Der Rechenstift der CEOs zum Reduzieren der Raumgröße in Form von ‘clean desk’ und ‘desksharing’ verliert im Kampf um die besten Mitarbeiter. ‘My desk is my castle’ heißt die Devise um die besten Köpfe zu bekommen. Nach dieser Philosophie produziert ein österreichisches Familienunternehmen, organisiert sich fraktal in einer Zwei-Kreisorganisation mittels autonomer Teams und Nahtstellenvereinbarungen, kommuniziert ‘auf Teufel komm’ raus’ in täglichen ‘Scrum ähnlichen’ Meetings und verkauft keine Möbelstücke mehr sondern Konzepte. Geliefert wird Just-in-Time innerhalb von 9 Tagen. Mag. Friedrich Blaha, Geschäftsführer und Eigentümer des Büromöbelherstellers Franz Blaha Sitz- und Büromöbel Industrie GmbH spricht über das Ende der Prognosen, den Umgang mit einer veränderten, komplexen Marktsituation und erklärt warum der Erfolg des Unternehmens darin liegt, das Gegenteil von dem zu tun, was alle machen.

Interview von Julia Weinzettl

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Blaha Büromöbel ist ein österreichisches Traditionsunternehmen, das vor Ort produziert.

Mag. Friedrich Blaha: Ja, wir produzieren hier. Wir werden immer wieder gefragt, warum wir nicht abwandern. Wir beherrschen alle Technologiebereiche, die man braucht, um Möbel zu machen. Wir fertigen in drei Haupttechnologien: Metall-, Holz- und Textilfertigung (Tapezieren, Polstern, Nähen). Das ist nicht üblich. In der Regel sind Fabriken – speziell Büromöbelfabriken – Assembling-Betriebe, die Metallgestelle und Platten europaweit zukaufen und mit vier Schrauben das Gestell mit der Platte verbinden. Das ist die Wertschöpfung.
Wir haben einen anderen Ansatz. Wir wollen die Wertschöpfungskette nicht nur im Haus haben, sondern sie noch vertiefen.
Die Philosophie der letzten 15 Jahre für den klassischen Manager war Outsourcing.
Wir haben das Gegenteil gemacht. Wir haben ‘in-gesourced’ und produzieren vom Rohmaterial weg. Das bedeutet wir haben keine Zulieferanten, außer Stahlblech und Stahlrohre, die wir von der VÖEST beziehen und Spanplatten von Egger GmbH in Tirol. Die Textilien kaufen wir europaweit ein. Durch die Tiefe der Fertigung setzen wir uns massiv von unseren Mitbewerbern ab. Diese Tiefe hat den Vorteil, dass wir alle Prozesse in der eigenen Hand haben. Wir sind autark und müssen nicht auf Vorlieferanten warten, die beispielsweise nur bei der Abnahme von einer Mindestmenge liefern.

Sie liefern just-in-time innerhalb von 9 Tagen.

Mag. Friedrich Blaha: Genau. Das ist aufgrund der tiefen Fertigung möglich, da wir die Prozesse beherrschen. Daher können wir sehr genau sagen, wie lange wir brauchen. Dieser Ansatz wurde von Ernst Weichselbaum, Unternehmensberater mit Vision, initiiert. Wir überprüften die Durchlaufzeiten in den einzelnen Technologien und ermittelten die kürzest mögliche Durchlaufzeit in der wir alle Produktlinien erstellen können. Das waren 9 Tage und ist daher unsere Lieferzeit.

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Was hat Sie zum Umdenken gebracht?

Mag. Friedrich Blaha: Davor haben wir das getan, was auch heute noch die meisten klassischen Möbelhersteller machen: prognostiziert. Versucht zu erahnen, was der Markt möchte. Das hat viele Jahrzehnte, bis in die 1980er des vorigen Jahrhunderts funktioniert. Da konnten wir alles, was wir prognostiziert haben, verkaufen. Der Markt hat sich geändert, wir haben jetzt einen Käufermarkt und keinen Verkäufermarkt mehr. Bis 1990 war jeder, der produzieren konnte, der König. Jetzt ist der Kunde der König.

Die Märkte sind dynamisch und sehr komplex geworden. Es ist eine Riesenaufgabe für das Management, den Markt trotzdem zu erkennen. Wir nehmen die schnellen Veränderungen, die draußen passieren, nicht mehr wahr. Die Komplexität nimmt ständig zu und wir verstehen den Markt nicht mehr.
Wir – damit meine ich die Führung – stürzen uns auf eine Kundengruppe, die aus Erfahrung unsere wichtigsten Kunden sind und bemerken gar nicht, dass sie am absinkenden Ast ist. Auf der anderen Seite poppen ganz neue Kundengruppen auf, die wir noch gar nicht erkannt haben.

