Mag. Martin Maitz/geschäftsführender Gesellschafter/
Institut für Zukunftskompetenzen  

 

TF: Was sind die Veränderungen, die in den nächsten 10 Jahren im Arbeitsleben auf uns zu kommen und in weiterer Folge auch die Gesellschaft verändern?

Ich hoffe, dass wir gesellschaftlich positiv auf die kommenden Entwicklungen reagieren. Ich denke, dass das Potential vorhanden ist. Es gibt viele Projekte, deren Ziel es ist, die Gesellschaft zum Positiven zu verändern. Allerdings handelt es sich hierbei immer noch um ein Minderheitenprogramm. Die Frage ist: Wie schnell kann diese positive Veränderung greifen und wie kann man einen größeren Hebel erzielen?
Sollten wir keine Änderung zum Positiven erreichen, dann ist das Potential für soziale Unruhen auch in Europa sehr groß.

TF: Was ist Deiner Meinung nach ein Auslöser, der solche Unruhen hervorrufen könnte?

50% Jugendarbeitslosigkeit z.B. in Spanien oder Griechenland, könnte ein Auslöser sein. Wenn wir es europaweit nicht schaffen, das Thema Arbeit zu lösen, kann ein Flächenbrand schon aufgrund einer Kleinigkeit entstehen.

TF: Wie kann man diesem Szenario entgegenwirken?

Wir beschäftigen uns im Institut für Zukunftskompetenzen mit der Stärkung und Potentialentwicklung der Individuen.
Welche Kompetenzen einzelne Personen haben und wie man diese Kompetenzen am besten nützen kann, ist für uns der Grundstein zur Gesellschaftsveränderung.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Weiterentwicklung bisheriger Systeme, die nicht mehr zukunftsfähig sind. Systeme, die vor 20 Jahren Sinn gemacht haben, wie Pensionssystem über Umlagen, Steuern auf die Arbeitskraft, usw. oder die Aufteilungen zwischen Arbeitern und Arbeitnehmern, sind in der heutigen Situation nicht mehr zielführend. Wir haben mittlerweile viele verschiedene Zugänge zu Arbeit. Social Entrepreneurship oder das Konzept des Intrapreneurs, der innerhalb eines Unternehmens unternehmenerisch agiert, sind hier Beispiele. In vielen Fällen macht es keinen Unterschied mehr, ob jemand tatsächlich ein Unternehmen gründet oder in seinem Bereich unternehmerisch agiert.

Es geht vielmehr um die Frage: Was ist der unternehmerische Geist in den Menschen? Zu diesem Thema kooperieren wir auch mit der Drucker Society, sie hat die Phrase: “Becoming Entrepreneur of Society” geprägt. (Titel: „Becoming an entrepreneurial society“)

TF: Was sind die größten Chancen für unsere zukünftige Arbeitswelt?

Ich glaube, unsere Herausforderung geht über die Begrifflichkeit der Arbeitswelt hinaus. Das Individuum kann in seinem Bereich gewisse Handlungen setzen, es kann mit seiner Kaufentscheidung vieles beeinflussen. Aber, ab einem gewissen Maß, ist das Individuum mit der Arbeitssituation überfordert. Nicht die Einzelperson ist schuld, dass sie keine Arbeit findet.
Das mag bei einer Minderheit der Fall sein, aber bei Millionen in Europa hören die Möglichkeiten des Individuums als Einzelner auf.
Wir brauchen eine Entkoppelung zwischen der Logik der Wirtschaft (Gewinnmaximierung) und der Logik des Gesellschaftssystems (Wohlergehen des einzelnen Bürger und der Umwelt).
Unsere Schwierigkeit ist die Vermischung dieser beiden Logiken am Arbeitsplatz (markt). Das führt zu Herausforderungen, die in der bisherigen Lösungswegen bzw. -möglichkeiten nicht abgebildet sind. Das heißt, wir werden neue Wege finden müssen.
Ansätze dazu gibt es ja, wie z.B. die Transaktionssteuer bei Finanzen, eine Wertschöpfungsabgabe (Besteuerung der Wertschöpfung und nicht der Arbeitskraft) oder Erhöhung der Abgaben im Energiebereich. Viele gute Ideen sind gar nicht neu, aber wir schaffen es bisher nicht, sie umzusetzen.

TF: Welchen Ansatz würdest Du verfolgen, um mit dem Thema Jugendarbeitslosigkeit umzugehen?

Ich glaube, dass der Lösungsansatz bereits in der Definition liegt. Wenn wir von Massenarbeitslosigkeit sprechen, stimmt das nicht einmal zur Hälfte. Wir haben keine Massenarbeitslosigkeit, wir haben eine Massenerwerbslosigkeit, denn Arbeit hätten wir genug. Wenn sich jemand freiwillig für das Rote Kreuz engagiert oder bei der freiwilligen Feuerwehr, wenn Mütter oder Väter sich am Nachmittag auf den Fußballplatz stellen und die jungen Leute sportlich beschäftigen, wenn Personen sich im dritten Sektor engagieren, ist das für die Gesellschaft ein wesentlich wertvollerer Beitrag als einer sinnlosen Verwaltungstätigkeit nachzugehen, die komplett veraltet ist und heute nicht mehr angebracht ist. Man kann hier von Gesellschaftsnotwendiger Arbeit sprechen. Wenn dieses Umdenken in den Köpfen der Menschen Einzug hält, ist der erste Schritt schon getan.

TF: Was ist Deine persönliche Vision?

Meine Motivation leitet sich auch aus meiner eigenen Biografie ab. Ich habe eigentlich als Handwerk Fliesenleger gelernt. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich über Umschulungsmaßnahmen meine Arbeitswelt verändern. Mittlerweile bin ich beim siebten Ausbildungsweg angelangt. Ich habe an mir selbst erlebt, dass Veränderung oft als schwierig empfunden wird.
Wir versuchen im Institut für Zukunftskompetenzen Freiraum zu schaffen um Menschen das Nachdenken zu ermöglichen. Einen Raum zur Entwicklung und zur Reflexion herzustellen um dadurch die eigenen Potentiale besser zu erkennen. Wenn man es schafft, Menschen zu helfen ihre „Träume“ zu verwirklichen und die dafür notwenigen Kompetenzen zu entwickeln dann ist das automatisch der erste Schritt in die richtige Richtung.

Der nächste Schritt sind Parameter in unserer Gesellschaft, die das erlauben. Dazu gehört z.B. das Grundeinkommen, das Mann/Frau Gehaltsthema, die Alt/Jungschere im Sinne der Gleichberechtigung von Arbeit, etc… Da gibt es noch viel zu tun.
Reflexions- und  Empathiefähigkeit sind dabei wesentliche Kompetenzen, die die Gesellschaft rasch entwickeln muss um „überlebensfähig“ zu bleiben.

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