2008 in Venedig, zur 15-Jahres Feier des Architekturzentrums Wien, zur europäischen Kulturhauptstadt 2009 in Linz und zum Overshootday 2009, welcher vom European Economic and Social Committee in Brüssel veranstaltet wurde. 2010 realisierten Andreas Claus Schnetzer & Gregor Pils mit lokalen Bewohnern ein Schulgebäude aus recyclebaren Materialien in einem Township in Südafrika (Johannesburg) über das sie auch einen TEDx Talk bei TEDxPannonia 2010 hielten. Beide waren an der technischen Universität in Wien Lektoren. Mit der erfolgreichen Absolvierung der ZT-Prüfung gründeten 2014 Andreas Claus Schnetzer und Gregor Pils die SchnetzerPils ZT GmbH; „Think differerent, do different”. SchnetzerPils ZT GmbH versteht sich als Architektur- und Innovationsbüro, das die Schwerpunkte Innovation, Design, Funktionalität und Energieeffizienz in den Vordergrund ihrer Arbeit stellen. Ihr Motto lautet „Think different, do different“.