Wie erkennen Sie dann was der Markt will?

Mag. Friedrich Blaha: Das Wissen liegt vor Ort beim Mitarbeiter – einerseits an der Maschine, andererseits draußen beim Kunden. Der Vertrieb – wir haben 20 Personen im Außendienst – ist dem Kunden am nächsten und erfährt, was die Kunden konkret wollen. Jetzt müssen wir eigentlich nur sicherstellen, dass diese Information auch die Führungsebene erreicht.
Früher überlegte sich die Führung, wie die Anforderungen des Markt sein könnte, machte daraus Programme und verlautbarte sie als Anordnungen im Betrieb. Es gab Befehle von oben und die Meldung von unten, dass sie erledigt wurden. Das hat sich umgedreht.

Bottom up heißt die Devise?

Mag. Friedrich Blaha: Genau. Heute brauche ich eine Organisation, die von unten nach oben funktioniert und nicht umgekehrt. Das ist der Ansatz. Diese Umstellung vollzogen wir 1996. Das half uns, schnelle Veränderungen zu überleben. Das wars. Davor produzierten wir auf Lager, die Prognosen wurden aber immer schlechter. Wir prognostizierten immer für drei Monate und zogen dann diesen riesigen Bulk für drei Monate in Serien zusammen. Diese Serien jagten wir durch die Maschinenstraßen und führten die Teile, die herauskamen, in ein Lager. Danach warteten wir auf die Kundenaufträge und kommissionierten die Bestellung heraus. Zum Beispiel einen Schrank in einer bestimmten Farbe, den Unterteil, den Oberteil, die Rückwand, die Türe und so weiter.
Nach den drei Monaten sollte das Lager immer leer sein. Aber es leerte sich immer weniger. Die nächsten drei Monate an Produkten kamen bereits aus der Fertigung, aber das Lager war noch nicht frei. Wir bauten permanent irgendwo Lagerflächen auf. Das ging so weit, dass wir auf den Parkplätzen riesige Bierzelte aufbauten und alles, was nicht verkauft wurde, hinein stellten. Als wir Ernst Weichselbaum kennenlernten, planten wir gerade eine riesige Lagerhalle. Weichselbaum fragte: ‘Wann wisst ihr wirklich, was der Kunde möchte?’ – das war die Schlüsselfrage. Der Verkauf sagte: ‘Eigentlich wissen wir das erst, wenn wir einen unterschriebenen Auftrag haben’. ‘Perfekt, das ist euer Ansatz. Ihr müsst das Konzept umdrehen. Der Kunde zieht den Auftrag und nicht ihr produziert etwas und hofft, dass ihr es verkauft.“

Die komplette Umkehr der bisherigen Strategie.

Mag. Friedrich Blaha: Ja, das war ein echter Paradigmenwechsel in unseren Köpfen.

Wir konnten uns nicht vorstellen, dass es möglich ist, einfach zu warten. ‘Was ist, wenn nichts kommt, dann haben wir ja nichts zu produzieren! Und wenn zu viel kommt, was ist dann?!’
Diese Verwirrungen in unseren Köpfen lösten wir gemeinsam. Wir zerlegten das Unternehmen in Teams, weil wir erkannten, dass die Mitarbeiter selbst am besten wissen, wie sie produzieren müssen. Der Maschinenbediener weiß viel besser, wie die Maschine produzieren kann, als der, der sich das zwei Ebenen über ihm ausdenkt. Also gaben wir die Verantwortung in die Teams und vernetzten alle.

Ein sehr extremer Schritt, den heute viele Unternehmen noch nicht wagen. In Anbetracht dessen, dass er vor zwanzig Jahren geschah, ist er noch viel bedeutsamer. Wie haben Sie sich das getraut?

