Nikolaus Piza,
Managing Director McDonald’s, Österreich

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„Wir begrüßen rund 400.000 Gäste pro Tag in Österreich. Wir können nicht so tun, als würde eine Abteilung eine Lösung bieten können für etwas, das viel größer ist“, sagt Niko Piza, CEO McDonald’s, Österreich über die strukturellen Veränderungen, die man gerade einführt. Flache Hierarchien, externe Partner und systemisches Denken sind die Voraussetzung, um in einer volatilen Zeit für komplexe Problemstellungen die beste Lösung zu finden, so Piza. Im Interview spricht er über die Anwendung von Learnings aus missglückten Projekten, wie man den Schwerpunkt Nachhaltigkeit gestaltet und wie McDonald’s in Zukunft aussehen kann.

Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde Niko Piza von Helmut Blocher, Geschäftsführer Succus Gmbh, auf das Interview eingeladen. Er sprach am 15. Okt. 21 am Austrian Innovation Forum.

Auch der Salat kommt im Karton, während andere Fastfoodketten noch Plastik oder einem Mix aus Plastik und Karton verwenden. Gerade die Änderung der Verpackung benötigt viel Vorlaufzeit, wie geht ihr vor?

Niko Piza: Verpackung ist eines von vielen Themen, das uns besonders beschäftigt. Unser eigener Veränderungswillen, aber auch der Veränderungsdruck von außen, von den Gästen, auch mal von der Regierung und von der Gesellschaft ist enorm. Wir sind schon jahrelang dran, uns bei Verpackungen zu überlegen, wie wir nachhaltiger werden können. Die Verpackungen dem Kunden gegenüber ist natürlich am sichtbarsten, aber wir denken auch über die Verpackungen auf den Transportstrecken im Hintergrund nach.

Ist Mehrwegverpackung ein Thema, das für euch in Zukunft relevant wird?

Niko Piza: Auf jeden Fall, Mehrwertverpackungen sind eine zukunftsträchtige, nachhaltige Lösung. Wir starten in Kürze in Frankreich einen Piloten, bei dem unsere Gäste nur mehr Essen in Mehrwertverpackung mitnehmen. Das heißt, du kannst im Drive weiterhin bestellen, aber du bekommst eine Mehrwertverpackung mit Pfand. Diese Verpackung kann man in jedem Restaurant zurückgeben, sie wird gewaschen und wiederverwendet. Diese Umstellung ist komplex und erfordert ein Umdenken in vielen Unternehmensbereichen. Aber wir merken, dass wir gerade beim Thema Nachhaltigkeit noch längerfristiger denken müssen und auch nur über das reden, was wir tatsächlich tun. Wir haben nicht vor Greenwashing zu betreiben, sondern wollen tatsächlich auch nur mit Projekten in den Vordergrund treten, die wir erfolgreich umsetzen. Verpackungen ist da eines der Themen.

Du hast die hohe Komplexität der Projekte erwähnt – wie ist eure Herangehensweise zur Umsetzung?

Niko Piza: Wir sind am Weg uns zu öffnen und interne und externe Lösungen einzuladen. In der Vergangenheit wurden gute Ideen intern geboren. Irgendjemand überlegte sich etwas Cleveres, war besonders engagiert und versuchte, die Idee intern umzusetzen, meistens ohne Einbindung äußerer Einflüsse. Heute versuchen wir uns zu öffnen und Lösungswege systemisch zu gestalten. Denn die Probleme in dieser volatilen Welt bekommen wir vielleicht gar nicht allein gelöst. Der systemische Zugang ist wichtig, weil Lösungen aus einem Department, viel zu kurz greifen, um längerfristig zu halten. Ein Beispiel für eine systemisch, strategische Lösung sind die E-Ladestationen bei unseren Restaurants. Aber selbst dieser Ansatz greift noch zu kurz. Wir denken auch darüber nach, wie sich Individualverkehr grundsätzlich zukünftig entwickelt und welche Auswirkungen diese Entwicklung auf unsere Geschäftsmodelle haben kann.

