Maria Tagwerker-Sturm, Projekt Manager von Umdasch Group Ventures

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Unternehmen fällt es schwer gleichzeitig im Tagesgeschäft erfolgreich zu sein und radikal zu innovieren. Warum? Operatives Tagesgeschäft und Innovation harmonieren nicht immer. Die Herangehensweise und das Mindset bedarf sehr unterschiedlicher Ansätze. Das operative Geschäft ist durch Standardisierung und Risikovermeidung erfolgreich und stabil. Innovation braucht eine Trial-and-Error-Spielwiese und geht aktiv Risiken ein um die Geschäftsfelder von morgen zu finden, sagt Maria Tagwerker-Sturm, Project Manager von Umdasch Group Ventures. Um die Chancen der Innovation für die Zukunft voll verwerten zu können, hat die Umdasch Group AG ein eigenes Unternehmen aufgebaut, das sich nur mit Zukunft und Innovation beschäftigt.

Im Sinne des Taskfarm Konzepts wurde Maria Tagwerker-Sturm von Helmut Blocher, Geschäftsführer Succus Gmbh, auf das Interview eingeladen. Sie spricht am 16./17 Oktober 2019 am Austrian Innovation Forum.

Wieso hat man ein eigenes Unternehmen gegründet, um Innovation zu betreiben?

Maria Tagwerker-Sturm: Wir sind uns des Innovator’s Dilemma bewusst: Etablierte und erfolgreiche Unternehmen beschäftigen sich vor allem mit den bestehenden Kunden, da damit aktuell das größte Potential ist, Geld zu verdienen. Somit ist das Risiko groß, dass sie disruptive Innovationen nicht wahrnehmen oder vernachlässigen und damit die Chance verpassen an den Umsätzen der Zukunft teilzuhaben.
Meist ist es für Unternehmen auch schwierig gleichzeitig gut im operativen Geschäft zu sein und zu innovieren. Denn dazu sind ganz unterschiedliche Strukturen und Kulturen erforderlich. Im operativen Geschäft wird auf standardisierte Prozesse gesetzt und Risikovermeidung betrieben. Innovation bedeutet aber jeden Tag neue Wege zu gehen und sich bewusst auf Risiken einzulassen. Da aber in Unternehmen auch oft dringend (womit verdienen wir heute unser Geld) vor wichtig (womit verdienen wir morgen das Geld) geht, ist es schwierig Innovationen außerhalb der etablierten Geschäftsfelder und Technologien zu treiben. Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Digitalfotografie und Kodak.
Daher wurde mit Umdasch Group Ventures neben der Doka (Schalungstechnik) und Umdasch Store Makers (Ladenbau), eine dritte Tochter der Umdasch Group AG geschaffen. Wir beschäftigen uns im Corporate Future & Innovation Hub von Umdasch Group Ventures ausschließlich mit der Zukunft und mit mit revolutionären Innovationen für die Bereiche Retail und Bau. In der Umdasch Group AG, im operativen Geschäft, findet die evolutionäre Innovation für die bestehenden Geschäftsfelder in Form von neuen Produkten und Services statt, die oft auch im Innovationsgrad revolutionär ist, beispielsweise aufgrund der Chancen durch die Digitalisierung. Die Umdasch Group Ventures beschäftigt sich ausschließlich mit den revolutionären und disruptiven Innovationen, unser Ziel ist der strategische Aufbau von völlig neuartigen Geschäftsfeldern entlang der Bau- und Kaufprozesse.

Wie geht ihr hier vor?

Maria Tagwerker-Sturm: Wir analysieren Technologien und Megatrends und deren Auswirkungen auf unsere Prozesse (Bau, Retail). Daraus leiten wir Suchfelder ab, die wir systematisch screenen. Wir suchen nach neuen Technologien, Geschäftsmodellen und reifen Startups. Daraus leiten wir potenziell disruptive Innovationen ab. Disruptive Innovationen sind jene Neuerungen, die einen hohen Innovationsgrad haben und bestehende Geschäfte und Geschäftsmodelle komplett verändern können. Sie haben eine große Auswirkung und kommen meist aus der Nische. Haben wir auf dem Radar eine potentiell disruptive Idee, starten wir die Entwicklung. Wir bauen uns ein Innovation Eco-System auf, entweder investieren wir in ein junges Technologieunternehmen oder entwickeln in Co-Creation auf Basis von Auftragsentwicklung ein neues Geschäftsmodel.