Mag. Friedrich Blaha: Dazu gibt es mein persönliches Erlebnis, das Heureka über die ‘Intelligenz der Mitarbeiter’. An einem Wochenende ging ich mit meinen Kindern wandern. Wir spazierten durch die Gegend und kamen zu einer Siedlung in der fleißig an Rohbauten gearbeitet wird. Plötzlich rief jemand von einem Rohbau herunter: „Grüß Sie, Herr Blaha!“. Ich schaute wer das sein könnte und erkannte einen meiner Mitarbeiter. Ich fragte, „Was machen Sie denn da?“. Er sagte: „Ich baue hier mein Haus.“ „Wer hat es denn geplant?“ „Ja ich habe die Pläne gezeichnet.“ „Und wer hat die Behördenwege erledigt?“ „Das habe alles ich gemacht.“ „Und wie ist denn das mit dem Material? Woher bekommen Sie das?“ „Herr Blaha, wenn sie wirklich mal etwas brauchen, fragen Sie mich. Im Umkreis von 50 Kilometern weiß ich die besten Quellen.“ „Toll, und wer organisiert Ihnen die Pfuscherkolonne?“ „Das mache auch alles ich.“ Da dachte ich: „Uh. Das ist ja ein richtiger Unternehmer! Und was macht er bei mir in der Firma?“

Ich schaute mir seinen Job an. Er machte jeden Tag einen einzigen Handgriff. Von in der Früh bis am Abend. Von Intelligenz nutzen keine Rede. So erkannte ich, dass wir gut ausgebildete, hochintelligente Leute haben, aber wir liessen sie, durch unsere Anordnungen und Regeln, ihr Potential nicht nützen.

Wie haben Sie diese Erkenntnis im Unternehmen umgesetzt?

Mag. Friedrich Blaha: Autonome Teams. Die Intelligenz ist vor Ort, die Leute wissen besser was sie benötigen und, wenn sie es nicht wissen, dann schulen wir sie. Oder sie sollen sich selber schulen. Wir verlegten die ganze Verantwortung von zwei Ebenen in diese Teams. Die Wartung und Materialbestellungen tätigte nicht mehr der Einkauf, sondern die Teams. Sie wissen am besten, wann sie nachbestellen müssen. Die Beschreibung der Tätigkeiten der Teams wurde in einem einzigen Dokument niedergeschrieben.

Es heißt: ‘Wir leisten, wir verantworten’.
Das ist ein ganz einfacher, sehr kraftvoller Satz.
Ich mache den Handgriff, ich bin verantwortlich.

Bis dato war es so: Ich bohrte das Loch. Ob das Loch am richtigen Platz war, lag in der Verantwortung der Konstrukteure, dafür, dass der Bohrer scharf war, war auch jemand anderer zuständig, kontrolliert wurde das Loch von der Qualitätsabteilung und dass es zeitgerecht gebohrt wurde, dafür war der Meister zuständig.
Dann hieß es: ‚Meister, ich habe kein Material.‘, ‚Meister, die Maschine geht nicht.‘, ‚Meister, mein Werkzeug ist gebrochen.‘, und so weiter. Die Meister waren der entscheidende Faktor in der Fertigung.
Immer, wenn ich wusste, dass einer der Meister auf Urlaub ging, konnte ich schon drei Wochen vorher nicht schlafen, weil da klar war, dass die Produktion herunterfährt. Denn, ‘wenn kein Meister mehr da ist, was machen die Arbeiter denn dann?’ – Na die warten.

Diese Zugangsweise haben Sie komplett verändert.

Mag. Friedrich Blaha: Wir brauchen nur zwei Dokumente, um die ganze Firma zu organisieren. Die Teams fingen an, alles selber zu bestellen. ‘Leisten und Verantworten’ ist das Dokument Nummer 1. In ‘Leisten und Verantworten’ ist der tägliche Ablauf der einzelnen Teams enthalten – vom Beginn in der Früh, Maschine starten, Kontrollläufe durchchecken, Werkzeuge bereitstellen, die Tagesportionsliste mit den Kollegen durchgehen, etc. Das wurde einmal im Detail niedergeschrieben, von allen unterschrieben und ist der Teamjob. Es wird nur geändert, wenn es an neue Technologien angepasst werden muss. Dieses Dokument haben wir konsequent für die ganze Firma erstellt. Jeder ist Mitglied eines Teams. Auch ich bin in einem Team, dem Führungsteam. Als nächstes mussten wir die Verbindungen zwischen den Teams herstellen. Teams alleine funktionieren nicht, sie funktionieren nur in Verbindung miteinander, da kam die legendäre Erfindung von Herrn Weichselbaum ins Spiel: die Nahtstelle.