Kannst du dazu ein Beispiel nennen?

Niko Piza: Wir arbeiten zum Beispiel an einer Maschine, die uns hilft, organischen Abfall im Restaurant, in Erde zu verwandeln. Klingt wie eine gute Idee, oder? Aber ist das auch der cleverste Zugang für die Zukunft? Sollten wir immer noch versuchen, diesen Abfall zu sammeln, aber vielleicht in etwas anderes konvertieren? In Treibstoff beispielsweise? Da fehlen uns noch die besten Ideen.
In der Vergangenheit haben wir abteilungsübergreifende Projektgruppen aufgesetzt und dann Lieferanten beauftragt. Jetzt wollen wir diesen Blick von außen verstärken, weil ich manchmal den Verdacht habe, dass wir immer noch zu sehr unter der Glocke tätig sind. Es ist zwar eine tolle Idee, Abfall in Erde zu verwandeln, aber das ist eine Riesenmaschine mit einem Entwicklungsaufwand von einer Million Euro. Und am Ende kommen wir vielleicht darauf, wir hätten diese Idee gleich mit anderen Bereichen z.B. E-Mobilität verknüpfen können. Je früher wir externe Ideen einbeziehen, desto besser können wir vermeiden ein Mausoleum hinzustellen, das vielleicht in zwei Jahren nicht mehr relevant ist. Und wir sind in jedem Fall auch schneller in der Umsetzung, weil wir möglicherweise Ideen mitverwenden können, die wir gar nicht bedenken, weil wir die Expertise im Unternehmen gar nicht haben.

Bedeutet das neue Mindset und die Öffnung zur Lösungsgestaltung mit unternehmensexternen Stakeholdern auch eine Änderung der Organisationsstruktur?

Niko Piza: Wir sind ein traditionelles Unternehmen. Die alte Schule bei uns war gedanklich, dass es jemanden an der Spitze gibt, der tigert sich in jedes Problem rein und am Ende gibt es klare Ansagen was gemacht werden soll, teilweise in unglaublichen Verästelungen.
Wir versuchen das gerade ein bisschen umzudrehen. Als ich am 1. April 2020 in der neuen Rolle antrat, hatte aufgrund des Lockdowns von knapp 200 Restaurants kein einziges offen. Unsere Zeit ist zu unvorhersehbar, um noch ‚den Einen‘ zu haben, der in der Früh das Wahrheitsserum bekommt und dann den ganzen Tag von oben Befehle gibt.
Die Probleme sind zu vielschichtig. Und dazu weiß ich auch zu wenig. Ich habe nicht alles im Kopf, was die nächsten Jahre passiert. Das ist auch nicht der Anspruch. Wir versuchen gerade die Organisation flacher zu machen, stärker projektbezogen zu arbeiten und Hierarchie und Jahre der Zugehörigkeit als ein Gradmesser für Input in den Hintergrund treten zu lassen.

Im Sinne von Leadership of Skills?

Niko Piza: Ja auch, aber auch in der grundsätzlichen Herangehensweise. Ein schönes Beispiel, aus dem wir viel gelernt haben, ist z.B. eine IT-Lösung zur Vereinfachung der Personalverwaltung im Restaurant. Ein klassisches IT-Projekt mit einer Ausschreibung. Da braucht die Erstellung des Briefings ein Jahr und dann dauert die Entwicklung fünf Jahre. Und am Ende stellt sich heraus, dass die Lösung komplett am Markt vorbeigeht und keinen Kunden findet. Das war sicher einer der Momente, wo für uns klar war, dass wir anders denken müssen. Der Weg der Vergangenheit führt da nicht mehr weiter. Heute versuchen wir die Projekte sie so aufzusetzen, dass quer über HR, über die IT-Abteilung und über Marketing gedacht wird und wir unsere Mitarbeiter verstärkt einladen, auch Projekte, bei denen wir schon in der Umsetzung sind, nochmal auf den Prüfstand zu stellen.

