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Veränderungen im Markt brauchen kreative Arbeitsformen, neugierige Teams und unternehmerische Kompetenz. Kurz, die Fähigkeit, sich neu zu erfinden.
Christina Taylor, Managing Partner bei der Innovationsfabrik Creaholic und Autorin von ‘Oops, Innovation ist kein Zufall’ veränderte die Kultur der Telco Swisscom erfolgreich und nachhaltig indem sie Human Centered Design einführte und die Firmendenke untrennbar mit Kundenbedürfnissen verknüpfte. Ihre Learnings über Führungsverhalten und Skills, die man in Zukunft braucht, werden in den 12 folgenden Artikeln beleuchtet und geben Antwort auf die Frage: Was ist der Unterschied zwischen einem Manager und einem Sinn Geber?

Co-Created by Julia Weinzettl (Text), Christina Taylor und Wolfgang Abfalter (Bild)

  1. Die ambitionierte Muse

2. Der/die Traumteamleiter(in)

Christina Taylor: In den letzten zwanzig Jahren habe ich festgestellt, dass ein Top oder Flop zu 70% davon abhängt, wie ein(e) Projektleiter(in) das Projekt aufsetzt und führt. Diese Rolle wird oft massiv unterschätzt. Dazu muss man unternehmerisches Geschick und Menschenkenntnis beweisen, fast so als würde man ein Startup gründen. 
In größeren Unternehmen oder Konzernen sehen sich die Leute oft als Manager nicht als Unternehmer. Die Fertigkeiten eines ‚unternehmerischen Erfinders‘ werden selten gepflegt, Projektleiter fallen oft in die Rolle des ‚Administrators‘  und arbeiten Aufgaben ab anstelle Bestehendes zu hinterfragen um sinnvollere Lösungen zu finden. Die Skills zwischen einer erfinderischen Traumteamleiterin und einem Manager sind sehr unterschiedlich.

Der ‚Traum‘-Teamleiter

Träumen ist besonders im Business Kontext wichtig. Durch die Digitalisierung müssen wir uns in großen Teilen neu erfinden. Auch wenn man immer mehr agil arbeitet, das Gefühl hat, dass Arbeit manchmal extrem demokratisch geworden ist, benötigt es eine neue Form von Leadership, um diese Träume auf den Boden zu bringen. Ein Traumteamleiter ist jemand, der aus Wolken kreativer Ideen etwas mit Substanz macht und äußerst effizient ist. Im Gegensatz zum Künstler ist er/sie gewohnt im Business Kontext zu arbeiten und mit Business Plänen, technischer Restriktion oder Kunden, die sich widersprüchlich oder unklar ausdrücken, umzugehen.

Projekte für Traumteamleiter

Erfinder bekommen oft nur vage formulierte Aufträge. Oder keine. Sie kreieren sich ihre Aufträge selbst. Die Vorhaben sind manchmal konkret aber oft eher eine Wolke von Ideen gewürzt mit Ambition. Eine Stoßrichtung.
Beispielsweise: ‘Wir glauben, dass Menschen gesünder essen sowie bewusster einkaufen. Überlegt euch eine Innovation, die uns in zwei bis fünf Jahren ein paar Millionen bringt und uns neu positioniert. Nutzt dabei unsere bestehende Infrastruktur so gut wie möglich’.
Oder ‘hier ist ein bestehendes Kundenerlebnis, erfindet es völlig neu unter Betracht der technologischen Möglichkeiten die uns AI und Blockchain bieten’.

Zusammenstellung des Traumteams

Dies sind coole Projekte und ambitionierte Vorhaben. Daher ist klar, dass dies nicht ‚business as usual’ läuft. Oder nicht? Innovation ist ein exotisches Pflänzchen und braucht ein entsprechendes Klima. Das heißt, dass der Selektionsprozess für DreamTeams sehr bewusst, ehrlich und hart sein muss.
Allzu oft werden Teams ins Rennen geschickt, die eigentlich keine Chance auf Erfolg haben. Und die meisten Beteiligten, haben es gewusst.
Warum ist das so? Warum werden rare und wertvolle Ressourcen, so achtlos verschleudert?