Welche Beispiele davon setzt ihr gerade um und wie?

Maria Tagwerker-Sturm: Zum Beispiel mobiler 3D Druck mit Beton von Gebäuden in nur einem Tag, Vorort auf der Baustelle. Die Technologie ist sehr komplex, wir haben uns daher an einem Startup beteiligt, dessen Gründer seit über 2 Jahrzehnten daran forscht und zahlreiche Schlüsselpatente hält. Diese Kompetenz kann man organisch kaum mehr aufbauen, um rechtzeitig am Markt mit spielen zu können.
Ein weiteres Beispiel ist Contakt, das wir im Co-Creation-Prozess entwickelt haben. Wir digitalisieren die Baustelle und machen sie damit transparent. Das ermöglicht Baufirmen, die Abläufe zu optimieren und die Kosten- und Zeitkiller zu identifizieren. Die Lösung hat großes Potential, hinkt doch die Produktivität und Wertschöpfung am Bau weiter hinter der industriellen Fertigung.

Welche Möglichkeiten gibt es in der Zukunft durch die Anwendungen der Innovationen?

Maria Tagwerker-Sturm: Es steht außer Frage, ob wir Innovationen brauchen oder nicht. Es wird die Überlebensgrundlage von Organisationen. Wichtig wird aber, wie wir innovieren. Die digitalen Technologien bieten unendliche Möglichkeiten, wir müssen damit sehr bewusst umgehen.
Daher sollte der Innovationsfokus auch auf der Lösung von globale Herausforderungen liegen, z. B. Urbanisierung, Klimawandel und Umweltschutz, Bildung. … anstatt nur Luxusinnovationen. Abseits all der technologischen Innovationen brauchen wir als Gesellschaft vor allem auch soziale Innovationen.

Welche Jobs wird es in Zukunft geben, die heute noch keinen Namen haben?

Maria Tagwerker-Sturm: Vermutlich werden Stability Manager das Gegenstück zum Innovation und/oder Change Manager bilden. Und zwar im Sinne von Stabilität, um die Leistungsfähigkeit von Organisation in der kontinuierlichen Transformation zu erhalten. Würde ich sagen, wir benötigen Jobs, die uns vor den digitalen Technologien beschützen wäre ich extrem uninnovativ. Wir werden uns an die neuen Technologien gewöhnen und lernen, damit umzugehen, ohne uns zu schaden. Der Wandel vollzieht sich ja nicht wie der Urknall, sondern verläuft schrittweise.
Weiters ist ein Trust wichtiger Punkt – es wird vermehrt Jobs geben, die evaluieren, ob man etwas oder jemanden trauen kann. Im Prinzip gibt es das auch schon, doch denke ich, dass diese Entwicklung fortschreitet. In dieses Thema fällt auch Betrug und Security: Kann man Content trauen? Ist es Fake? Will man mich damit beeinflussen? Kann man E-Mails trauen? Kann man E-Mails trauen? Kann man Unternehmen vertrauen? Kann man Produkten trauen? Schutz vor Viren, vor Hackern in Smart Homes oder in autonomen Fahrzeugen werden Bereiche sein, die vermehrt Menschen beschäftigen.

umdaschgroup-ventures.com

austriatech.at

About:
Maria Tagwerker-Sturm ist Projektmanagerin für Retail Innovationen bei Umdasch Group Ventures, dem Corporate Innovation Hub. Sie analysiert Megatrends, scoutet Startups und digitale Technologien und entwickelt neue Geschäftsmodelle. Sie hat über 15 Jahre Innovationserfahrung in internationalen Unternehmen und ist die Gründerin des Innovationsblogs Inknowaktion.