Gabriele Hahn, vormals Führungskraft und Unternehmerin, brachte als Leiterin des Standard Mentoring Circles Mentoren und Mentees zusammen und half Unternehmen Netzwerke aufzubauen. Basierend auf der Wertetheorie von Clare W. Graves verpackte sie die Learnings aus eigener Lebens- und Führungserfahrung sowie aus der Begleitung von über tausend Führungskräften in verschiedenen beruflichen Entwicklungsphasen und Organisationen in vier Wertebilderbücher und illustriert diese auch selbst. Das erste Buch, ‘Carlotta und Co.’, ist soeben erschienen.
Das erste Buch Deiner vierteiligen Serie ist soeben erschienen? Was ist denn ein Wertebilderbuch?
Gabi Hahn: ‘Carlotta und Co.’ ist ein Buch über Werteentwicklung basierend auf einer wissenschaftlichen Theorie, einfach erzählt und mit vielen Bildern illustriert – daher der Name ‚Wertebilderbuch‘. Es erzählt die Geschichte einer Frau, ihre Entwicklung von der Kindheit bis zu dem Alter in dem sie eine Familie gründet und selbst Kinder hat. Die verschiedenen Stationen, Entscheidungen und ihre Motivation erkläre ich im zweiten Teil des Buches anhand besagter Wertetheorie, deren Ursprung in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts liegt und die von Prof. Clare W. Graves entwickelt wurde. Seine Schüler, Christopher C. Cowan und Don Edward Beck, verfeinerten dann das Modell ‚Spiral Dynamics‘, das jeder Werteentwicklungsstufe eine Farbe zuteilte – von Beige bis Koralle.
Wie kamst Du zu Clare W. Graves?
Gabi Hahn: Ich bin auf die Wertetheorie über Werteprofile gestoßen, als ich den Standard Mentoring Circle organisierte, um meine damaligen Mentorinnen Mentoren und Mentees bestmöglich zu matchen. Diese Theorie hat mich so fasziniert, dass ich mit zwei meiner Netzwerkpartner ein eigenes Tool entwickelt und Wertefiguren kreiert habe. Das Tool haben wir nicht weiterverfolgt, weil ich in meiner Arbeit immer mehr gesehen habe, dass menschliches Potential nicht so einfach messbar ist.
Die Entwicklungstheorie hat mich aber nicht losgelassen und ich habe mich gefragt, wie ich trotzdem diese Idee und die Geschichte dahinter weiterbringen kann. So kam ich auf den Gedanken Wertebilderbücher zu schreiben, in denen man die Theorie mittels Geschichten auf einfache und verständliche Art erklären kann.
Diese hast Du dann auch selbst illustriert?
Gabi Hahn: Ja, obwohl ich die Geschichten ursprünglich illustrieren lassen wollte. Aber im Zuge dieses Schaffensprozesses habe ich meine Scribbels einem Künstler und einer Designerin aus meinem Freundes- und Mentorenkreis gezeigt. Von ihnen wurde ich bestärkt, mein Buch selbst zu illustrieren.
Insgesamt sind es vier Bilderbücher im letzten Jahr geworden. Das Zweite handelt von Organisationsentwicklung, im dritten Buch geht es um unsere Konzepte von Führung in unseren Arbeitswelten und das vierte Buch behandelt die Frage: Wie gehen wir in einer sehr diversifizierten Gesellschaft miteinander um, in der es zum Teil recht unterschiedliche Wertepositionen gibt, all das verpackt in einer zusammenhängenden, vierteiligen Familiengeschichte.
Du hast in zehn Jahren des Matchings von Mentorinnen, Mentoren und Mentees wie auch Peers sehr viel über das Arbeitsleben und Organisationsentwicklung mitgenommen und auch viel gesehen, was vor allem in großen Unternehmen geschieht. Was ist die Message deiner vier Bücher?
Gabi Hahn: Die Entwicklung der Menschheit hört nie auf. Wir leben in einer spannenden Zeit, der postkapitalistische Periode, aber was kommt danach? Diese Frage macht vielen Leuten Angst. Jedoch gibt es wie bei allen Veränderungen – und Leben ist einfach Veränderung – enorm viele Chancen und spannende Potentiale.
Die Botschaft ist: Gib nicht auf, geh deinen Weg weiter und sei neugierig auf das, was kommt.
Daher auch die Entwicklungstheorie von Graves, weil die Entwicklung und Entfaltung als ein System beschrieben wird, das nach oben hin offen ist, wie eben unser menschliches Potential.
Wie kann man sich diese verschiedenen Entwicklungsstadien, zum Beispiel im Bereich Führung vorstellen?
Gabi Hahn: Spannenderweise ist es so, dass je mehr wir uns entwickeln, desto weniger brauchen wir Führung von außen. Das bedeutet, dass der Beruf der Führungskräfte sich stark verändern wird. Seit der industriellen Revolution haben wir Management. Man kann es dann nennen, wie man will. Ob es nun Leadership oder Führung statt Management heißt und damit neuere, besser geeignete Formen der Führung von Menschen beschreibt. Dennoch – und ich rede vor allem von der Führungspraxis – geht es dabei immer noch um Kontrolle.