Grund: Oft fehlt das Bewusstsein, dass innovative Vorhaben anders geführt werden müssen als ‚normale‘, operative Aufgaben. Es fehlt das Verständnis, dass es in einem Unternehmen immer zwei Kulturen geben muss. Die der Innovation, der sich ‘Neu-Erfindens’ und die der Effizienz, des radikalen Sparens von Kosten. Beide sind wichtig und müssen gepflegt und geführt sein. Daher muss bei der Vergabe eines Auftrags entschieden werden, welches Resultat erwartet wird.
Wenn es um etwas Neues geht, dann ist die Chance auf Erfolg klein, wenn der Auftrag standardmäßig in die Linie delegiert wird. Das sind meist Mitarbeiter, die gewohnt sind, Bestehendes zu wahren, hegen und pflegen. Sie haben einen operativen Job, der sie zu 100% absorbiert, indem sie erfolgreich sind und der wichtig ist. Sie haben weder die Zeit, noch die Muse, Neues zu sehen und auf den Boden zu bringen.

Für Projekte, die einen hohen kreativen Anteil benötigen, ist es daher sinnvoll Menschen mit den entsprechenden Fertigkeiten und unternehmerischem Flair zu suchen. Intern oder Extern. Eine Möglichkeit ist beispielsweise das Prinzip des ‚Marktplatzes‘. Interne Mitarbeiter und externe Spezialisten können sich pro-aktiv zu Projekten melden, wenn sie die Rolle interessiert und den Anforderungen entsprechen. Das kann z.B. ein Ingenieur sein, der ein neues Recycling-Konzept erfinden will, oder eine Kundenerlebnis Expertin, die sich für Prozessinnovation interessiert. Ein Selektionsprozess, ähnlich einem Anstellungsprozess, bietet sich an.

Lange Setup Zeit – reduzierte Floprate

Es kann bis zu drei Monaten dauern, bis man die richtigen Teammembers gefunden hat und die Rollen klar besetzt sind. Diese Zeitspanne empfindet man oft als Zeitverlust, aber nachträglich, wird diese Zeit ausnahmslos aufgeholt und der Output ist überproportional besser. Die Floprate wird fast um 70% reduziert.
Das ist zwar common knowledge und in Management Büchern nachzulesen, es wird aber fast nie so praktiziert. Als Führungskraft ist es wichtig, diesen Prozess zu begleiten und eine Kultur zu schaffen, in der es selbstverständich wird, dass Teammitglieder je nach Kontext wechseln.

Mehr Risiko ist weniger Risiko

Oft ist der Stolperstein die mangelnde Risikobereitschaft. Teammitglieder müssen sich aus dem ‘daily business’ herausnehmen und wissen danach nicht, ob sie ihren Job noch in gleicher Form haben, wenn sie wieder zurückkommen. 
Das Projektmindset oder der Mut an sich zu glauben und zu wissen, dass nach dem Abliefern eines coolen Projektes die Marktchancen sowohl intern als auch extern steigen, beginnt erst sich durchzusetzen und ist auch nicht für jeden geeignet. Es benötigt einen anderen Lebenszugang, als den auf Sicherheit aufbauenden, optimierten. Interessant ist, dass, wenn man es wagt die Komfortzone zu verlassen, die Wahrscheinlichkeit danach einen Superjob zu haben, massiv steigt. Die Personen, die sicher sein wollen, gehen oft kein Risiko ein mit dem Resultat, dass sie an Marktattraktivität verlieren.

Traumteam at work

Der Traumteamleiter arbeitet iterativ mit Lernschleifen und Pitstops. Das heißt, es wird nicht bis zum Ende der Projektzeit gewartet, um zu entscheiden, ob es Top oder Flop ist. 
Er orchestriert Feedback Loops mit Kunden, Experten, Absatzkanälen und dem Topmanagement. Die Entscheidungskompetenz bleibt jederzeit im Team, die Haltung ist die, des kundenorientierten Unternehmers, der es gewohnt ist, auch kontroverse Diskussionen konstruktiv zu führen oder Konflikte frühzeitig zu riskieren. Erstaunlicherweise wird dies heute, vor allem in Firmen ab einer gewissen Größe, selten gelebt.