Ein großer Kreis (ein Team) und ein zweiter großer Kreis (ein weiteres Team) wird durch einen kleinen Kreis (die Nahtstelle oder Vereinbarung) verbunden, das sogenannte „Zwei-Kreis-Prinzip“. Zwischen dem vorlaufenden und dem nachkommenden Team gibt es eine Vereinbarung, wie wir miteinander arbeiten: die Nahstellenvereinbarung. Sie beschreibt Arbeitsschritte wie ‘Wann bekomme ich die ersten Teile von dir? Wo bekomme ich sie? Mit welchem Transportmittel werden sie bewegt? Wie sind sie verpackt?`. Diese Abläufe machen sich die Teams aus. Wenn das gemacht wurde, erhält man zwei Dokumente, das eine ist ‘Wir leisten, wir verantworten’ und das andere ist die Nahtstellenvereinbarung zwischen den Teams. Das ist die Firma. Das heißt, wir haben eine Organisation, die aus Regeln und Vereinbarungen besteht und nicht mehr aus Anordnungen und Steuerungseingriffen von einer übergeordneten Instanz. Die Aufgaben und die Abläufe sind klar. Aufbauorganisation und Ablauforganisation. Das sind die zwei Hauptprinzipien der Produktion. Wenn man beschreiben will, wie wir uns organisieren, sagen wir, die Firma Blaha ist ein kommunikatives Netzwerk und besteht aus Fraktalen.

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Ein Netzwerk zu managen ist für viele nicht einfach.

Mag. Friedrich Blaha: Bei einem Netzwerk haben Manager ein Problem, weil man gewohnt ist, nach einem hierarchischen Prinzip zu arbeiten, in dem die Kommunikationswege klar definiert sind, ‘wer redet mit wem und wer darf wem die Befehle geben?’. Bei einem Netzwerk haben die Manager nicht mehr alles Griff. Wenn ich dem Team so viel Autonomie gebe, weiß ich nicht mehr ganz genau, was es jeden Tag entscheidet und umsetzt, denn das Team entscheidet selbstorganisiert. Die Führung muss Entscheidungskompetenz abtreten und das tut vielen Führungskräften weh, weil sie die Kontrolle nicht mehr haben.

Also heisst das Zauberwort Management des Vertrauens.

Mag. Friedrich Blaha: Genau, denn wenn eine Firma in einem Netzwerk organisiert ist, muss man akzeptieren, dass man nicht mehr alles bis ins Detail weiss und daher auch nicht mehr kontrollieren kann.

Wie stellen Sie sicher, dass die Information dennoch alle erreicht?

Mag. Friedrich Blaha: Wir kommunizieren auf Teufel komm raus. Wir starten um sieben Uhr mit dem ersten Meeting, es heißt ‘Montage Ok.Punkt’.
Wir liefern unsere Möbel aus und montieren sie auch. Die Monteure ‘müssen’ alles erfüllen, was wir auf der Verkaufsseite dem Kunden versprochen haben. Am nächsten Tag werden sie sozusagen abgefragt. Das gesamte Führungsteam der Firma Blaha ist anwesend und hört zu, was die einzelnen Teams berichten. Es wird über Ideen und Reklamationen gesprochen und geklärt, wer dafür zuständig ist. So erfahren wir hautnah, als Führungsteam, ob wir einen guten Job gemacht haben oder nicht. Dieser Ok.Punkt wird vom Logistikchef moderiert und ist genau geregelt. Wenn jemand ein Problem hat, wird es sofort dem Bereich zugewiesen, den es betrifft, z.B. im Metallbereich war ein Fuß nicht gerade. Die Regel ist, am nächsten Tag, wieder um sieben Uhr früh muß der Betroffene dem Anderen erzählen, wie er das Problem behoben hat. Damit konnten wir die Fehlerquote um den Faktor Zehn verringern. Wir hatten 6% Reklamationen, jetzt haben wir 0,6%. Alleine durch Kommunikation.

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Um 10:30 haben wir den HauptOk.Punkt. Das ist der Moment, bei dem vom Verkauf alle Aufträge, die in neun Tagen ausgeliefert werden müssen, an die Produktion übergeben werden. Um 11 Uhr geht es zur Ausarbeitung, am nächsten Tag in die Arbeitsvorbereitung und später beginnt die Produktion. Es gibt klare Regeln, wie die Aufträge aussehen müssen, damit wir sie produzieren können. In dieser Besprechung wird entschieden, ob ein Auftrag übernommen wird oder nicht. Daher ist sie stark ritualisiert, wie in der Kirche. Wir haben einen eigenen Raum nur für diese halbe Stunde und ganz harte Regeln. Von den Führungskräften ist immer jemand anwesend und überprüft, ob alles so eingehalten wird, wie wir es vereinbart haben.