Wenn sich Menschen anfangen weiter zu entwickeln, wollen sie mit dieser Art der Führung oft nichts mehr zu tun haben. Daher auch Spannungsverhältnisse, Burnouts und Ausstiegsszenarien, die ja nicht nur Geführte vollziehen, sondern viele Manager und Führungskräfte. In meinen Netzwerken war es tatsächlich so, dass immer wieder Führungskräfte aus ihrem Beruf bewusst ausgestiegen sind. Viele davon wollten andere nicht mehr kontrollieren oder über Zielvereinbarungen oder andere Konstrukte, die sich vielfach ohnehin nicht bewährt hatten, weiterhin führen. Das Thema Führung oder Leadership befindet sich dramatisch in Veränderung, es werden nicht mehr nur da und dort nur neue Spielarten mit neuen Bezeichnungen hervorgebracht.
Wir leben einfach nicht mehr in einer gleichförmigen sondern sehr individualisierten Gesellschaft. Damit wird das Thema Werte interessant, denn wenn ich nicht weiß wie Menschen ticken, in welcher Entwicklungswelle sie sich befinden – wie will ich sie dann bestmöglich unterstützen oder führen?
Manche Menschen wollen Führung, aber manche einfach nicht mehr. Und genau die, die keine Führung mehr wollen oder brauchen, genau die sollten im Unternehmen gehalten werden, denn sie bringen vielleicht genau diese geänderten Sichtweisen, die Innovation ermöglichen.
Das ist natürlich schwierig in Systemen, die noch immer sehr hierarchisch strukturiert sind und in denen einige wenige gewohnt sind einerseits immer ‚Recht‘ zu haben und andererseits Verantwortung für etwas übernehmen müssen, für das sie das gar nicht mehr in einer immer komplexeren Welt können. Vielen fällt es natürlich schwer, sich überhaupt mit der Idee anzufreunden, führungslos zu sein oder die eigene Position als Führungskraft obsolet werden zu lassen.
Hast Du auch eigene Erfahrungen als Führungskraft in Deine Bücher einfließen lassen?
Gabi Hahn: Ja, natürlich gibt es auch autobiografische Elemente, aber das Buch soll mehr inspirieren und es sind natürlich auch Erfahrungen langjähriger Begleiter und Begleiterinnen in meinen Netzwerken, die in die Bilderbücher geflossen sind.
Ob sich dann andere Führungskräfte für die Inhalte interessieren, weiß ich nicht. Es interessieren sich spannenderweise junge Leute dafür, die schon in anderen Systemen und in einer anderen Form der Führung auch in der Familie aufgewachsen sind.
Ich glaube, Geschichten erzählen versus Fachbücher schreiben ist einfacher, weil ich nicht dogmatisch ‘das gelbe vom Ei’ erzähle, sondern eine Facette einer Lebenserfahrung wiedergebe, die Identifikationspotential birgt.
Du hast nicht nur ein neues Genre mit deinen Wertebilderbüchern eröffnet, Du hast Dir auch eine ungewöhnliche Form der Bezahlung überlegt.
Gabi Hahn: Die wirkliche Initialzündung sich zu trauen aus dem Business auszusteigen und ein Sabbatical auf noch unbestimmte Zeit einzulegen, kam aus meinem Zusammentreffen mit Harald Katzenschläger und Hermann Gams, den Gründern des Dreamicon Valley.
Dort habe ich mich bei dem Thema Herzenswünsche zu erfüllen und das zu machen wozu man sich berufen fühlt, selber an der Nase genommen und habe, was ich dort erfahren habe an mir selbst angewendet und nicht für die Netzwerke, die ich aufbaue, verwendet. Es wäre natürlich ein toller Inhalt für meine Mentoring Peering Netzwerke gewesen, sich dem Thema Dreamicon Valley auf diese Art zu nähern.
Und jetzt folge ich dem Dreamicon Valley Geist und möchte auf diese Art an die beiden Gründer etwas zurückgeben.
Ich verkaufe daher mein erstes Buch “Carlotta & Co” nicht, ich mache dazu auch keine klassischen Workshops, ich bin weder Trainerin noch Coach. Ich habe dieses Buch geschrieben, weil es mir ein Bedürfnis war. Wenn es jemand lesen will, dann kann er es im PDF oder in Hardcopy erwerben und wenn er dafür etwas bezahlen will, dann spendet er diesen Betrag an das Dreamicon Valley. Ich bekomme keinen und will auch keinen Cent dafür. Und wenn es den Menschen gefällt, dann freue ich mich darüber.
About:
Welten und Menschen verbinden.
Das ist wohl meine Berufung, sagt Gabi Hahn, weil sie, seit sie denken, kann nichts anderes tut. Dazu braucht es Empathie, Talent und jahrelanges Training, vor allem für ein erfolgreiches Matching von Menschen.
Sie hat Betriebswirtschaft und Werbung&Verkauf, beides an der WU Wien studiert, zudem eine dreijährig Ausbildung in Traditioneller Chinesischer Medizin absolviert, war neun Jahre Führungskraft in Unternehmen und Werbeagenturen und von 2006 bis 2015 Ein-Personen-Unternehmerin. Als diese hat sie firmenübergreifende innovative Netzwerke für Führungskräfte entwickelt und geleitet sowie Unternehmen dabei unterstützt, eigene und überbetriebliche Netzwerke für ganz unterschiedliche Zielgruppen zu gestalten.
Aktuell arbeitet Gabi Hahn an einem weiteren Bilder-Buch und stellt ein neues Netzwerk zusammen