Ziele und Glaubensätze

Oft ist das einzig Stabile in einem Innovationsprojekt der gemeinsame Glaube an eine Stoßrichtung und definierte Ziele. Der Traumteamleiter legt gemeinsam mit dem Team und Entscheidungsträgern Glaubenssätze oder Believes fest.
Ihnen zugrunde liegt die Frage: Was – auch wenn alles schief läuft – ist etwas, an dem wir immer festhalten?
Das sind pragmatische Dinge wie: ‘wir glauben, dass Kunden bereit sind mehr zu kaufen, wenn wir das Kundenerlebnis radikal vereinfachen und inspirierender gestalten’. Oder ‘wir glauben, dass unsere Konkurrenz nicht nur aus der eigenen Branche kommt, sondern von Neueinsteigern, egal aus welcher Branche’.
Believes sind wie eine Geheimwaffe, wenn alle sie verinnerlichen, kann man die Beteiligten zu mutigeren Entscheidern entwickeln und auf die Reise mitnehmen.

Human Centered Design = Trust the process

Der Traumteamleiter bewegt sich immer im inhaltlichen Neuland.

Wie sieht man, dass ein Projekt gut geführt ist?

  • Das Kundenerlebnis ist end to end durchdacht und differenziert in Markt
  • Ein qualitatives Messsystem mit klaren Zielen aus Kundensicht ist etabliert
  • Es gibt eine Story, die intern und den Markt überzeugt

 

Die Realität ist nicht so einfach. Unternehmen sind oft in Silos organisiert. Die Technologie befindet sich an einem Ort, das Bestellwesen an einem anderen, Rechnungswesen, Marketing woanders, keiner spricht miteinander.
Der Traumteamleader muss über einen Mix an ausgeprägter Hartnäckigkeit und bestechendem Charme verfügen, um dieses loszubrechen. Er muss das Kundenerlebnis, das Business und die Technologie zusammenbringen und darf sich nicht scheuen ein paar Kämpfe auszutragen um sowohl aus Businesssicht als auch aus Kundensicht die beste Lösung zu erreichen.

Vorgesetzter – Sinngeber

Der Vorgesetzte des Traumteamleiters baut Brücken zu internen und externen Stellen. Er hilft bei der Vernetzung und ist in der Vermittlung seiner Kontakte äußerst großzügig. Nachdem ein Traumteamleiter zu sein eine Pionierleistung ist, coached er anstelle der Hierarchie – Führung von der Seite oder von hinten.

Outcome

Traumprojekte sind extrem treffsicher, da Fehlerquellen und falsche Ansätze ganz früh im Prozess eliminiert werden. Mutigere Entscheidungen können gefällt werden, weil das Management die Reise von Anfang an begleitet.
Die Anlaufzeit solcher Projekte ist zwar länger, die Umsetzung ist in der Endbetrachtung aber erheblich schneller, weil deutlich weniger Entscheidungskorrekturen vorgenommen werden müssen.
Eine Erfahrung ist, dass man fast wie ein Startup agieren muss. Die Struktur und Ressourcen eines Unternehmen bieten eine gewisse Sicherheit, aber es ist auch möglich zu kreieren.

 

Christina Taylor, Managing Partner Creaholic SA

About:
Christina Taylor ist Managing Partner und Mitinhaberin der Creaholic SA in Biel, einer führenden Schweizer Innovationsfabrik. Sie arbeitet an der Schnittstelle von Customer Experience Design, Transformation und Produkterfindung. Christinas Erfahrung reicht von der Telekommunikationsbranche (Swisscom) bis hin zu Non-Profit-Organisationen. Sie arbeitete fünf Jahre lang im Silicon Valley am Outpost von Swisscom und brachte ihr Wissen über visionäres Entrepreneurship und Human Centered Design in die Schweiz zurück. Christina ist die Autorin von ‘Oops! Innovation ist kein Zufall’, ein Buch, das den 15-jährigen Wandel der Swisscom von einem traditionellen, technologieorientierten Unternehmen zu einem agilen, menschenzentrierten Unternehmen beschreibt. Geboren in Biel wuchs Christina in einem Umfeld mit verschiedenen Sprachen und Kulturen auf, in welchem sie schon früh Ihr Interesse für den Menschen und seine Bedürfnisse und Handlungen entdeckte. www.creaholic.com, ‘Oops! Innovation ist kein Zufall’

 

Wolfgang Abfalter, Künstler

About:
Geboren 1964 in Waidhofen/Ybbs. 1986 erfolgreicher Abschluss des Fachlehrganges für Werbegrafik in Innsbruck. Bis 2009 als selbstständiger Grafikdesigner tätig.
Seit 2009 intensives Studium der Malerei mit Ausstellungen in Österreich, Deutschland u. Frankreich. Anerkennung durch Bildankäufe in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
www.abfalter.eu