Der dritte OK.Punkt, der Sonderkonstruktionspunkt, findet jeden Tag um 12:45 statt. Die Bereichsleiter aus den Fertigungsbereichen, Holz, Metall, Forschung & Entwicklung und der Betriebsleiter kommen zusammen und warten, ob ‘Kunden’ kommen. Kunden sind die Verkäufer und Planer. Sie berichten von Kundenbedürfnissen wie z.B. Sonderlösungen und besprechen, ob es möglich ist, sie zu produzieren. Wenn diese Anfragen drei mal auftreten, wird die Frage aufgeworfen, ob wir daraus eine neue Produktlinie machen können. So erfahren wir, was der Markt will und können diese Wünsche auch schon gedanklich in ein neues Produkt einfliessen lassen.

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Viele klassische Führungsaufgaben wurden durch diese Ansätze abgegeben. Welche Aufgaben haben Führungskräfte in einer Netzwerkorganisation dann noch?

Mag. Friedrich Blaha: Die wichtigste Aufgabe der Führungskräfte ist es mittlerweile die Mitarbeiter zur Selbstorganisation hin zuführen. Die Führungsdefinition heute heißt nicht mehr anordnen und kontrollieren, sondern eine gemeinsame Entscheidung zu finden. Die Führungskräfte müssen das, was mit den Mitarbeitern vereinbart wurde, ermöglichen. Wir müssen ihnen die richtigen Werkzeuge geben, wir müssen die Prozesse – wie beispielsweise die richtige Software – zur Verfügung stellen, damit sie eine ununterbrochene Arbeit leisten können. Das ist unsere neue Aufgabe geworden.

Sie beschäftigen sich sehr intensiv mit der Arbeitswelt von morgen, weil dort ihre Möbel stehen werden. Wenn man zehn Jahre in die Zukunft schaut, wie können die Arbeitsplätze dann aussehen?

Mag. Friedrich Blaha: Als ich an der WU studierte (1969-1973), gab es Prognose-Zeiträume von drei, fünf und zehn Jahren und das hat sogar funktioniert. Das geht heute nicht mehr. Unser Horizont auf der täglichen Geschäftsebene ist genau ein Monat. Mehr weiß ich nicht. Ich kenne von heute weg die nächsten neun Tage und was mein Umsatz pro Tag ist. Wir können bestenfalls zweimal neun Tage erahnen. Mehr ist da nicht drinnen.
Durch die Digitalisierung, aber auch durch das Internet getrieben, verändert sich die Bürowelt. Die große Wertschöpfung entsteht ja schon lange in den Büros und ist nicht mehr produktionslastig.
Jetzt müssen wir, als Firma Blaha, Möbel zu einer veränderten Situation liefern. Auf einmal haben wir die falschen Produkte, bei dieser Entwicklung stehen wir gerade.
Unsere Erkenntnis derzeit ist Folgende: die in den letzten fünf bis zehn Jahren entwickelten Bürolösungen waren stark Rechenstift getrieben. Man hatte einen Arbeitsplatz mit einer gewissen Anzahl an Quadratmetern, dieser kostete eine gewisse Anzahl an Quadratmeter Licht, Miete, Reinigungskosten, etc. Man versuchte Quadratmeter und damit Kosten zu reduzieren, indem man den Mitarbeitern ein paar Quadratmeter wegnahm, bis hin zum ‘Desksharing’. Man hatte keinen eigenen Arbeitsplatz mehr. Man hatte zehn Personen, acht Schreibtische und wenn alle in die Firma kamen, hatten zwei keinen Platz.
Die Philosophie hieß ‘Clean Desk’, es musste alles abgeräumt werden, denn am nächsten Tag saß ja jemand anderer da. Ich konnte meine Sachen, meine Brösel, die Bilder von meiner Frau, meinem Hund und so weiter, nicht stehen lassen. Die musste ich wieder einpacken.
Desksharing war bei CEOs von großen Organisationen extrem beliebt, weil es über Skalierung starkes Einsparpotential hatte. Zum Beispiel: wir haben 4.000 Angestellte und brauchen nur 3.000 Arbeitsplätze, also ersparen wir uns den Betrag X,  hochgerechnet auf 10 Jahre ergibt das X Millionen – Das schaut gut aus, das machen wir.