Wie geht es den Mitarbeitern mit diesem Schwenk in der Denke, der Einladung an Externe und der größeren Eigenverantwortung?

Niko Piza (lächelt): Die sind überrascht. Und es ist bei vielen noch nicht ganz angekommen. Aber wenn wir es schaffen den einfacheren Zugang zu wählen und uns von den Hierarchien ein bisschen abseits zu halten, dann wird das die Produktion enorm beflügeln. Ich bin überzeugt davon, dass viele Ideen bei uns schlummern, die wir noch nicht aufgenommen haben, weil wir früher von oben nach unten arbeiteten und nicht andersherum. Bis die Mindset-Änderung wirklich mit Vertrauen angenommen wird, werden wir noch zwei bis drei Jahre benötigen.

Welche Bereiche werden in der längeren Zukunft (zehn Jahren) zu euren größten Herausforderungen?

Niko Piza: Ich wage fast nie eine Vorhersage, weil das unmöglich ist. Dazu ist die Zeit zu unbeständig und irre und sehr oft läge ich falsch. Was aber abzusehen ist, sind die Fragen, mit denen wir uns im nächsten Jahrzehnt auseinandersetzen werden. Wir liefern ein Versprechen für schnellen, leichten Genuss, für leistbares Essen und für einen gewissen Anspruch, überall leicht verfügbar zu sein. Wie können wir dieses Versprechen in Zukunft erfüllen? Eine Frage zum Beispiel wäre: wie groß wir noch in der Fleischindustrie sein werden oder ob der Kunde uns nicht zwingt, vermehrt Angebote mit Ersatzprotein wie Beyond Meat anzubieten, die weniger Impact auf CO₂ haben?
Eine andere Frage wäre, wie können wir im Markenaufbau sicherstellen, dass wir Projektionsflächen bieten, die für Kunden interessant sind. Ein weiteres Thema ist unser Real Estate Geschäft. Wir mieten und kaufen Grundstücke, um unsere Restaurants in sinnvollen Lagen zu platzieren. Da stellt sich gleich die Frage: Welche sind das und was machen wir dort? Wir werden sicher weiter Restaurants betreiben, auch in zehn Jahren, aber wie werden sie aussehen? Werden sie nachhaltiger sein müssen? Welche Bedeutung haben die Drives beispielsweise dann noch versus innerstädtischen Verdichtungsflächen, wo die Leute vielleicht mehr unterwegs sein werden. Das sind alles Fragen, an deren Lösungen wir arbeiten.

Welche Jobs werdet ihr in Zukunft benötigen, die heute noch nicht unterrichtet werden?

Niko Piza: Personen, die wir in Zukunft brauchen, können vernetzt denken. Diese Expertise haben sie sich in verschiedenen Positionen in verschiedenen Abteilungen erworben. Das bedeutet nicht, dass tiefes Fachwissen nicht mehr relevant ist, es heißt aber, dass es in den Kontext, sprich in die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen immer in Bezug auf die laufenden Projekte übersetzt werden muss. Wir haben zum Beispiel am Tag Milliarden Datenpunkte über jede einzelne Transaktion. Das Erfassen dieser Daten ist Aufgabe der Data-Scientists. Um die richtigen Anwendungsmöglichkeiten für die Vielzahl der Daten zu finden, brauchen wir aber Mitarbeiter aus allen Abteilungen, die ein Verständnis für die Möglichkeiten haben, die diese Daten bieten, um sie auch nutzbringend anzuwenden.

mcdonalds.at

About:
Nikolaus Piza ist Managing Director von McDonald’s Österreich. Zuvor verantwortete er ab 2018 als CFO die Finanzen von McDonald’s Österreich. Vor seinem Wechsel zu McDonald’s war er in verschiedenen Führungspositionen bei internationalen Konzernen in Österreich (Mondi), Deutschland (Heineken) und Großbritannien (LEGO) tätig.