Übersehen wird dabei der Faktor Mensch. Niemand will in einem nackten Raum sitzen, indem ihm nichts gehört und wo man sich nirgendwo zurückziehen kann. Da fühlt man sich nicht wohl. Wie soll denn da die Intelligenz, die Kreativität und das Potential dieser Menschen gehoben werden?

Unternehmen haben heute ein grosses Problem: wo bekommen wir die besten Köpfe her, damit wir überleben können? Denn der Wettbewerbskampf ist um einen Faktor 10 größer als vor 30 Jahren.
Firmen sind permanent auf der Suche nach den besten Köpfen, sagen aber zu den besten Köpfen, ‘Wo Sie täglich sitzen, kann ich Ihnen aber nicht sagen. Gefällt Ihnen das, lieber zukünftiger Mitarbeiter?’.

Das ist nicht der richtige Ansatz, daher heißt unsere Herangehensweise: ‘My Desk is my castle’.

Ich brauche Rückzugsbereiche, ich brauche etwas, das mir gehört um mich wohl zu befinden. Wenn ich in einer unangenehmen Umgebung sitze, kann ich nicht kreativ werden und die beste Leistung bringen. In meinem Zuhause ist alles wunderschön. Jedes einzelne Stück habe ich mir ausgesucht, damit ich mich wohlfühle. Das ist der Bereich, in dem ich körperliches und seelisches Wohlbefinden habe. Dann komme ich in die Firma und finde dort genau die entgegengesetzte Welt. Das kann nicht funktionieren.

Wie wirkt sich diese Veränderung auf den Markt aus?

Mag. Friedrich Blaha: Wir merken diese Veränderung bereits in Gesprächen mit Kunden. Wir werden mit folgenden Kundenanfragen konfrontiert: ‘Ich brauche einen neuen Ansatz. Wie die Möbel dabei ausschauen, ist mir vollkommen egal. Ich will folgendes erreichen: Erstens, wenn ein möglicher Mitarbeiter zu uns kommt und ich ihm zeige, wie und wo wir arbeiten, muss der sagen, ‘Wow, das gefällt mir. Da möchte ich dabei sein.’ Zweitens, ‘wenn ich mit einem Kunden durch meine Büroräume gehe, dann muss der Kunde unsere Kompetenz spüren und uns zutrauen, dass wir in der Lage sind, seine Probleme zu lösen. So, und jetzt machen sie was.’

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Das bedeutet, Sie verkaufen konkret keine Möbel mehr sondern Ambiente.

Mag. Friedrich Blaha: Genau. Früher verkauften wir einen Schreibtisch, einen Schrank und einen Drehstuhl. Heute verkaufen wir Konzepte und Einrichtungsphilosophien. Nach dem Motto von Jan Teunen: ‘Wir müssen die Büros mit Schönheit fluten.’ befriedigen wir die Anforderungen unserer Kunden, indem wir Atmosphären schaffen, die durch Wohlfühlen, Kreativität und Wertschätzung die Arbeitsfreude fördern und Kompetenz ausstrahlen.

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www.blaha.co.at

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About:

Mag.Ing.Friedrich Blaha übernahm 1980 die Geschäftsführung der Franz Blaha Sitz- und Büromöbelindustrie. Gegründet wurde das Unternehmen 1933 von Franz Blaha vorerst als Feinkostkette. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Firma wieder aufgenommen mit  Handel von Waren aller Art, mit allem, was man nach dem Krieg gebraucht hat. In den 1950er Jahren kamen Gartenmöbel als neues Geschäftsfeld zum Vertrieb hinzu. Das war Blahas innovative Idee um in die grauen Nachkriegstage Farbe zu bringen. Daraus entwickelte sich das heutige Unternehmen. Da es nicht genug Ware gab, wurde selbst produziert.
1960 wurde das Werk in Oberösterreich zu klein, die Firma kaufte in Korneuburg von der Finanzlandesdirektion ein Areal, das ehemaliges deutsches Heereseigentum war. Die Kasernen, die darauf standen, waren nie in Betrieb gegangen und befanden sich im Rohzustand. Als nächsten Schritt wechselte man von der Gartenmöbelproduktion, als Saisonprodukt, zu Möbel für den Innenraum, um das Risiko auszugleichen. 1978 fiel die  strategische Entscheidung in den Büromöbelbereich einzusteigen.
Die Blaha Büromöbel GmbH produziert ausschließlich in Österreich und ermöglicht durch Just-in-time Produktion eine Lieferzeit von 9 Werktagen.